Dienstag, 18. Dezember 2012

Wildes Denken

Eine Korrektur

Sebald spricht irgendwo von Bricolage und Wildem Denken und nennt dabei auch Lévi-Strauss, den Vater des Begriffs. Seither bewegt das Wort sich in der Sebaldrezeption, allerdings meistens in einer dem ursprünglichen Begriff entgegengesetzten Form. In der Zeit, als die meisten Altersgenossen, darunter Sebald, auf Marx und die Neumarxisten schauten, hatte Vostre Servidor - vermutlich im Rahmen einer intratextuellen, autorengesteuerten, in seinem Fall allerdings folgenlosen Positionierungsstrategie gemäß Fridolin Schley - Lévi-Strauss als geistigen Leuchtturm gewählt. Das erlaubt ihm die folgende Korrektur.

Das ursprüngliche wilde Denken ist kein bißchen wild, wild sind nur die Ausdrucksmittel, derer es sich notgedrungen bedienen muß. Der Witz ist gerade, daß Lévi-Strauss hinter dem bunten Flickenkleid des Mythos, genäht aus Luchs und Coyote, Menstruationsblut und Muschelschmuck, roher und gekochter Nahrung &c., logisch-philosophische Denkgebilde äußerster Strenge und höchster Abstraktionsstufe freilegt. Der moderne wilde Denker dagegen legt das bunte Flickenkleid an, um den Verwüstungen des rationalen Denkens zu entkommen. Sein Inbild in Sebalds Werk ist der Major Le Strange. Wie und was er denkt, wissen wir nicht, der kanariengelbe Gehrock und der veilchenblaue Trauermantel mit vielen Ösen und Knöpfen aber sind das moderne Mythenkleid. Als die Indianer begannen, sich ähnliche, bei ihren Raubzügen erbeutete Gewänder überzustreifen, war der Untergang des wilden Denkens im ursprünglichen Sinne unausweichlich geworden.

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