Unfehlbar ausgelöscht
Gleich beim Eingang zum ersten Saal der Bonner Ausstellung trifft man auf ein ganz in Grautönen gehaltenes Selbstbildnis des Künstlers. Das Gesicht ist unter der schweren Malarbeit erheblich zerstört und dann mit kruden, die Zerstörung, aber nicht ihre Spuren behebenden Mitteln geflickt worden. Das Bild wirkt wie ein Wahrheitsbeleg zur Darstellung des Max Aurach in den Ausgewanderten. Es wundere ihn, so läßt Sebald Aurach sagen, wie er am Ende eines Arbeitstages aus den wenigen der Vernichtung entgangenen Linien und Schatten ein Bildnis von großer Unmittelbarkeit zusammenbringe, und weitaus mehr noch verwundere es ihn, daß er diese Bildnis am darauffolgenden Morgen, sobald er nur einen ersten Blick auf es geworfen habe, unfehlbar wieder auslösche. Da Aurach die Farben in großen Mengen aufträgt und sie im Fortgang der Arbeit immer wieder von der Leinwand herunterkratzt, ist der Bodenbelag des Malstudios bedeckt von einer im Zentrum mehrere Zoll dicken mit Kohlestaub untermischten, weitgehend bereits verhärteten und verkrusteten Masse, von der er behauptet, daß sie das wahre Ergebnis seiner fortwährenden Bemühung darstelle und den offenkundigen Beweis für sein Scheitern. - Weitaus mehr Vernichtung als Schöpfung.
Sebald hat Eckdaten der Biographie Auerbachs aufgegriffen und ist offenbar fasziniert von seinem Bild als Eremit und Asket der Kunst. Aurach ist gestaltet als ein von seinen Lebensumständen, der frühen Flucht aus Deutschland, dem Tod er Eltern im KZ, dem Leben als Ausgewanderter im Exil mehr oder weniger zerstörter Mensch. Zehn Stunden Arbeit im Atelier an sieben Tagen der Woche, das galt für ihn und das gelte für Auerbach, so hört man, selbst jetzt, im hohen Alter, noch immer, auch die Aurach kennzeichnende, inzwischen völlig ortsfeste Lebensweise. Einmal in der Woche besuche Auerbach abends in Gesellschaft ein italienisches Eßlokal, dessen Niveau leicht über dem von Aurach in Manchester täglich frequentierten, von einem Massaihäuptling geleiteten und grauenvolle halb englische, halb afrikanische Gerichte ausliefernden Wadi Halfa liege, wahren Gourmetansprüche aber keineswegs genüge. Mit Hinweis auf den frühen Arbeitsbeginn mahne der Maler schon bald wieder zum Aufbruch.
Wie sehr Sebald Auerbach als Maler geschätzt und verstanden hat, ist schwer zu sagen, die eigenen dichterischen Arbeiten geben einen vergleichbar wüsten Entstehungshintergrund nicht zu erkennen, die Oberfläche der Prosa ist extrem geglättet. Bei den alten und älteren Meistern scheint der Dichter sich alles in allem wohler zu fühlen, so wenn Aurach und der Erzähler gemeinsam Courbets Eiche der Vercingetorix betrachten oder wenn Aurach dem Erzähler den zermarterten Grünewald einerseits und den schwebenden Tiepolo andererseits nahebringt. Sebald hatte von den beiden in seinem Werk bereits zuvor gehandelt, so daß letztlich nicht klar ist, wer wen unterweist.
Gleich beim Eingang zum ersten Saal der Bonner Ausstellung trifft man auf ein ganz in Grautönen gehaltenes Selbstbildnis des Künstlers. Das Gesicht ist unter der schweren Malarbeit erheblich zerstört und dann mit kruden, die Zerstörung, aber nicht ihre Spuren behebenden Mitteln geflickt worden. Das Bild wirkt wie ein Wahrheitsbeleg zur Darstellung des Max Aurach in den Ausgewanderten. Es wundere ihn, so läßt Sebald Aurach sagen, wie er am Ende eines Arbeitstages aus den wenigen der Vernichtung entgangenen Linien und Schatten ein Bildnis von großer Unmittelbarkeit zusammenbringe, und weitaus mehr noch verwundere es ihn, daß er diese Bildnis am darauffolgenden Morgen, sobald er nur einen ersten Blick auf es geworfen habe, unfehlbar wieder auslösche. Da Aurach die Farben in großen Mengen aufträgt und sie im Fortgang der Arbeit immer wieder von der Leinwand herunterkratzt, ist der Bodenbelag des Malstudios bedeckt von einer im Zentrum mehrere Zoll dicken mit Kohlestaub untermischten, weitgehend bereits verhärteten und verkrusteten Masse, von der er behauptet, daß sie das wahre Ergebnis seiner fortwährenden Bemühung darstelle und den offenkundigen Beweis für sein Scheitern. - Weitaus mehr Vernichtung als Schöpfung.
Sebald hat Eckdaten der Biographie Auerbachs aufgegriffen und ist offenbar fasziniert von seinem Bild als Eremit und Asket der Kunst. Aurach ist gestaltet als ein von seinen Lebensumständen, der frühen Flucht aus Deutschland, dem Tod er Eltern im KZ, dem Leben als Ausgewanderter im Exil mehr oder weniger zerstörter Mensch. Zehn Stunden Arbeit im Atelier an sieben Tagen der Woche, das galt für ihn und das gelte für Auerbach, so hört man, selbst jetzt, im hohen Alter, noch immer, auch die Aurach kennzeichnende, inzwischen völlig ortsfeste Lebensweise. Einmal in der Woche besuche Auerbach abends in Gesellschaft ein italienisches Eßlokal, dessen Niveau leicht über dem von Aurach in Manchester täglich frequentierten, von einem Massaihäuptling geleiteten und grauenvolle halb englische, halb afrikanische Gerichte ausliefernden Wadi Halfa liege, wahren Gourmetansprüche aber keineswegs genüge. Mit Hinweis auf den frühen Arbeitsbeginn mahne der Maler schon bald wieder zum Aufbruch.
Wie sehr Sebald Auerbach als Maler geschätzt und verstanden hat, ist schwer zu sagen, die eigenen dichterischen Arbeiten geben einen vergleichbar wüsten Entstehungshintergrund nicht zu erkennen, die Oberfläche der Prosa ist extrem geglättet. Bei den alten und älteren Meistern scheint der Dichter sich alles in allem wohler zu fühlen, so wenn Aurach und der Erzähler gemeinsam Courbets Eiche der Vercingetorix betrachten oder wenn Aurach dem Erzähler den zermarterten Grünewald einerseits und den schwebenden Tiepolo andererseits nahebringt. Sebald hatte von den beiden in seinem Werk bereits zuvor gehandelt, so daß letztlich nicht klar ist, wer wen unterweist.
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