Montag, 22. Dezember 2014

Moses im Schilf

Vecchia Elegante


Priododd gwr o dylwyth Lefi ag un o ferched Lefi: Austerlitz muß nur ein paar Blätter umwenden in der walisischen Bibel, und schon weiß er wieder, wie sehr er sich damals ängstigte bei der Stelle, an der davon die Rede war, daß die Tochter Levi ein Kästlein machte aus Rohr, daß sie es verklebte mit Erdharz und Pech, und daß sie das Kind sodann in dieses Kästlein hineinlegte und es aussetzte in dem Schilf am Ufer des Wassers - rhoddodd y plentyn ynddo a'i osod ymysg yr hesg ar fin yr afon. Die Aussetzung, mehr aber noch die Errettung Moses ist ein verbreitetes Motiv der christlichen Bildkunst, Roberto Calasso bespricht zwei Ritrovamenti di Mosè, eine gestaltet von Veronese, die andere von Tiepolo. Tiepolos Absicht war, Veronese zu wiederholen, und am Ende non vi è nulla così vicino come questi due quadri, ma anche nulla di così divergente. Erkennbar ist auch Calasso kein Verfechter der Exnovation, auch für ihn kommt das Neue aus dem Bekannten, das Ungeahnte aus dem Vertrauten.
Eine auffällige Erscheinung in Tiepolos Bild ist die Vecchia Elegante, definiert als una donna che è stata bella, che a molto, troppo vissuto. Die Figur findet sich in verschiedenen anderen Bildwerken Tiepolos wieder, in Danae e Giove oder in der Apparizione dell'Angelo a Sara. Sucht man nach der Vecchia Elegante in unseren Tagen, kann man nicht die Kleiderpracht des achtzehnten Jahrhunderts erwarten. Proust vermochte noch Tiepolos Rot in den Gewändern sowohl der Mme Guermantes, als auch Odettes und Albertines entdecken, aber auch seine Tage sind in dieser Hinsicht vorüber. Das zugestanden, könnte uns Tiepolos Sara als Mme Landau erscheinen, wie sie Selysses empfängt, der Auskünfte Bereyter betreffend einholen will. Den Engel müssen wir naturgemäß komplett umgestalten, bei Sara aber reicht es, den beseligten Ausdruck ob der Verheißung einer Schwangerschaft im schon arg vorgerückten Alter ein wenig zurückzunehmen, um Mme Landau zu sehen, una donna che è stata bella, che a molto vissuto. Mit spöttischen Gesichtsausdruck spricht sie von der ziemlichen Zahl der Männer, die sie in ihrem nicht unbeträchtlichen Leben des näheren kennengelernt hat.
In ihrer Eingezogenheit hat sie sich offensichtlich in zunehmendem Maße wohlgefühlt, ja die Art wie sie Jahr um Jahr unter den von ihr verachteten Dorfbewohnern herumgegangen ist, unfehlbar in einem schwarzen Kleid oder einem schwarzen Mantel und stets unter der Bedeckung eines Hutes und nie, auch beim schönsten Wetter nicht, ohne Regenschirm, hat etwas durchaus Heiteres an sich gehabt. Die Mathild hat sich lange gehalten, bis gut über achtzig. Die schwarze Kleidung ist die einer donna che è stata bella, ihr wildes Leben scheint auf die Jugendzeit konzentriert, unmittelbar vor dem ersten Krieg ist sie in das Regensburger Kloster der Englischen Fräulein eingetreten, hat das Kloster aber noch vor Kriegsende unter eigenartigen Umständen wieder verlassen und einige Monate lang, in der roten Zeit, in München sich aufgehalten, von wo sie in einem arg derangierten und fast sprachlosen Zustand nach Haus zurückgekehrt ist. Über das spätere, eingezogene Leben wissen wir so wenig wie über das Leben Tiepolos.
Er werde weitersuchen, so Austerlitz nach seinem Vater und auch nach Marie de Verneuil, die ihm, inzwischen in die Jahre gekommen, sicher als die Vecchia Donna Elegantissima erscheinen würde. Man weiß nicht, wie ihr Leben verlief, nachdem Austerlitz und sie sich aus den Augen verloren hatten. An Weltläufigkeit, beruhend auf gelebten Leben, war sie ihm gleich voraus.

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