In der Fremde
L’exile est une école de vertige: All’estero unter Schwindelgefühlen, das klingt wie ein Echo auf die Einlassung des aus Rumänien ausgewanderten Philosophen. Wir werden Zeuge einer experimentellen Selbstexilierung, die schon auf der ersten Station, Wien, aus der Bahn zu gleiten droht. Deutliche Spuren der Verwahrlosung waren schon bald nicht zu übersehen, er begann in einer aus England mitgebrachten Plastiktüte allerlei unnütze Dinge mit sich herumzuführen, die ihm immer unentbehrlicher wurden. Der Anblick des inwendig schon gänzlich in Fetzen aufgelösten Schuhwerks entsetzt ihn, es würgt ihm im Hals und die Augen trüben sich. Der Übergang in die Lebensform des Stadt- und Landstreichers kann noch abgewendet werden, Verwirrung aber bleibt, Bedrohlichkeit, eingebildet oder tatsächlich. Sind wirklich zwei Augenpaare auf ihn gerichtet in Venedig wie auch in Verona, oder bildet er es sich ein, sind es harmlose Augenpaare oder sind es die Augen der GRUPPE LUDWIG, die Augen Furlans und Abels, die ihn ins Visier nehmen. In der Pizzeria VERONA bricht er den Selbstversuch wegen übergroßer Schwindelgefühle ab und fährt nach Haus, zurück in ein Land, von dem wir nichts wissen, und von dem wir nichts erfahren, ein Zwischenreich offenbar, kein Estero, keine Fremde, aber auch keine Heimat, Patria. Sieben Jahre später macht er sich wieder auf in die Fremde.
L’exile est une école de vertige: All’estero unter Schwindelgefühlen, das klingt wie ein Echo auf die Einlassung des aus Rumänien ausgewanderten Philosophen. Wir werden Zeuge einer experimentellen Selbstexilierung, die schon auf der ersten Station, Wien, aus der Bahn zu gleiten droht. Deutliche Spuren der Verwahrlosung waren schon bald nicht zu übersehen, er begann in einer aus England mitgebrachten Plastiktüte allerlei unnütze Dinge mit sich herumzuführen, die ihm immer unentbehrlicher wurden. Der Anblick des inwendig schon gänzlich in Fetzen aufgelösten Schuhwerks entsetzt ihn, es würgt ihm im Hals und die Augen trüben sich. Der Übergang in die Lebensform des Stadt- und Landstreichers kann noch abgewendet werden, Verwirrung aber bleibt, Bedrohlichkeit, eingebildet oder tatsächlich. Sind wirklich zwei Augenpaare auf ihn gerichtet in Venedig wie auch in Verona, oder bildet er es sich ein, sind es harmlose Augenpaare oder sind es die Augen der GRUPPE LUDWIG, die Augen Furlans und Abels, die ihn ins Visier nehmen. In der Pizzeria VERONA bricht er den Selbstversuch wegen übergroßer Schwindelgefühle ab und fährt nach Haus, zurück in ein Land, von dem wir nichts wissen, und von dem wir nichts erfahren, ein Zwischenreich offenbar, kein Estero, keine Fremde, aber auch keine Heimat, Patria. Sieben Jahre später macht er sich wieder auf in die Fremde.
Die zweite Reise ist weniger eine Wiederholung und Fortsetzung als der Versuch einer Auswertung der ersten, Schwindelgefühle stellen sich gleichwohl ein, spätestens bei der Begegnung mit den Kafkazwillingen und ihren Eltern im Bus nach Riva. Im Ergebnis fährt er nur bis Limone und findet Frieden unter den Augen Lucianas, die hinter ihrer Theke wirtschaftet und immer wieder aus den Augenwinkeln zu ihm herüberblickt, so als wollte sie sich vergewissern, daß ihm bei seinen Aufzeichnungen der Faden nicht abgerissen sei. Wichtiger Teil und Endpunkt der Auswertung ist der Report Salvatore Almaturas. Den unwahrscheinlichen Verdacht, vor sieben Jahren habe die GRUPPE LUDWIG ihre Augen auf den Exilanten gerichtet, kann er naturgemäß nicht bestätigen, aber auch nicht widerlegen. Gleichwohl ist mit dem Bericht Altamuras die Mission erfüllt, das nomadenhafte Weiterziehen kommt zu seinem Ende, die ausgehenden Sommermonate verbringt der Reisende mit verschiedenen Arbeiten in Verona, die Oktoberwochen in einem Hotel oberhalb von Bruneck.
Der Aufenthalt all’estero geht über in den ritorno in patria, nach Bekundung des Reisenden ein Ort weiter in der Fremde als jeder andere denkbare Ort. Patria ist denn auch nicht die aktuelle Ortschaft W., die er kaum wahrnimmt, sondern das W. seiner Kindheit, in das er sich zurückversetzt, vor allem die Zeit in der Obhut des Großvaters, die gemeinsamen Besuche beim Uhrmacher, die regelmäßigen Besuche bei der Mathild, die gemeinsamen Wanderungen durch das Land der Kapellen, die Betreuung während der Diphterie. Das Verlassen der Kindheit ist die eigentliche Exilierung, der Aufenthalt all’estero nurmehr eine Verdeutlichung, niemand hat intensiver darauf bestanden als Cioran: der Segen der Kindheit und der Fluch des Lebens.
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