Montag, 30. Dezember 2024

Die Mutter

Gott

Nach dem von ihm gewollten aber nicht tödlichen Unfall kehrt er zu seiner Mutter zurück, die alles nur Denkbare für ihn tut. Seine Resignieren gegenüber der Welt scheint überwunden, die Mutter atmet auf. Es scheint so, als hätte er sich wieder  gefunden. Die Mutter lebt von der Selbstverständlichkeit ihres christlichen Glaubens. Natürlich besucht sie jeden Sonntag die Kirche Gott erbarmt sich seiner, der ganzen Welt und auch der armen Pflanzen, besonders aber ihres Sohnes, auch wenn er trotz aller Anstrengung um die Mutter nicht gläubig sein kann. Sie spricht mit Gott und er antwortet ihr, Gott wird gnädig sein. Gott, so sieht die Mutter, ist immer da und immer besorgt und hilfsbereit um die Menschheit. Sie spricht mit Gott in ihren Gebeten, daß Gott nicht antwortet, berührt sie nicht, Zweifel tritt nicht auf. und er, der Sohn? Auf eine kriminelle Weise hat er seine Gesundheit zerstört. Er ist zwei und vierzig Jahre als, Gott mag noch so gnädig sein und der, der Sohn, noch so willig der Mutter danken, bei einem nur kurzen Aufenthalt in Warschau verläßt er das Leben aus.


Grazyna

Ein junges Mädchen

Es war ein Festtag, die Musik spielte. Pradera alias Stachura nimmt teil sowohl am Festtag als auch an der Musik, er ist entsprechend bewandert und spielt mit, das Saxophon ist sein Instrument, nach einiger Zeit läßt er es liegen und wendet sich den Tanzenden zu. Er tanzt mit Grazyna, einem jungen Mädchen, halb noch Kind und halb schon Frau. Sie tanzen einige Stücke, dann verneigt er sich und geht mit seiner Gitarre wieder zu den Musikanten. Nach einiger Zeit und einigen Stücken mit der Gitarre kehrt er zurück zu Grazyna. Sie ist betrübt, er tanze so wunderbar und sie tanze so schlecht. Er lacht und verneigt sich, sie tanze ganz wunderbar. Sie tanzen und tanzen. Schließlich verneigt er sich, hilft Grazyna in den Mantel und bringt sie zurück zu ihren Eltern. Sie erzählt es den Eltern uns ist entzückt, sie kann lange Zeit noch an nichts anderes denken.  

 

Samstag, 14. Dezember 2024

Anfang und Ende

Paplo

Kafkas mag, was die Absonderlichkeiten anbelangt, auf seine Art ähnlich eigentümlich wie Pavese sein oder vielleicht auch nicht, die Unterschiede sind jedenfalls groß. Kafkas Figuren haben vordringlich mit Beamten seltsamer Art zu tun, Parvese mit weiter nicht auffälligen Jugendlichen. Von Paveses einzigartiger Begeisterung zu den Hügeln weiß Kafka nichts, die Hügel aber noch schöne, die Pflanzen und die Bäume scheinen wichtiger und klüger zu sein als die Menschen, eine Überlegung, die Kafka ganz und gar fremd wäre. Mehr noch als die Bäume begeistern die kahlen Hügel, die aussehen wie Asche, quelle colline spleta che sembrano cenere, das ganze ist ein Tanz. Pavese erzählt nicht von den Kindern und nicht von den Alten, sein Personal muß um die zwanzig Jahre alt sein und kaum älter als vierzig, sie haben kein festes Einkommen und keinen festen Beruf. Die Weisheit der Alten, wenn es diese Weisheit denn gäbe, wird nicht wahrgenommen. Pavese ist dann auch in diesem frühzeitigen Alter aus dem Leben gegangen, wie im übrigen auch Kafka, der eine freiwillig, der andere unfreiwillig dank einer Krankheit. Der Tod ist aber längst nicht alles solange man lebt, der beschwerliche Umgang mit den Frauen einerseits und den Männern andererseits ist schwankend und anscheinend endlos für Paplo den Musikanten, wer glaubt, man habe bald die Gemeinsamkeit erreicht, täuscht sich. Nicht nur der Musikant leidet unter sich ausweitenden Faschismus.



Freitag, 13. Dezember 2024

Unerwartet

Im Wald

Beim Gang durch den Wald stößt man immer wieder auf unerwartete Dinge. Der Freund war schon einige Schritte voraus als er ein wenig beiseite, im Wald, einen unerwarteten Begleiter erblickt. Die beiden stoßen auf einen umfassenden Katalog sich streitender  Beamter, das Verständnis der beiden ist gering. Gleichwohl lesen sie die gesamte Lektüre von vorne bis hinten. Witek liest, beide wissen nicht, was damit anzufangen, Witek besteht aber darauf alles bis zu Ende vorzulesen. Was sie lesen ist überwiegend unverständlich. Sie sind ratlos. Szerucki, der eigenlich schon genug hat, hört zu. Sie legen die Lektüre nieder, beide wissen nicht, was damit anzufangen, Witek besteht aber darauf alles bis zu Ende vorzulesen. Was sie lesen ist ihnen überwiegend unverständlich, der Streit der Beamten undurchsichtig. Sie sind ratlos, was damit anzufangen. Sie entschließen sich, die Akten am ursprüglichen Ort abzulegen. Werden sie irgendwann wieder augefunden?


Mittwoch, 11. Dezember 2024

Im Wald

Einsamkeit


Was ist schöner als ein Wald ohne Menschen abgesehen von dir selbst. Man geht entlang des Weges, oben in den Eichen ein  Eichhörnchen, das dann schnell verschwunden ist, einige hundert Meter weiter ein Wolf, der ratlos aus dem Gestrüpp hervorschaut. Er schüttelt den Kopf und verzieht sich. Im weiteren Verlauf zeigen sich noch zwei Igel. Bei der Betrachtung der Tiere und der Bäume hat er unversehens den Weg verloren, er hat sich verirrt und den Weg aus der Sicht verloren. Ein wenig verunsichert setzt er sich auf einen Baumstumpf um die Lage zu überdenken, viel kommt dabei nicht heraus. Er denkt an etwas anders, an den Sorgen vorbei, dann fallen ihm die Heidelbeerpflanzen rings um ihn herum, die reichbehängten Heidelbeerpflanzen rundum locken ihn an, viele wurden verzehrt. Er ist guter laune, if I were a blackbird, I'd whistle and sing.


Dienstag, 10. Dezember 2024

Begegnung

Man trift sich

Er sah aus dem Fenster, müde, halb lag er da. An der Kirchenecke bog ein Bekannter ein, ein Kaufmann, ein alter Mann mit schütterem langen Bart. Er bemerkte mich, freute sich offenbar mich zu sehn und rief, ob ich nicht mitkommen wollte ... die Erlährung ist nicht vollendet, man weiß daher auch nicht, wie es weitergeht. Beide sind offenbar nicht vorbereitet auf das Treffen, jedenfalls möchte der Kaufmann, daß der Mann am Fenster ihn begleitet, der lehnt ab oder zögert zumindest noch. Es sind alte Bekannte, die sich aber nicht oft begegnen, man weiß nicht, enge Freunde oder keine engen Freunde. Ein Treffen war jedenfalls nicht erwartet, es sieht zunächst auch nicht so aus, als sei der Mann am Fenster sichtbar erfreut. War der Kaufmann noch aktiv als Kaufmann, oder war er bereits Rentner? Kommt es zu einigen notwendigen Erledigungen des Kaufmanns und daran anschließend zu einem gemeinsamen Spaziergang im Wald? Noch viel Möglichkeiten sind offen.



Der Tod

und das Leben

Graccus, ursprünglich ein Jäger aus dem Schwarzwald, findet seinen Tod nicht in der angemessener Zeit, bei genauer Betrachtung vielmehr erst nach fünfzehnhundert Jahren, sein Totenkahn, der ihn führen sollte, verfehlt wegen einer falschen Drehung des Steuers das vorgesehene Ende der Fahrt. Er findet nicht das Ziel, seither, nach vielen hundert Jahren schon, ist Graccus wie verloren, er lebt aber als Toter noch tausend Jahre weiter, schließlich aber findet er die ersehnte Zufahrt die ewige Ruhe. Ein anderer findet Leben und Tod korrekt zur rechten Zeit, er hat viele Geschichten erzählt, zuletzt La luna e i falo, daneben andere wie Il compagno oder La bella estate. Die besagte Erzählung aber vom Mond und vom Feuer ist die Krönung seiner literarischen Kunst und seines Lebens. Die Freunde und Leser sind entzückt, er selbst lehnt sich zurück, seine strapazierenden Erzählungen quer durch Italien sind abgeschlossen. Er genießt fortan die Stille seines Daseins, bald schon trinkt er ein tödliches Wasser, der Tod ist ihm lieber als  das Leben.



 

 


 


Sonntag, 8. Dezember 2024

Zu Haus

Allein

Man muß nicht aus dem Haus gehen, man bleibt bei seinem Tisch und horcht, horcht und wartet. man horcht nicht einmal, wartet nur. Man wartet nicht einmal, man ist völlig still und allein. Gegen Mittag verläßt man das Haus, man braucht die freie Luft. Menschen gehen wie gesagt vorbei, auch ein Mädchen geht vorbei, ein sehr schönes Mädchen. Menschen gehen vorbei, nicht in großer Zahl, vor allem, gottseidank, nicht das immer wachsende Ferienvolk, das längst über das ursprüngliche Maß hnausgegangen war, für einen Augenblick hatte es sich jetzt verzogen. Er kehrt ein, ißt ein wenig, trinkt ein wenig. Was will er noch länger, erfrischt macht er sich auf den Rückweg und ist für den Rest des Tages wieder in seinem Haus.


Donnerstag, 5. Dezember 2024

Mailand

Kurzaufenthalt


Es konnte sich um nichts und niemand handeln als nur um lauter Mailänder und Mailänderinnen. Den Bus mußte er verlassen wegen Unstimmigkeiten mit den anderen Passagieren, das Aussteigen aus dem Bus war ein schlechter Augenblick, für die anderen schien er es auch zu sein, war es aber nicht. Er gelangt zu Luciana, die ihn die während der nächsten zwei Tage verwöhnt. Die folgende Station ist die Fahrt zum Konsulat, es gilt, einen neuen Paß zu besorgen. Die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, ihr gegenüber ein Mädchen, nicht minder versenkt in seine Lektüre, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide. Im Konsulat erwartete ihn eine Artistenfamilie, zwei Mädchen, das eine mit einem Windrädchen, die andere mit einem Teleskop, die Nonna in einem Seidenkleid, beschäftigt mit einer Häkelarbeit, das Oberhaupt der Truppe trug einem weitkrempigen Strohhut. Der neue Paß, um den es ging, wurde ihm, dem einsamen Reisenden, im Konsulat umgehend ausgehändigt. Als er heraustritt aus dem Konsulat, erwartet ihn ein sehr windiges Wetter und Menschen, lauter Mailänder und Mailänderinnen, die quer über das Pflaster hasten,. Seines Bleibens ist hier nicht, am Abend ist er bereits unterwegs nach Verona.






Mittwoch, 4. Dezember 2024

Weltwunder

Einst und Heute

Die Überlieferung der sieben Weltwunder war immer von dem Gerücht umgeben, daß noch ein achtes Weltwunder bestanden habe und es wurden auch über dieses achte Wunder verschiedenen Mitteilungen gemacht. Die Pyramiden von Gizeh, die Zeus Statue des Phidias, der Artemis-Tempel und so weiter nicht alle sollen hier genannt werden ganz abgesehen von dem vermuteten achten Wunder, von dem man aber nicht wußte, ob er tatsächlich existiert. Heutzu Tage sind die Weltwunder nicht mehr in aller Augen und erstaunen nur wenige, allenfalls das Ferienvolk wäre erstaunt, wenn es denn erstaunt sein könnte. Die in den Hintergrund geratenen ehemaligen Weltwunder sind jetzt Gegenstand einer unauffälligen Wissenschaft. Die Weltwunder beruhen nun auf anderen Gesichtspunkten, zu nennen wären neben vielem anderen die Raumfahrt oder die Künstliche Intelligenz. Wie wird es weitergehen, was sagt der sogenannte liebe Gott?


Dienstag, 3. Dezember 2024

Brücken

Vorzüge

Er kam mit der Eisenbahn von weit her, von wo weiß man nicht. Er bevorzugt Städte mit Fließgewässern und Brücken, es könnte zum Beispiel Augsburg sein, letztlich vorgezogen aber sind Städte aus Polen, offenbar seine Heimat. Nicht die Stadt und nicht die Bewohner interessieren ihn sonderlich und auch nicht die Häuser und Kirchen, und seien sie auch noch so schön, sondern das Wasser und die Brücken über das Wasser und das immer wieder. Er geht schließlich weiter, in anderer Richtung aber, ohne die Lust zu verlieren, mit einem ähnlichen Ziel, einer anderen Brücke. Man lehnt sich an das Geländer einer Brücke und dann wieder an das Geländer einer anderen Brücke und dann wieder einer dritten Brücke und so weiter. Schließlich hält man inne und raucht eine Zigarette. Vor jeder Brücke senkt man den Kopf und schaut herab. Schließlich hält man inne und raucht eine Zigarette, nicht die einzige, nicht die letzte des Tages. Schließlich hält man inne und raucht wieder eine Zigarette, nicht die einzige, nicht die letzte. Es ist aber kalt, przekleta zima, dobre lato, verfluchte Kälte, herrlicher Sommer, nur schwer kann man sich befreien, aber schließlich muß es weitergehen.



Montag, 2. Dezember 2024

Vater und Sohn

Eigentlich unerlaubt

Sein Vater war nicht der, den er sich erwünscht hatte, auch im ausgewachsenen Zustand des Jungen blieb das Verhältnis zwischen Vater und Sohn vorsichtig gesagt zurückhaltend. Während bei ihm die Einzelheiten versteckt blieben, erzählt Kafka im Umfang von mehr als fünfzig Seiten so gut wie alles über seinen Vater und sich selbst. Noch während seines Sterbens forderte Kafka von Max Brod alle Texte zu vernichten, sofern sie nicht bereits veröffentlicht waren. Brod ist dem nicht nachgekommen. Fragwürdig war ins besonders die Veröffentlichung des Brief an den Vater, den Kafka allein und nur für sich schreiben wollte, Brod hat auch das mißachtet. Inzwischen muß man sagen: längst zu seinem und unserem Vorteil. Der Brief an den Vater, war nicht für ein Publikum gedacht, sondern allein für Kafka, den Autor selbst, tatsächlich aber ergab sich nach Veröffentlichung des Briefes ein immer noch endloses Staunen des Publikums. Der Brief an den Vater ist besonders umfänglich. Zunächst geht es allein um den Vater, dann aber auch um den Sohn. Der Vater sieht sich als Chef und Anführer, der Sohn, Kafka also, sieht sich zu Recht, wie er meint, als Niete. Zu seiner eigenen Überraschung war er es, dem niemand in seinen Leistungen gleich kommen konnte, das Lernen fiel ihm in den Schoß. Der Vater schweigt im Hintergrund.



Sonntag, 1. Dezember 2024

Überrollt

Pokatulkalo go i kaput

Er ist oft mit der Eisenbahn gefahren, nach Wien, Venedig und sonstwo, ein Unglück mußte er nicht erleiden. Anders ist es  Zbigniew Cybulski, dem sogenannten polnischen James Dean, ergangen. Er war es gewohnt im letzten Augenblick herbeizulaufen und auf den bereits angelaufenen Zug zu springen, dies Mal war es das letzte Mal. Es hatte sich bald schon rumgesprochen, pokatulkalo go i kaput, es hat ihn erwischt und fertig, hieß es unter anderem. Es war in der Frühe, wissen einige, im Sprung auf den letzten Waggon gelangt, aber an der vorderen Tür. Er wollte sterben und er starb, sagte einer, to jest los, das ist das Schicksal. Soweit, wenn auch nicht so gut. Pradera raucht seine Zigaretten und nimmt an den Überlegungen der anderen nicht teil. Wieso, fragt er sich, kann der Verlauf der Zeit nicht für einen Augenblick innehalten und umgedreht werden, die Abfahrt des Zuges nicht wiederholt werden? Man stellt sich vor, Cybulski kommt im letzten Augenblick herbeigesprungen, Pradera stellt sich ihm entgegen, der Zug fährt davon, Cybulski ist außer Gefahr. Oder: Pradera sitzt schon hinten im Zug und hilft Cybulski beim  Einsteigen, er ist außer Gefahr. Sein Vorhaben, so oder so, läßt sich aber gegen alle Vernunft nicht verwirklichen.