Samstag, 26. September 2020

Tief zu Roß

Sabots

An einem Januarmorgen 1889 hat Nietzsche seine Wohnung in der Via Alberto in Turin für einen Spaziergang entlang des Po verlassen. Nach wenigen Schritten schon, so heißt es, habe er gesehen, wie ein Mietkutscher sein Pferd schlug. Von Mitleid überwältigt habe der Philosoph den Hals des Pferdes umschlungen und sei schließlich selbst zusammengebrochen. Erholt hat er sich nicht wieder. Eine ähnliche Szene finden wir in einem Roman Dostojewskis, in welchem? Bedauerliche Einzelfälle, nichts gegen das Leid der Pferde, als noch hoch zu Roß Krieg geführt wurde. Allein in der Schlacht von Marengo sind rund viertausend Pferde unter Qualen um ihr Leben gekommen. Es ist der Sache nur angemessen und nicht verwunderlich, wenn auf Schlachtengemälden alle Pferde diese irren Augen haben.
 
Die dritte namenlose Frau Des inconnues bewohnt in Paris ein Appartements, das ihr ein Bekannter für die Zeit seines Auslandsaufenthalts überlassen hat. Gleich am ersten Morgen wird sie in der Frühe geweckt von Hufschlägen auf dem Pflaster, und so bleibt es an den folgenden Tagen. Le bruit des sabots, der Hufschlag erklingt auf den ersten Seiten, erklingt das Buch hindurch, er erklingt noch auf der letzten Seite. Chevaux avancent dans la nuit, Pferde werden zum Schlachthof geführt, Pferde, die ihren Dienst getan haben und nicht mehr gebraucht werden, Zirkuspferde zum Beispiel. Die junge Frau ist ins Quartier des abbatoirs geraten, seit mehr als hundert Jahren geht es so, erfährt sie, hunderttausende Pferde wurden getötet, weit mehr als in Marengo, aber das war auch nur eine Schlacht, ein Gemetzel unter hunderten und tausenden.

 

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