Dienstag, 3. August 2021

Erzählweisen

Diversität


Kälte. Ein wenig zu leicht, scheint mir, ein wenig zu schnell und zu glatt erzähle ich davon. Das muß anders erzählt werden. Nicht so glatt. Nicht so sauber. Das muß gespannter vorgetragen werden. Stotternd durch die vor Kälte zitternden Zähne, und ohne Eleganz niedergeschrieben, so wie die vor Kälte starren Finger. Man kann alles auf elegante Art ersinnen und niederschreiben wie in der schönen Literatur. Das macht keine Mühe. Auf diese Weise kann man endlos die Regale in den Büchereien füllen, wie es üblich ist, besonders mit der schönen Literatur. Ich möchte das so erzählen, will sagen, es weiterhin so erzählen, wie es ist, wenn es anders ist, wenn die Worte nicht anmutig niederschweben, sondern … hier fehlen mir die Worte. Die es wissen wollen, wissen ohnehin, wie ich das Brot zerbrösele. - Ich bemühe mich darum, das Denken nie mit Worten zu belasten, ich rede unbewußt daher. So als würde mir ein Stein aus dem Mund fallen. Ich weiß nicht.

Man könnte meinen, der Mann aus Chéruy hat gezielt den Dichter aus dem Allgäu im Visier, rühmt dieser doch Kellers schöne Satz für Satz vor uns aufgerollte Bahn des Erzählens und übertrifft ihn dann in dieser Kunst noch um einiges. Der 1979 gestorbene Freund der wie Steine aus dem Mund fallenden Worte auf der einen und der Freund der schön dahingleitenden Sätze auf der anderen Seite sind sich aber nicht begegnet, der Allgäuer Dichter war zudem, nach allem was man weiß, des Polnischen nicht mächtig. Stachura war kein gelernter Literaturkritiker und hat sich, wie für vieles andere, auch für Literaturkritik nicht besonders interessiert, es ist wohl weniger auf Kritik aus als auf einen Hinweis bereffend seinen einsamen, durchaus bedachten und kontrollierten Schreibstil. Ein Literat kann fraglos auch andere Macharten als die eigene schätzen, Thomas Mann hat, um ein Beispiel zu nennen, den ganz anders aufgelegten Vigoleis Thelen geschätzt. Ein Alptraum für einen Autor wäre es zweifellos, von lauter Klonen des eigenen Stils umgeben zu sein. Eher schon kann sich die Neigung zu einer kraß gegensätzliche Prosa entwickeln. Der Dichter hält das Unheil der Welt unter der Schönheit der dahingleitenden Sätze so weit verborgen, das Leben gleichwohl möglich ist. Bei Stachura ist das Erzählareal immer aufgepflügt, ungeglättet, die Egge kommt nicht zum Einsatz. Was die beiden Autoren wohl voneinander gehalten hätten, man wird es nicht erfahren. 

Derart offenkundig gegensätzlich angelegte Prosaformen sind eher selten, im Prosaland herrscht ungeordnete Diversität in alle Richtungen. Nehmen wir Vigoleis Thelen hinzu. Die Prosa bewegt sich wie ein ungeschickter, dem wüsten Wellengang nicht gewachsener Schwimmer, Nichtschwimmer vielleicht sogar, nie gehörte Wörter bedrohen als Treibgut den Schädel des Dahintreibenden, er krault unverdrossen weiter und kommt immer wohlbehalten ans Ziel. Auch was er inhaltlich erzählt, grenzt in seinem Gelingen oft an ein Wunder, nicht zuletzt der Umstand, daß Thelen allen Bemühungen der Hitlerschergen zum Trotz die rettende Flucht aus Mallorca gelingt.

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