Die Schwindel.Gefühle bestehen aus vier Erzählungen und bilden doch wieder, wie schon Nach der Natur, ein Tryptichon. Wieder geht es um zwei historische Gestalten, diesmal aus der Literaturgeschichte, Stendhal und Kafka, und um Selysses, den sebaldnahen Erzähler. Die Erzählung des Selysses ist zweigeteilt in einen transalpinen Aufbruch nach Venedig, Verona, Desenzano, Riva, Mailand, und eine cisalpine Rückkehr nach Wertach, so kommt man von drei auf vier. Selysses hat sich resolut in den Vordergrund bewegt, in Nach der Natur hatte er sich noch mit einem Drittel der Seiten begnügt, in den Schwindel.Gefühlen sind ihm mehr als zwei Drittel des Erzählraums gewidmet. Beim ersten Lesen wird man an vier mehr oder weniger separate Erzählungen glauben und doch das Gefühl einer beunruhigenden Verbundenheit nicht abstreifen können. Der Jäger Gracchus, Kafkas Geschöpf, taucht immer wieder unerwartet auf, bereits Stendhal begegnet ihm, obwohl es ihn zu der Zeit noch gar nicht gab, und in Wertach gibt Gracchus sich als der Jäger Hans Schlag aus. Um die Jahre 1813, 1913 und 2013 bilden sich diverse, vermutlich nicht ungefährliche Strudel. Die Schwindel.Gefühle sind Sebalds persönlichstes Buch, viel italienisches Licht fällt auf die Seiten, und wenn sich auch auf keine Weise der Nachweis führen läßt, es sei das schönste Buch des Autors, so spricht auch nichts dagegen, das wir es besonders lieben. Die unerhellbare Rätselhaftigkeit der Liebe, bei der schon die leichte Krümmung des Ringfingers Emotionen von einer Heftigkeit verursacht, wie man sie bislang noch nicht erfahren hatte, davon handelt das Buch, nach Sebalds eigener Einschätzung, letztendlich.
Und auf allem ruht der Blick des Selysses.
Und auf allem ruht der Blick des Selysses.
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