Silberknöpfe
Ich weiß nicht, wie ich mir in den fremden Städten die Lokale aussuche, in die ich einkehre. Einerseits bin ich zu wählerisch und gehe stundenlang durch die Straßen und Gassen, ehe ich mich entscheiden kann; andererseits gerate ich zuletzt meistens wahllos einfach irgendwo hinein und verzehre dort in trostloser Umgebung und unter Unbehagen ein mir in keiner Weise zusagendes Gericht – auf diese, von ihm selbst beschriebene Weise, imgrunde also gegen seinen Willen, gelangt der Dichter in die Pizzeria Verona. Schon das Ambiente ist nicht jedermanns Sache. Der Bodenbelag und die Wände waren in einem gräßlichen maritimen Blau gehalten gehalten, das jede Hoffnung je wieder festes Land sehen zu dürfen, zunichte machte. Man sollte in diesem Zusammenhang allerdings nicht aus den Augen verlieren, daß das stilistisch ähnlich einzuordnende Wadi Halfa Aurach vorzüglich paßt, und mit ihm auch Austerlitz und dem Dichter. Die des weiteren erwähnte nur halb verzehrte Pizza ist kein sicheres Indiz ihrer mangelnden Qualität. Der Umstand, mit dem Wirt namens Carlo Cadavero allein in dem Gastraum zu sein, mag nicht ermuntern und vielmehr klaustrophobische Impulse auslösen, die vernehmbaren Gesprächsfetzen aus dem andauernden Telefonat, das Signor Cadavero mit einem Unbekannten führt, sind an sich aber nicht beunruhigend. Wenig erheiternd, für einen Menschen im Gleichgewicht aber auch nicht verstörend sind allerdings die Nachrichten über die mörderische ORGANIZZAZIONE LUDWIG, die im Gazzetino zu lesen sind. Die Panik, die den Dichter ergreift und flüchten läßt, ist alles in allem offenbar endogener Art.
Als der Dichter sieben Jahre später in Verona durch dieselbe Straße geht, findet er die Pizzeria verschlossen, die Eingangstür mit einer Spanplatte vernagelt. Die Erkundigung beim Photographen gegenüber bleibt erfolglos, der Mann schweigt hartnäckig, und bricht dann, als der Dichter geht, in wüste Verwünschungen aus, die offenbar den einstigen Betreibern der Restauration gelten. Womöglich war die Beängstigung sieben Jahre zuvor doch nicht unbegründet. Zwei Hochzeitsreisende bittet er um ein Photo der Fassade. Was er damit beabsichtigt, bleibt unklar, aufklärerische Absichten hinsichtlich dessen, was sich in der Pizzeria abgespielt hat, können kaum im Spiel sein. Es wäre ein Leichtes gewesen, Salvatore Altamura nicht nur zur Gruppe Ludwig, sondern auch zu den Vorgängen in der Taverne Cadavero zu befragen, scusi, un'altra domanda per favore, die Frage unterbleibt. Mit zumindest einem Fuß folgt der Dichter immer auch dem Weg des mythischen Duos. Wichtiger als Aufklärung ist ihm die Vision, die ihn im Angesicht des aufgelassenen Hauses überkommt. Zwei Männer, schwarze Röcke, silberne Knöpfe, eine Bahre, unter einem blumengemusterten Tuch ein Mensch, es ist aufs Haar genau, bis hin zu den Silberknöpfen die gleiche Anordnung, in der der Jäger Gracchus an Land getragen wurde, als Kafka nicht weit entfernt von Verona in Riva wohnte.
Ich weiß nicht, wie ich mir in den fremden Städten die Lokale aussuche, in die ich einkehre. Einerseits bin ich zu wählerisch und gehe stundenlang durch die Straßen und Gassen, ehe ich mich entscheiden kann; andererseits gerate ich zuletzt meistens wahllos einfach irgendwo hinein und verzehre dort in trostloser Umgebung und unter Unbehagen ein mir in keiner Weise zusagendes Gericht – auf diese, von ihm selbst beschriebene Weise, imgrunde also gegen seinen Willen, gelangt der Dichter in die Pizzeria Verona. Schon das Ambiente ist nicht jedermanns Sache. Der Bodenbelag und die Wände waren in einem gräßlichen maritimen Blau gehalten gehalten, das jede Hoffnung je wieder festes Land sehen zu dürfen, zunichte machte. Man sollte in diesem Zusammenhang allerdings nicht aus den Augen verlieren, daß das stilistisch ähnlich einzuordnende Wadi Halfa Aurach vorzüglich paßt, und mit ihm auch Austerlitz und dem Dichter. Die des weiteren erwähnte nur halb verzehrte Pizza ist kein sicheres Indiz ihrer mangelnden Qualität. Der Umstand, mit dem Wirt namens Carlo Cadavero allein in dem Gastraum zu sein, mag nicht ermuntern und vielmehr klaustrophobische Impulse auslösen, die vernehmbaren Gesprächsfetzen aus dem andauernden Telefonat, das Signor Cadavero mit einem Unbekannten führt, sind an sich aber nicht beunruhigend. Wenig erheiternd, für einen Menschen im Gleichgewicht aber auch nicht verstörend sind allerdings die Nachrichten über die mörderische ORGANIZZAZIONE LUDWIG, die im Gazzetino zu lesen sind. Die Panik, die den Dichter ergreift und flüchten läßt, ist alles in allem offenbar endogener Art.
Als der Dichter sieben Jahre später in Verona durch dieselbe Straße geht, findet er die Pizzeria verschlossen, die Eingangstür mit einer Spanplatte vernagelt. Die Erkundigung beim Photographen gegenüber bleibt erfolglos, der Mann schweigt hartnäckig, und bricht dann, als der Dichter geht, in wüste Verwünschungen aus, die offenbar den einstigen Betreibern der Restauration gelten. Womöglich war die Beängstigung sieben Jahre zuvor doch nicht unbegründet. Zwei Hochzeitsreisende bittet er um ein Photo der Fassade. Was er damit beabsichtigt, bleibt unklar, aufklärerische Absichten hinsichtlich dessen, was sich in der Pizzeria abgespielt hat, können kaum im Spiel sein. Es wäre ein Leichtes gewesen, Salvatore Altamura nicht nur zur Gruppe Ludwig, sondern auch zu den Vorgängen in der Taverne Cadavero zu befragen, scusi, un'altra domanda per favore, die Frage unterbleibt. Mit zumindest einem Fuß folgt der Dichter immer auch dem Weg des mythischen Duos. Wichtiger als Aufklärung ist ihm die Vision, die ihn im Angesicht des aufgelassenen Hauses überkommt. Zwei Männer, schwarze Röcke, silberne Knöpfe, eine Bahre, unter einem blumengemusterten Tuch ein Mensch, es ist aufs Haar genau, bis hin zu den Silberknöpfen die gleiche Anordnung, in der der Jäger Gracchus an Land getragen wurde, als Kafka nicht weit entfernt von Verona in Riva wohnte.
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