Dienstag, 1. Januar 2019

Lebenspraxis

Fach

Santa Polonia, życie praktyczne to nie była nasza najmocniesza strona, das praktische Leben war nicht gerade unsere starke Seite. Szerucki und Rozański haben nicht etwa eine fehlende Hand- und Fingerfertigkeit zu beklagen, sie haben kein Problem mit dem Nagel in der Wand. Sie bewähren sich auf dem Gebiet der Gewässerpflege nicht weniger als in der Forstwirtschaft oder als Hilfsarbeiter auf dem Bau, aber immer auf der untersten Stufe der Karriereleiter. Alle hatten Szerucki schon früh geraten, einen Beruf zu erlernen, ein fach, wie man in Polen sagt. Er war durchaus einsichtig und hatte doch Bedenken, ein Fach, so die Befürchtung, würde ihn zu weit ins praktische Leben zerren, ihn womöglich erblinden lassen für die Welt. Wenn er denn das praktische Leben gewönne und nähme Schaden an seiner Seele.

Im Werk des Dichters sind die Vertreter handwerklicher Berufe rar. Der Onkel Kasimir hatte eine Spenglerlehre durchlaufen und auch in den USA längere Zeit als Blechschmied gearbeitet, bevor ihn eine beim Schlittschuhlaufen erlittene Verletzung arbeitslos machte. Der Landwirt Garrard ist kaum noch auf den Feldern anzutreffen und widmet sich nahezu ausschließlich dem Bau eines Jerusalemer Tempelmodells. Le Strange hatte sich nach seiner Demissionierung als Offizier zunächst der Verwaltung seiner Güter gewidmet, um sich bald schon von allem und jedem zurückzuziehen. Auch die Vertreter akademischer Fächer gehen nicht auf geschweige denn unter in ihrer Tätigkeit. Der pensionierte Richter Farrar kann sich nur wundern, wie lange er es immerhin ausgehalten hat in den Amtsstuben und Gerichtssälen. Der Astrophysiker Malachio beschäftigt sich vordringlichen mit Fragen der Wiederauferstehung nach dem Tode, der Berufskollege Gerald Fitzpatrick hat sich der Fliegerei und seiner Cessna verschrieben bis zum frühen Unfalltod. Niemand von den Genannten würde das praktische Leben als seine starke Seite benennen, am allerwenigsten aber die Ashburys. Edmund, Szeruckis Namensvetter, zimmert seit Jahren an einem langen dickbauchigen Schiff, das niemals in See stechen wird. Die drei Schwestern, Catherine, Clarissa und Christine verbringen jeden Tag mehrere Stunden damit, aus Stoffresten vielfarbige Kissenbezüge, Bettüberwürfe und dergleichen zusammenzunähen, die sie am nächsten Tag wieder auftrennten. Im fernen Manchester, jenseits der See, löscht der Maler Aurach das am Vortag gemalte Bildnis unfehlbar am nächsten Tag wieder aus. Mrs. Ashbury sammelt Blumensamen in Papiertüten, die sie an einer kreuz und quer am Bibliotheksplafond aufhängt, sodaß sie eine Papierwolke bildeten, in der sie, auf der Bibliotheksstaffelei stehend, immer wieder wie eine in den Himmel auffahrende Heilige zur Hälfte verschwand. Heilige und Künstler, wenn sie es denn sind, und solche, die wenigstens den Keim in sich tragen, haben ihre starke Seite nicht im praktischen Leben.

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