Donnerstag, 17. November 2022
Vernichtung der Welt
Farblos
Eine Ausnahme
Jean Pierre Wils macht ein weiteres Mal auf die kleinen (im übrigen nicht immer so kleinen Photographien, z.B. Ringe des Saturn doppelseitiges Photo Seite 78/79) im Text aufmerksam. Was an den Photographien auffalle, so Wils, sei ihre Unauffälligkeit, dem kann man vorbehaltlos zustimmen. Nach kurzer Ratlosigkeit hat man sich an die Bebilderung des Textes gewöhnt, nimmt sie kaum noch war, möchte sie aber auf keinen Fall missen. Naturgemäß haben die Photos unter anderem die Aufgabe, die oft seitenlang abschnittslose Prosa aufzulockern. Die Unauffälligkeit ist auch der bewußt grauen, kunstlosen Häßlichkeit der Bilder zu verdanken, Text und Illustration, die gleiche Druckerschwärze, man schluckt die Bilder mit großer Selbstverständlichkeit. Eine Ausnahme möchte man sich vielleicht wünschen, ein Farbphoto von Giottos klagenden Engel, einen kleinen Bildausschnitt nur, der die wenigen hellgrünen Spuren der Veroneser Erde auf den weißen Engelsflügeln zu erkennen gibt. Man könnte sich die Reise nach Padua ersparen und die Begegnung mit dem vor dem Bild sich drängenden Kulturvolk.
Sonntag, 13. November 2022
Feinschmecker
Kunst und Nahrung
Er geht in fremden Städten auf der Suche nach einem angemessenen Restaurant stundenlang durch die Straßen und Gassen und gerät schließlich wahllos irgendwo hinein und verzehrt dort in trostloser Umgebung ein ihm auf keine Weise zusagendes Gericht. Ein wenig hat man den Verdacht, daß es ihm so recht ist, schadenfroh über sich selbst, Dichter sind keine Gourmets. Der Verdacht verstärkt sich, als ihm im Viktoriahotel zu Lowestoft ein gewiß seit Jahren schon in der Kühltruhe vergrabener Fisch serviert wird, an dessen paniertem, vom Grill stellenweise versengten Panzer er die Zinken seiner Gabel verbog, der Spaß ist offensichtlich. Nicht zu übersehen: er war beim Maler Aurach in die Lehre gegangen, Aurach, der sein Mittagsmahl täglich im Wadi Halfa und nur dort zu sich nahm, grauenvolle, halb englische und halb afrikanische Gerichte, die der Koch mit einer apathischen Eleganz sondergleichen zubereitet hatte. Künstler sind keine Gourmets, das war das Lehrstück, das er in Aurachs Begleitung erlernt hatte. Im Polen der sechziger und siebziger Jahre war Feinschmeckerei nicht recht zu erkennen, die Mittel, die den Gourmet ausmachen, fehlten weitgehend. Für die lange Wegstrecke nach Hopli sorgt Pradera, seinem Autor Stachura augenscheinlich verwandt, für angemessen Proviant, Brot, Speck, Zwiebeln, Heringe in Tomatensoße, ein Päckchen Tee und verschiedene ander Dinge. In Umrissen ist das die gleichbleibende Verpflegung beim Holzfällen in den kommenden Wochen. Am Sonntag aber sucht Pradera für ein anspruchsvolleres Mahl die Gastwirtschaft Hoplanka in Hopli auf. Er bestellt Eisbein in Fleischbrühe, eine doppelte Portion Kartoffeln, eine doppelte Portion Kraut, Senf und zwei gesäuerte Gurken. Eine derbe, nachhaltig sättigende polnische Mahlzeit, die sich von der verfeinerten französischen oder italienischen Eßkultur spürbar absetzt.