Samstag, 25. Januar 2025

Ertrunken

Wer ist es?

Zwei Männer laufen nichts ahnend herab zum Fluß. Erschrocken entdecken sie eine Frau ertrunken im Wasser, man sieht und erkennt sie an ihrem Kleid, ihr Gesicht ist nach Tagen aber bereits vom Wasser zerstört und nicht mehr zu erkennen. Sie hat sich umgebracht, nimmt man zunächst an. Aber ist das wirklich wahr, ist sie überhaupt die vom Wasser zerstörte Frau in ihrem Kleid, hat man eine andere ertränkt und das Kleid nur vorgeschoben? So wie man sie aus dem Wasser holte, kann man sie nicht erkennen. Hat man sie etwa umgebracht, nur um eine andere zu verbergen? Es kann so oder anders sein, es wird sich zeigen, alles ist möglich in dieser grauenhaften Welt.

Freitag, 24. Januar 2025

Groß und klein

Ein Dichter


Wenn man nur diesen riesigen Kopf und den roten Haarschopf sah, hielt man ihn für einen Hünen, sah man seinen Körper, hielt man ihn für einen Zwerg. Er war der Literatur eng verbunden, las viel und schrieb auch selbst viel, zumeist in den Mittagsstunden nach längeren Spaziergängen am Morgen und oft auch noch einmal am späteren Abend. Mit seiner Gesundheitstand es nicht zum Besten, nach einem Nervenzusammenbruch verließ er kaum noch sein Haus. Seine Freunde kümmern sich fortan um seinen Tagesverlauf, oft wurden Freunde zum Mittagsessen eingeladen. Er stirbt schließlich im Alter von fast achtzig Jahren.

Lebenslang

Eigenwille

Palilem papierosy, pilem piwo, ich rauche ein paar Zigaretten und trinke Bier, zu dieser Zeit war beides noch verbreitet unter den Menschen, beides ist inzwischen öffentlich verpönt, aber, wie man sieht, nicht von allen. Zurecht gelten sowohl die Zigaretten als auch der der Alkohol als schädlich. Zweifellos soll man Kinder und Jugendliche fernhalten und auch die Erwachsenen sollten beides nicht übertreiben, mit den Zigaretten zudem nicht andere belästigen. Ein jeder muß sich selbst entscheiden, einige weisen ohnehin das lange Leben ab, ohne daß Erkrankungen festzustellen waren, niemand kann zum Leben gezwungen werden. Pavese ebenso wie Stachura geben im Alter von ungefähr vierzig Jahren ihr Leben auf, ohne daß Papierosy und Piwo ihnen in diesem Alter schon geschadet hätten. Jeder lebt so gut wie er kann nach seinen Vorstellungen. Niemand weiß, warum es einerseits das Leben und anderseits den Tod gibt, wer hat das so eingerichtet?

Dienstag, 14. Januar 2025

Menschen und andere

Wieso?

Für Stachuras fürsorgliche und liebende  Mutter war der Gottesglauben selbstverständlich, wie sollte sich daran auch etwas ändern, Gott ist ewig, man sollte in diesen Fragen nicht versuchen die Mutter eines Besseren zu belehren. Genaueres von und über Gott, wie es zu Gott gekommen war, wußte sie nicht, er war eben da, für immer und ewig, auch Ungläubige können Gefallen daran haben, wer begeistert sich nicht für Notre Dame oder auch die Kirchen in den kleinen Dörfern. Daß Jesu Wiederkunft sich immer noch verzögert, mußte man hinnehmen und vergessen, Jesus ist da, auch dann, wenn er nicht mehr da ist. Mittlerweile sind die Kirchen aber leerer geworden, für die Kirchgänger am Sonntag ist es oft nicht mehr als ein seit langem gewöhntes Vergnügen ohne viel Sinn und Gauben. Warum sollte Gott, wenn es ihn denn gäbe, sich allein auf die Menschen beschränken? Auf die den Menschen ähnlichen Menschenaffen bekümmert er sich schon nicht mehr, obwohl, wenn es sein soll, der Schimpanse eine Reihe von Worten der Menschen versteht, wenn er auch diese Worte nicht sprechen kann, sollte man deswegen den Schimpansen beiseite schieben? Man beschränkte sich beim Gottesdienst zunächst notgedrungen auf die europäischen Menschen, von Afrika wußte man wenig, von Amerika wußte man nichts, die Indianer wiederum wußten nichts von den Indern und nichts von den Europäern. Man kennt bislang nur einen bewohnten Planeten, sind die uns vertrauten Menschen und Tiere allein im All? Die Einsamkeit der Welt ist uns nicht verständlich. Eine andere Frage: Warum gibt es die Schönheit der Welt, für wen, für was, und warum ihre Häßlichkeit? Die Gehäuseschnecken sind oft kunstvoll und entzückend, wen wollen sie damit erfreuen, die gehäuselosen Schnecken sind garstig, aber ist das nicht nur der menschliche Verständnis von der Welt? Wer entscheidet über Schönes uns Häßliches? Wenn es einen Gott gäbe, warum ist er, soweit man sieht, nur auf unserem Planeten aktiv und nicht an vielen Plätzen im All? Jedenfalls gibt es keinen Gott in der Weise, wie man es sich vorgestellt hatte. Es heißt, so schnell wie die Welt entstanden ist, könne oder würde sie auch wieder verschwinden. Gibt es nur diese eine Welt oder zahllose andere Welten? Wer weiß etwas von uns, was könnten wir wissen? Wer beachtet uns noch, wenn Jesus der Heiland längst verschwunden ist?

Montag, 13. Januar 2025

Anguilla

Zurück aus Amerika

La luna e i falo, die meisten Erzählungen bewegen sich am Boden, Paveses Prosa schwebt und tanzt mit den Worten. Wir sprechen von ihm als Anguilla dem Aal, sein wahrer Name war nicht bekannt. Er war im Piemont nicht glücklich geworden, hatte keinerlei Fortschritt im Leben und daher war er nach Amerika ausgewandert und dort einigermaßen reich geworden. Zurückgekehrt versteckt er weiter seinen wirklichen Name, es bleibt bei Anguilla. Er trifft Nuto, seinen alten Freund wieder, der seinen Wohnort im Piemont nie verlassen hatte. Bei Feiertagen entzückte Nuto die Bewohner seiner Ortschaft mit der Klarinette. Generell ist, wie man weiß, der Umgang mit Frauen schwierig, nicht aber mit Nutos Frau, von der man allerdings nicht viel erfährt. Anguilla und Nuto waren Freunde und sind Freunde über viele Jahre hin, die Freundschaf ist makellos, Anguillas langer Aufenthalt in Amerika hat dem nicht geschadet. Sie machen gemeinsame Ausflüge über die Hochebene, durch die Hügellandschaft und zwischen den Alleebäumen. Im Hintergrund warteten bereits die Deutschen, die die Männer henkten oder auf anderer Weise töteten.


Vier Romane

Vier Vorkommen

Der sterbende Kafka hatte gebeten, seine Schriften zu vernichten, soweit sie nicht bereits veröffentlicht waren, sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Zahllose noch nicht vollendete Schriften, auch solche, die Kafka nach einer halben Zeile bereits aufgegeben hatte, blieben entgegen seinen Wunsch veröffentlicht. Bereits veröffentlicht war Der Prozeß und Die Verwandlung. Das Schloß gilt als nicht vollständig abgeschlossen, bei Amerika ist das nicht ganz klar. Der Prozeß begann mit den Worten: Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Vieleicht wollte man ihn ohnehin verurteilen, vielleicht war es sein ungestümes Benehmen, das ihm zum Verderben wurde. An K.s Gurgel sich die Hände eines Beamten und ein anderer stieß ihm ein Messer ins Herz. Auch die Verwandlung war tödlich. Wie weitgehend bekannt führt auch die Verwandlung zu nichts Gutem. Gregor Samsa hat sich von einem Tag zum anderen aus unbekannten Gründen in einen riesigen Käfer verwandelt. Die Familie hält dem auf Dauer nicht Stand, letztlich fühlt Samsa sich dank seines Todes befreit von seiner Last. Anders sieht es beim Schloß und bei Amerika aus. Während Die Verwandlung und Das Schloß gleich in der ersten Zeile ein böses Ende erkennen lassen, klingt sie so, als würden die beide umfänglichen Erzählungen jeweils zu einem Happy-End führen, gesichert ist das nicht. Bei der Amerika Erzählung scheint das möglich, beim Schloß schon weniger.

 

Freitag, 3. Januar 2025

La casa

in Collina

La casa in collina, nur an diesem einem Haus am Meer und am Wald, an den Schluchten, den Hängen, den Bäumen und an Landhäusern scheint Corrado interessiert, immer wieder sucht er die Gegenden auf, die Menschen schon auch, die aber weniger, auch der Krieg scheint zunächst nur von relativ geringerer Bedeutung, ein Garant des ordentlichen Lebens ist Belbo der Hund, ein freundlicher Genosse des schönen Belbotals. Sein Beruf als Lehrer veranlaßt Corrado täglich nach Turin zu fahren oder, wenn ausreichend Zeit besteht, zu laufen, der Weg führt ihn vorbei an entzückenden Dörfchen und Kirchtürmen, das ist sein Leben. Am Abend kehrt er zurück und genießt wieder die ihm so verbundene Landschaft. Noch sind auch die Menschen und besonders die Mädchen recht guten Mutes. Die Lage wird immer beklemmender, der Kriegszustand immer heftiger. Man zieht sich zurück um so weit wie möglich sein Leben weiterzuführen, die Zahl der Toten nimmt täglich zu, Belbo bleibt seiner Rolle als Trost treu.

Marlowe

Ein Detektiv

Die Mehrzahl der Menschen sind freundlich und anständig zueinander, andere nicht, mit denen hat Marlowe zu tun, er ist ein hervorragender Detektiv. Wen er gerade keine Kunden hat, verbringt er die Zeit in seinem Büro, Genaueres darüber erfährt man nicht. Man weiß nichts von seinen Verwandten  seinen Eltern, ob sie noch leben oder nicht, auch nichts von Freunden, wenn er denn Freunde hat. Man weiß nicht, wo und wie er sein Essen erhält und was er bevorzugt zu sich nimmt. Sein bester Freund ist Mrs. Murdocks Neger, der allerdings nur als Bildnis in ihrer Villa existiert. Immer wieder winkt er ihm im Vorbeigehen auf dem Weg zu seiner Kundin zu. Er lebt mit der Aufklärung von Verbrechen, das ist sein Leben, keine Frau, kein Freund, kein Kind, nichts. Mrs. Murdock ist diejenige, die ihn als Detektiv engagiert. Er wird aktiv für Mrs. Murdock, die ihr Geld behalten, während Vannier es haben will. Trotz ihres fragwürdigen Vorgehens obsiegt Mrs. Murdock, während Vannier auf fragwürdige Weise um sein Leben kommt. Nur Mrs. Murdock ist sein Kunde, um Vannier, der nicht sein Kunde ist, geht Marlowe also nicht ein. Das Recht ist bei Licht gesehen auf keiner der beiden Seiten. Der einzig korrekte Mensch, der Neger, kann nur den Kopf schütteln.

 

Indianer

Es gab keine Spuren

Schon die USA als solche hat ihn nicht besonders interessiert, die Ureinwohner, sprich Indianer, läßt er völlig beiseite, bei Kafka ist es ganz anders. Die Indianer interessieren ihn mehr als üblich, ihre Sprache nimmt er allerdings nicht wahr. Wenn man doch ein Indianer wäre, so denkt er, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzittert über dem zitternden Boden, bis man die Sporen entläßt, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und das Land vor sich eine glattgemähte Heide sah, ohne Pferdehälste und Pferdeköpf zu sehen. Die zahlreichen Sprachen der Indianer läßt er, wie bereits erwähnt, beiseite. Die Sprachen sind aber ein Schatz besonderer Güte. Ohne mit diesen Sprachen aufgewachsen zu sein, lassen sich die Sprachen der Indianer kaum erlernen. 

 

Donnerstag, 2. Januar 2025

Die Zeit

Umkehr

Pokatulktalo go i kaput, er war auf den fahrenden Zug gesprungen, abgestürzt und erledigt. Warum aber läßt sich dieses Unglück nicht ändern, warum bewegt sich die Zeit immer nur in die eine Richtung und kann sich bei einem solchen Geschehen nicht in die andere Richtung, die Richtung des Neubeginns umkehren? Wenn es aber so ist wie es ist, sehe ich Cybulski, so als fliege er herbei zu mir mit ausgebreiteten Händen, on leci na mnie, a ja stoje z otwartami ramionami. Ich aber will den Sprung verhindern, er aber will mich beiseite stoßen um den Wagen doch zu erreichen, ich aber, auch wenn er schimpft und sich ärgert, und halte in zurück. Der Zug inzwischen ist dank meines Eingreifens bereits in der Ferne verschwunden. Cybulski ist aufgebracht und verärgert, vermutlich aber habe ich ihm sein Leben gerettet. Noch eine andere Möglichkeit: on leci na bok, er läuft zur Seite hin, um mich zu überholen, ich laufe aber auch zur Seite hin und bin schneller als er, bin bereits im Wagen als er ihn erreicht, ich strecke die Hand aus, die ihm hilft einzuspringen, er dankt mir. Das alles kommt aber zu spät, die Umkehr der Zeit war noch längst nicht hinreichend erforscht.                                     


Frieden und Krieg

Gestern und Heute

Der Krieg sei nun vorbei, sagte der Großvater, das Kind verstand darunter, daß es nie wieder Krieg geben würde, in aller Ruhe würde sich sein Lebenslauf gestalten. Er konnte in aller Ruhe die Schule besuchen, später dann sie Universität. Es war nicht zu übersehen, daß nicht überall Frieden war, wohl aber in  Europa, nach und nach würden sich mehr und mehr Länder dem angleichen, noch in diesem Jahrhundert würde der ewige Frieden sich fraglos einstellen. So konnte er denken, weil er die Augen nicht aufhielt, es waren ja auch andere nicht weniger wichtige Dinge zu bedenken. Dann begann es mit der Ukraine. Zunächst konnte man glauben, es ginge ausschließlich um die überwiegend von Russen bewohnte Ostukraine, man könne sich wohl einigen, inzwischen gibt es tausende Tote auf beiden Seiten und es geht weiter, die ganze östliche Welt ist kriegerisch aufgewacht und wird lange nicht zur Ruhe kommen. Krieg und kein Frieden.

 

Wasserfahrt

An Bord

Man sah den stillen See, im Vordergrund ganz wenig Schilf, weiter draußen in der Mitte des Sees ein Boot, und darin eine junge Mutter mit ihrem Kind am Arm. Eine Reihe von Fragen tun sich auf: Wer leitet das Schiff, ist er dafür geeignet? Was ist der Anlaß der Fahrt? Was ist das Ziel der Fahrt?  Gelingt de Fahrt so wie erhofft und wie erwartet, ist es nicht vielmehr eine Enttäuschung? Ist die Fahrt ein Abenteuer für das Kind, hat es Freude an dem Unternehmen, wie alt ist es, ist es ein Mädchen oder ein Junge? Geht es zur Freude an das Unternehmen, oder vielmehr um die Rettung des Kindes?  Man weiß es nicht.