Zweitausend Figuren
Frohmann aus
Drohobycz hielt ein aus Fichtenholz, Papiermaché und Goldfarbe gemachtes Modell
des Tempels Salomonis auf dem Schoß und erläuterte, wie er den Tempel nach den
Angaben der Bibel in siebenjähriger Arbeit erbaut habe. Man erkenne eine jede
Turmzacke, jeden Vorhang, jede Schwelle, jedes heilige Gerät. Und ich, sagte
Aurach, beugte mich über das Tempelchen, und wußte zum erstenmal in meinem
Leben, wie ein wahres Kunstwerk aussieht. Aurachs Tempel, der ihm zeigt,
wie ein wahres Meisterwerk der bildenden
Kunst aussieht, entspricht zweifellos Bergottes petit pan de mur jaune, dem
kleinen gelben Mauerfleck, den er auf Vermeers Ansicht von Delft
entdeckt haben will und der ihm zeigt, wie er seine Bücher hätte schreiben
sollen. Der Tempel ist geträumt, ob es einen Mauerfleck auf Vermeers Bild von
Delft überhaupt gibt, ist umstritten, das Geheimnis der Kunst bleibt uns, den
Amateuren, verborgen. Auch wenn Bergotte und Aurach versichern, das Geheimnis
erkannt zu haben, sie können oder wollen es uns nicht überantworten. Das Kunsterleben
ist auf die Künstler beschränkt, dem Leser würde sich aus dem Mauerfleck, wenn
er ihn denn auf Vermeers Gemälde entdecken könnte, Bergottes Prosaideal nicht
erschließen, aus dem Tempelmodell, wenn er es denn zu Gesicht bekäme, nicht
Aurachs künstlerisches Wunschbild.
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