Jeder wohl denkt, Kunst ist allein Menschensache, wenn man denn die Götter aus dem Spiel läßt, Apoll etwa und die Musen. Und doch, wer an einem Spätsommerabend vom Garten her lauscht, wie die Amsel, besser der Amsel, immer wieder vom Leitungsdraht herab sein Liedchen schmettert, ist verunsichert, diese Schönheit, diese Vielfalt, dieser Ideenreichtum, diese Raffinesse. Die Evolutionslehre in ihrer einfachen Form beruhigt, alles nur Arterhaltung, wenn auch mit dem erfreulichen Nebeneffekt der Schönheit, das anmutigste Weibchen erwählt den besten Sänger, beider Gene sind unschlagbar, was könnte der Art widerfahren? Was aber ist mit dem Keulenflügel-Manakin*, der seine Gesänge nicht aus der Kehle, sondern vermittels Flügelschlag erzeugt. Zu dem Zweck verstärkten sich die Federkiele im Evolutionsverfahren erheblich, bei den stillen Weibchen unnötigerweise gleich mit, die Flugfähigkeit des Männchens leidet darunter signifikant, die des Weibchens immerhin spürbar, die Art ist offenkundig geschädigt, im Nachteil. L’art pour l’art der Evolution, ohne Rücksicht auf Verluste?
Das Balzverhalten vieler Vögel belegt, daß auch die Kunstform des Tanzes in den Kompetenzbereich des Federvolkes fällt. Damit könnte ihre Beteiligung am Kunstgeschehen als abgeschlossen gelten, wenn nicht die Laubenvögel wären, die das künstlerische Agieren der Vogelwelt zum einen um die Architektur und zum anderen um die bildende Kunst erweitern. Die Lauben selbst sind bei einigen Arten architektonische Wunderwerke, der Hüttengärtnervogel (Amblyornis inornata) dekoriert überdies den Zugangsweg zur Laubenhütte in einer Weise, die an Produkte der modernen bildenden Kunst erinnert. Die traditionelle Malerei ist den Vögeln naturgemäß nicht zugänglich, da es sich vorwiegend um erzählende, also Sprache voraussetzende Bildwerke handelt, die Bildwerke Giottos, Fra Angelicos und anderer mehr, gehe es um Ruth, um Hagar, oder um die heilige Jungfrau selbst, sind erzählende Theopoesie (Sloterdijk) in Bildform. Der Zugang zur Sprache aber ist den Tieren verschlossen, das Plappern des Papagei darf uns nicht in der Irre führen, Bedeutung wird nicht mitbefördert. Literatur als Kunstform ist dem Menschen vorbehalten. Die Schwierigkeit für die Literatur liegt darin, daß der Alltagsgebrauch der Sprache sie stärker belastet, als es bei den Klängen und Bildern der Fall ist. Wenn Sergio Chejfec urteilt: Sebald ramène le lecteur à une position souvent perdue depuis longtemps: l'admiration et le pur plaisir esthétique, heißt das, diese Schwierigkeit wurde überwunden, sofern, woran wir glauben, Chejfecs Urteil zutrifft.*Richard O. Prum, The Evolution of Beauty