Sonntag, 19. März 2017

Common Decency

Robicheaux


Jean-Claude Michéa bespricht in knappen Worten den Film In the Electric Mist: En France, le cinéma de Bertrand Tavernier constitue un très bon exemple de ce nécessaire travail d’empathie. Je pense notamment au personnage de Dave Robicheaux (magistralement interpreté par Tommy Lee Jones) à travers lequel Tavernier réussit admirablement à faire passer toutes les contradictions humaines qui peuvent animer un „petit Blanc“ de Lousiane, à la fois „conservateur“ et profondément attacheé à la common decency. Il est vrai que Tavernier est un grand lecteur d’Orwell (et un grand admirateur de John Ford) et que c’est donc de façon parfaitement consciente qu’il s’est attaché à rendre ainsi hommage à leur conception de la décence commune et des gens ordinaires. - Wenn Michéa schon John Ford erwähnt, hätte er nicht verschweigen müssen, daß Lee Jones, auch was die Körpermaße anbelangt ein schmächtiger petit Blanc, hüftsteifer zudem, als John Wayne es je war, weder Mühe noch Bedenken hat, Männer mit dem dreifachen Volumen, die von Common Decency nichts wissen und nichts wissen wollen, magistralement und auf eine für sie nicht schmerzfreie Weise eines Besseren zu belehren; die Common Decency ist noch um einiges wehrhafter als der Rechtsstaat, dem sich Robicheaux als Leutnant der Polizei in besonderer und frei interpretierter Weise verpflichtet fühlt.

Die von Orwell übernommene Vorstellung der Common Decency teilt erkennbar Merkmale mit der vor Kolonisierung zu bewahrenden Lebenswelt bei Habermas. Common Decency ist in den Augen Michéas - der sich als Marxist versteht, das aber nach dem Vorbild von Marx selbst, der immer betont hat, er sei keiner - Common Decency also ist von Kapitalismus und zeitgenössischer linker Theorie in gleicher Weise bedroht, da die beiden Strömungen in ein und dasselbe Flußbett münden: ununterscheidbar voneinander setzen sie auf ständigen Fortschritt und möglichst unbegrenzte Freiheit des Einzelnen, zwei Wertsetzungen, die bei undosiertem Einsatz zur Auslöschung aller gewachsenen Sozialität führen. Wer ähnliche Ideen wie Michéa vertritt, sehe sich unverzüglich als Réac klassifiziert, eine Einordnung, die sich etwa Houellebecq längst zur Ehre anrechnet. Sebald hätte ihm nicht nachgestanden. Mme Landau rühmt vor allem anderen Bereyters ans Extravagante grenzende Dezenz, ein Prädikat, das, sichtet man die Reihen, allen Sebaldmenschen zuzusprechen ist, wenn vielleicht auch nicht in dieser superlativischen Ausprägung. Der Leser der Prosabände hat das beglückende Gefühl, sich in einem grenzenlosen Reich der Common Decency zu bewegen, und doch, an diesbezüglichen Hinweisen fehlt es nicht, ist es nur ein unmaßstäblich erweiterter schmaler und vor allem auch zeitlich begrenzter Bezirk: die Sebaldmenschen sind samt und sonders kinderlos und ohne Nachkommen. Die Maschinen aber, so tröstet uns der Dichter, stehen allenthalben bereit zur Geschäftsübernahme und Fortsetzung des großen Werks der Emanzipation. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Menschen sich in die Arbeit an ihrer Befreiung nicht länger störend einmischen.

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