Tot und lebendig
Ende September 1970 fährt der Erzähler mit Clara erfolgreich auf Wohnungssuche nach Hingham hinaus, Mitte Mai 1971 dann verlassen sie die Mietwohnung wieder, Clara hatte eines Nachmittags kurzerhand ein Haus gekauft. Das läßt auf eine tatkräftige junge Frau schließen, über die man in den folgenden Jahrzehnten, den achtziger und neunziger Jahren, gern noch einiges mehr erfahren hätte. Abgesehen von zwei, drei kurzen Bemerkungen aber ist von Clara nicht mehr die Rede, und doch ist es viel, vergleicht man Clara mit der Frau, deren Tod das Buch Die Asche des Tages, die ein wenig freie Übersetzung des originalen Titels Fuioll Fuine, einleitet und im weiteren Verlauf bestimmt. Von ihr erfährt man rein gar nichts, nicht ihren Namen, nicht von ihrem Leben und nicht von ihrem Tod. Ihr Ehemann wird als N. eingeführt, die Zahl der männlichen gälischen Namen, die mit N. beginnen, ist begrenzt, nennen wir ihn Niall. Das Tor zur Vergangenheit ist geschlossen, wir bekommen die Frau nicht zu Gesicht, weder lebendig noch tot, wir hören kein Wort von Trauer oder Schmerz, auch nicht von Erleichterung. Seine Schwägerinnen, die Schwestern seiner Frau, kennzeichnet Niall als fies, hatte er seine Frau ähnlich eingeordnet? Aber es gibt keinerlei Beleg, daß Niall zuverlässig urteilt und nicht vielmehr er die charakterliche Schwachstelle ist. Die Frau muß unter die Erde gebracht werden, darin ist man sich einig, zielstrebige Handlungen in dieser Richtung aber unterbleiben. Niall irrt durch Dublin, eine weitgehend merkmalslose Stadt, die dem Dublin Leopold Blooms kaum ähnelt, von seinem Ziel entfernt er sich immer weiter. Vielleicht heißt seine tote Frau Caitríona, vielleicht liegt sie schon ohne Nialls Zutun unter der Friedhofserde, cré na cille, und nimmt teil am Gespräch der Toten, das wir nicht verstehen oder auch nur hören können. Unter den Lebenden hatte nur Máirtín Ó Cadhain diese Gabe, der an dieser Stelle aber keinen Gebrauch davon macht.
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