Fatale Schönheit
Es wäre den Schweiß der Edlen wert, den Dichter auf basale Formen der Korrektheit zu verpflichten. Nicht nur, daß es in seiner Prosa wimmelt von Negern, Zigeunern, Buckligen und Irren, Bezeichnungen, die aus guten Grund alle Wohlmeinenden längst längst ad acta gelegt haben – die zertifizierten Ersatzvokabeln liegen zum allgemeinen Gebrauch bereit -, der Dichter scheut sich auch nicht, einen Trennstrich zwischen sogenannten schönen Menschen und weniger schönen zu ziehen und die Schönen unter Mißachtung der gleichmäßig gestreuten Menschenwürde zu bevorzugen. Das Mädchen war in Brescia zugestiegen, die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, dachte er sich. - Wenn die Franziskanerin sich in ihr Brevier vertieft, wird man das hinnehmen müssen - что делать? – ein Bilderroman aber, muß da ein Geistesmensch und Dichter, ein kaum zu übertreffender Meister der Prosa nicht Abstand nehmen und jedwedes außerliterarische Schönheitsempfinden hintanstellen? Hätte eine der wenig attraktiven Tirolerinnen im Bus von Innsbruck ins Allgäu hätte in einem derartigen Produkt geblättert - man vernimmt, ohne ihn zu lesen, den hämischen Kommentar. Kann ein Dichter, der so unbedacht mit der Schönheit hantiert, seinerseits als Garant des Schönen gelten, kann es wirklich heißen: Il ramène le lecteur à une position souvent perdue depuis longtemps: l'admiration et le pur plaisir esthétique?
Auf der anderen Seite muß man dem Dichter zugestehen, daß er sich nicht allein von ästhetischen Impulsen leiten, sondern auch moralische Affekte gelten läßt. Am meisten sind ihm von der Krummenbacher Kapelle die von ungeschickter Hand um die Mitte des 18. Jahrhunderts gemalten Kreuzwegstationen in Erinnerung geblieben, inzwischen zur Hälfte von Schimmel überlaufen und zerfressen. Tiepolo ist ihm in den Sinn gekommen, der auf dem Gerüst unter der Decke des Treppenhauses der Würzburger Residenz gelegen ist und dort unter Schmerzen im rechten Arm mit sicherer Hand die Farblasur eingetragen hat in das Fleck für Fleck aus dem nassen Verputz entstehende Weltwunderbild. Der Krummenbacher Maler habe sich vielleicht, so denkt er, in der Winterzeit desselben Jahres an seinen vierzehn kleinen Kreuzwegstationen nicht weniger gemüht als Tiepolo an seinem großen Deckengemälde. Das geht über bloße Gerechtigkeit – gleicher Lohn für gleiche Arbeit - hinaus und dringt, bedingt auch durch den Genius loci, in den Bereich der Barmherzigkeit vor. Vielleicht können wir uns dahingehend beruhigen, daß es allein die Frauenschönheit ist, die den Dichter, wie schon so viele andere vor ihm auch, für einige Augenblicke vom Pfad der Gerechtigkeit und des höher gelagerten Erbarmens abbringt. Die Betroffenen müssen daran arbeiten. Unser aller Herr hat nicht unterschieden zwischen den Schönen und den Häßlichen.
Es wäre den Schweiß der Edlen wert, den Dichter auf basale Formen der Korrektheit zu verpflichten. Nicht nur, daß es in seiner Prosa wimmelt von Negern, Zigeunern, Buckligen und Irren, Bezeichnungen, die aus guten Grund alle Wohlmeinenden längst längst ad acta gelegt haben – die zertifizierten Ersatzvokabeln liegen zum allgemeinen Gebrauch bereit -, der Dichter scheut sich auch nicht, einen Trennstrich zwischen sogenannten schönen Menschen und weniger schönen zu ziehen und die Schönen unter Mißachtung der gleichmäßig gestreuten Menschenwürde zu bevorzugen. Das Mädchen war in Brescia zugestiegen, die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, das Mädchen, nicht minder versenkt, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide, dachte er sich. - Wenn die Franziskanerin sich in ihr Brevier vertieft, wird man das hinnehmen müssen - что делать? – ein Bilderroman aber, muß da ein Geistesmensch und Dichter, ein kaum zu übertreffender Meister der Prosa nicht Abstand nehmen und jedwedes außerliterarische Schönheitsempfinden hintanstellen? Hätte eine der wenig attraktiven Tirolerinnen im Bus von Innsbruck ins Allgäu hätte in einem derartigen Produkt geblättert - man vernimmt, ohne ihn zu lesen, den hämischen Kommentar. Kann ein Dichter, der so unbedacht mit der Schönheit hantiert, seinerseits als Garant des Schönen gelten, kann es wirklich heißen: Il ramène le lecteur à une position souvent perdue depuis longtemps: l'admiration et le pur plaisir esthétique?
Auf der anderen Seite muß man dem Dichter zugestehen, daß er sich nicht allein von ästhetischen Impulsen leiten, sondern auch moralische Affekte gelten läßt. Am meisten sind ihm von der Krummenbacher Kapelle die von ungeschickter Hand um die Mitte des 18. Jahrhunderts gemalten Kreuzwegstationen in Erinnerung geblieben, inzwischen zur Hälfte von Schimmel überlaufen und zerfressen. Tiepolo ist ihm in den Sinn gekommen, der auf dem Gerüst unter der Decke des Treppenhauses der Würzburger Residenz gelegen ist und dort unter Schmerzen im rechten Arm mit sicherer Hand die Farblasur eingetragen hat in das Fleck für Fleck aus dem nassen Verputz entstehende Weltwunderbild. Der Krummenbacher Maler habe sich vielleicht, so denkt er, in der Winterzeit desselben Jahres an seinen vierzehn kleinen Kreuzwegstationen nicht weniger gemüht als Tiepolo an seinem großen Deckengemälde. Das geht über bloße Gerechtigkeit – gleicher Lohn für gleiche Arbeit - hinaus und dringt, bedingt auch durch den Genius loci, in den Bereich der Barmherzigkeit vor. Vielleicht können wir uns dahingehend beruhigen, daß es allein die Frauenschönheit ist, die den Dichter, wie schon so viele andere vor ihm auch, für einige Augenblicke vom Pfad der Gerechtigkeit und des höher gelagerten Erbarmens abbringt. Die Betroffenen müssen daran arbeiten. Unser aller Herr hat nicht unterschieden zwischen den Schönen und den Häßlichen.
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