In jedem Kapitel der Ringe des Saturn legt Selysses eine mehr oder weniger großzügig bemessene Wegstrecke auf seiner Wanderung durch Südostengland zurück, seine Gedanken tragen ihn währenddessen aber immer wieder bis an das Ende der Welt, nach China oder nach Afrika. Da ist es mehr als zurückhaltend, wenn er zu Beginn des Vierten Teils von Southwold aus zur gar nicht weit entfernten holländischen Küste hinüberschaut, nicht weit entfernt, aber doch nicht zu sehen, wohl zu sehen aber die holländische Flotte, die am 28. Mai 1672 auftaucht in der Bucht vor Southwold, um mit den Engländern den Battle of Sole Bay auszufechten. Die Holländer werden bei dieser historischen Gelegenheit allerdings ebensowenig sichtbar wie die Engländer, eingesperrt wie sie allesamt sind in die geteerten Schiffsleiber, von denen nicht wenige bis an die Wasserlinie herabbrannten.
Im Jahr zuvor aber war Selysses, wie er sich erinnert, nach einer bösen, in der Schweiz verbrachten Nacht, über Basel und Amsterdam nach Den Haag gefahren. Wir erinnern uns wie es in seinen Augen den Belgiern ergangen ist, bei denen ihm eine in einer verbreiteten Verkrüppelung der Bevölkerung sich manifestierende Häßlichkeit aufgefallen war, wie man sie anderwärts nur selten antrifft, und sind besorgt, welcher Fluch die Holländern treffen mag. Wenn sie besser abschneiden als die Belgier, so vor allem deswegen, weil mit Ausnahme von Rembrandt Harmenszoon van Rijn und Jacob Isaackszoon van Ruisdael, beide aller Kritik enthoben, kaum zweifelsfrei autochthone Holländer auftreten. Holländerinnen fehlen ganz, wie im übrigen Frauen jeglicher Art. Bei den beiden nicht mehr ganz jungen, offenbar seit langem vermählten Herren in der Rezeptionsnische des Hotels, mit ihrem an Kindesstatt angenommenen aprikosenfarbenen Pudel, wird der landsmannschaftlichte Hintergrund nicht offengelegt. Atmet schon die Homosexuellenszene nicht den Geist höchstmöglicher politischer Korrektheit, so wird es bei den Islamiten, unter denen Selysses sich in der Folge überwiegend bewegt, nicht besser. Wir alle wissen, daß es sich dabei nach offizieller Berechnung zu exakt neunundneunzig Prozent um friedliche und nette Menschen handelt, Selysses aber gerät offensichtlich in die Nähe des verbleibenden einen Prozent. Wahrscheinlich gehe er, so gibt er selbst zu bedenken, in fremden Städten oft auf den falschen Wegen, insgeheim denkt er aber wohl, daß die richtigen Wege immer seltener werden. Nichts ist einzuwenden, wenn vor den Eingängen der diversen Unterhaltungs- und Eßlokale sich kleine Gruppen morgenländischer Männer versammeln, von denen die meisten stillschweigend rauchen, während der eine oder andere ein Geschäft abwickelt mit einem Klienten, wenn auch aus der mitteleuropäischen Sicht Geschäftsabwicklungen außerhalb der dafür vorgesehenen Büroräume immer etwas Anrüchiges haben. Der in einem chromglänzenden amerikanischen Limousine mit offenem Verdeck vorbeigleitende Zuhälter, den ein lachhafter Tirolerhut nicht unbedingt als Österreicher aber ebensowenig zweifelsfrei als Holländer ausweist, kann die bürgerlichen Standards der Szenerie nicht anheben, und als dann ein dunkelhäutiger Mensch auf Selysses zustürzt, das blanke Entsetzen im Antlitz, verfolgt von einem seiner Landsleute dessen Augen geradezu glänzten vor Mordlust und Wut, ein langes, blitzendes Messer in der Hand, ist Selysses’ für das friedliche Zusammenleben der Völkerschaften erforderliche Kraft erschöpft, verstört von den Nachwirkungen des Erlebnisses liegt er lange schlaflos auf dem Bett in seinem Hotelzimmer.
Die Betrachtung des schon im Ersten Teil vorgestellten Rembrandtbildes der Anatomischen Vorlesung kann am nächsten Tag nicht beruhigen, und so flüchtet er sich zu Ruisdaels Haarlem mit Bleichfeldern. Er sieht das Bild, das ein in seiner Zeit zugleich reales und ideales Holland zeigt, vorwiegend unter dem technischen Gesichtspunkt der Perspektive und bricht ab, als eine sich hingebende Versenkung in das Bildwerk stattfinden könnte, wie wir das vor allem in den Schwindel.Gefühlen aber auch an anderen Stellen erleben. Diderot hatte wohl das reale Holland erlebt so als sei es von Ruisdael gemalt, als ein Ägypten Europas, wo man mit einem Boot über die Felder dahinfahren kann und wo, soweit das Auge reicht, kaum etwas über die überschwemmten Ebenen hinausreicht. Es sei nicht leicht, diese Ansichten nachzuvollziehen, notiert Selysses trocken, als wahrnehmbares Relikt der idealen Zeit bleibt ihm nur ein realer Reiher, den er, unbeirrt von dem dahinkriechenden Autoverkehr, mit gleichmäßigem Flügelschlag knapp über der blanken Fläche des Wasser fliegen sieht. Diderots Vergleich mit Ägypten aber gerät ihm offenbar in eine ganz andere Richtung. Nicht nur, daß er sich überwiegend unter morgenländischen Männern bewegt, gleich beim Eintritt in die Stadt hatte er eine islamitische Metzgerei bemerkt, das primitive vierteilige Fresko einer durch die Wüste ziehenden Karawane und schließlich auch ein Minarett. Als er am Strand von Scheveningen ausruht, ist ihm, als halte rings um ihn sein Volk (welches, wessen Volk?) Rast auf dem Weg durch die Wüste. Die Fassade des Kurhauses ragt vor ihm auf wie eine große Karawanserei. Im Massada-Grill trinkt er, sozusagen zur Abrundung der semitischen Verhältnisse, vor der Rückfahrt noch eine Tasse Tee.
Amsterdam, wo er die nächste Nacht verbringt, scheint völlig menschenleer zu sein. Nur ein Entenpaar in einem breiten Graben und im Schutze einer Trauerweide, reglos auf der von grasgrüner Grütze ganz und gar überzogenen Fläche des Wassers, leistet ihm Gesellschaft. Schiphol dann, von wo aus er zurückfliegt nach England, ist naturgemäß kein holländischer, sondern ein exterritorialer und internationaler Ort. Die Frauen immerhin sind zurück, in Gestalt der offenbar körperlosen Ansagerinnen, die engelsgleich ihre Botschaften intonieren, Mr. Freeman to Lagos, La señora Rodrigo, por favor.
Im Jahr zuvor aber war Selysses, wie er sich erinnert, nach einer bösen, in der Schweiz verbrachten Nacht, über Basel und Amsterdam nach Den Haag gefahren. Wir erinnern uns wie es in seinen Augen den Belgiern ergangen ist, bei denen ihm eine in einer verbreiteten Verkrüppelung der Bevölkerung sich manifestierende Häßlichkeit aufgefallen war, wie man sie anderwärts nur selten antrifft, und sind besorgt, welcher Fluch die Holländern treffen mag. Wenn sie besser abschneiden als die Belgier, so vor allem deswegen, weil mit Ausnahme von Rembrandt Harmenszoon van Rijn und Jacob Isaackszoon van Ruisdael, beide aller Kritik enthoben, kaum zweifelsfrei autochthone Holländer auftreten. Holländerinnen fehlen ganz, wie im übrigen Frauen jeglicher Art. Bei den beiden nicht mehr ganz jungen, offenbar seit langem vermählten Herren in der Rezeptionsnische des Hotels, mit ihrem an Kindesstatt angenommenen aprikosenfarbenen Pudel, wird der landsmannschaftlichte Hintergrund nicht offengelegt. Atmet schon die Homosexuellenszene nicht den Geist höchstmöglicher politischer Korrektheit, so wird es bei den Islamiten, unter denen Selysses sich in der Folge überwiegend bewegt, nicht besser. Wir alle wissen, daß es sich dabei nach offizieller Berechnung zu exakt neunundneunzig Prozent um friedliche und nette Menschen handelt, Selysses aber gerät offensichtlich in die Nähe des verbleibenden einen Prozent. Wahrscheinlich gehe er, so gibt er selbst zu bedenken, in fremden Städten oft auf den falschen Wegen, insgeheim denkt er aber wohl, daß die richtigen Wege immer seltener werden. Nichts ist einzuwenden, wenn vor den Eingängen der diversen Unterhaltungs- und Eßlokale sich kleine Gruppen morgenländischer Männer versammeln, von denen die meisten stillschweigend rauchen, während der eine oder andere ein Geschäft abwickelt mit einem Klienten, wenn auch aus der mitteleuropäischen Sicht Geschäftsabwicklungen außerhalb der dafür vorgesehenen Büroräume immer etwas Anrüchiges haben. Der in einem chromglänzenden amerikanischen Limousine mit offenem Verdeck vorbeigleitende Zuhälter, den ein lachhafter Tirolerhut nicht unbedingt als Österreicher aber ebensowenig zweifelsfrei als Holländer ausweist, kann die bürgerlichen Standards der Szenerie nicht anheben, und als dann ein dunkelhäutiger Mensch auf Selysses zustürzt, das blanke Entsetzen im Antlitz, verfolgt von einem seiner Landsleute dessen Augen geradezu glänzten vor Mordlust und Wut, ein langes, blitzendes Messer in der Hand, ist Selysses’ für das friedliche Zusammenleben der Völkerschaften erforderliche Kraft erschöpft, verstört von den Nachwirkungen des Erlebnisses liegt er lange schlaflos auf dem Bett in seinem Hotelzimmer.
Die Betrachtung des schon im Ersten Teil vorgestellten Rembrandtbildes der Anatomischen Vorlesung kann am nächsten Tag nicht beruhigen, und so flüchtet er sich zu Ruisdaels Haarlem mit Bleichfeldern. Er sieht das Bild, das ein in seiner Zeit zugleich reales und ideales Holland zeigt, vorwiegend unter dem technischen Gesichtspunkt der Perspektive und bricht ab, als eine sich hingebende Versenkung in das Bildwerk stattfinden könnte, wie wir das vor allem in den Schwindel.Gefühlen aber auch an anderen Stellen erleben. Diderot hatte wohl das reale Holland erlebt so als sei es von Ruisdael gemalt, als ein Ägypten Europas, wo man mit einem Boot über die Felder dahinfahren kann und wo, soweit das Auge reicht, kaum etwas über die überschwemmten Ebenen hinausreicht. Es sei nicht leicht, diese Ansichten nachzuvollziehen, notiert Selysses trocken, als wahrnehmbares Relikt der idealen Zeit bleibt ihm nur ein realer Reiher, den er, unbeirrt von dem dahinkriechenden Autoverkehr, mit gleichmäßigem Flügelschlag knapp über der blanken Fläche des Wasser fliegen sieht. Diderots Vergleich mit Ägypten aber gerät ihm offenbar in eine ganz andere Richtung. Nicht nur, daß er sich überwiegend unter morgenländischen Männern bewegt, gleich beim Eintritt in die Stadt hatte er eine islamitische Metzgerei bemerkt, das primitive vierteilige Fresko einer durch die Wüste ziehenden Karawane und schließlich auch ein Minarett. Als er am Strand von Scheveningen ausruht, ist ihm, als halte rings um ihn sein Volk (welches, wessen Volk?) Rast auf dem Weg durch die Wüste. Die Fassade des Kurhauses ragt vor ihm auf wie eine große Karawanserei. Im Massada-Grill trinkt er, sozusagen zur Abrundung der semitischen Verhältnisse, vor der Rückfahrt noch eine Tasse Tee.
Amsterdam, wo er die nächste Nacht verbringt, scheint völlig menschenleer zu sein. Nur ein Entenpaar in einem breiten Graben und im Schutze einer Trauerweide, reglos auf der von grasgrüner Grütze ganz und gar überzogenen Fläche des Wassers, leistet ihm Gesellschaft. Schiphol dann, von wo aus er zurückfliegt nach England, ist naturgemäß kein holländischer, sondern ein exterritorialer und internationaler Ort. Die Frauen immerhin sind zurück, in Gestalt der offenbar körperlosen Ansagerinnen, die engelsgleich ihre Botschaften intonieren, Mr. Freeman to Lagos, La señora Rodrigo, por favor.