Samstag, 14. März 2015

Quatorze Juillet

Tag und Nacht

A mon retour, vers minuit, quelques groupes, parmi lesquels je remarquais des enfants, se dirigeaient vers l'entrée du zoo. Il restait ouvert, à l'occasion du 14 juillet, et sans doute les animaux demeureraient dans leurs cages et leurs enclos, à moitié endormis. Pourquoi ne pas faire, moi aussi, cette visite nocturne et avoir ainsi l'illusion de réaliser le rêve qui était le nôtre autrefois: nous laisser enfermer la nuit dans le zoo. Modianos Erzähler schließt sich der Gruppe der nächtlichen Zoobesucher dann doch nicht an, Selysses dagegen sucht nach seiner Ankunft in Antwerpen ohne Verzug den Nachtzoo, das Nocturama auf. Als der Nachmittag sich schon neigte, schaute ich hinein in das erst vor einigen Monaten neu eröffnete Nocturama. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Augen sich an das künstliche Halbdunkel gewöhnt hatten und ich die verschiedenen Tiere erkennen konnte, die hinter der Verglasung ihr von einem fahlen Mond beschienenes Dämmerleben führten. Ein Nachtzoo ist kein Zoo bei Nacht, tagsüber bietet er bei künstlichem Dämmerlicht Gelegenheit, das Leben nachtaktiver Tiere zu beobachten, die nachts vermutlich bei grellem Neonlicht dann ihre Ruhe finden. Im Nocturama ist die Ordnung der Zeit umgestülpt, der Tag ist zur Nacht und die Nacht zum Tag gemacht. Der Waschbär mag sich täuschen, wenn er annimmt, das über jede vernünftige Gründlichkeit hinausgehende Waschen könne ihm von Nutzen sein, das Gefühl, ohne sein eigenes Zutun in eine falsche Welt geraten zu sein, täuscht ihn nicht.
Gli animali, im Zoo und in freier Wildbahn, hanno continuato a essere fedelmente ciò che erano, soltanto l'uomo osava espandere il repertorio dei suoi gesti, das betrifft nicht zuletzt den Eingriff in die Beleuchtungsverhältnisse, ein der Tierwelt ganz und gar verschlossener Bereich. Um 1870, als allerorten an Projekten zu einer totalen Illumination unserer Städte gearbeitet wurde, sollen zwei englische Wissenschaftler das absonderliche Phänomen der von den toten Heringen ausgeschwitzten luminösen Substanz untersucht haben in der Hoffnung, die Formel einer organischen, sich fortwährend von selber regenerierenden Lichtessenz ableiten zu können. Das Scheitern dieses exzentrischen Plans war, wie letztlich in einer Monographie über die Geschichte des künstlichen Lichts zu lesen war, ein kaum nennenswerter Rückschlag in der sonst unaufhaltsamen Verdrängung der Finsternis, das Nocturama eine seltsame Perversion, eine winzige Gegenströmung im Fluß der Geschichte. Am Quatorze Juillet ist, mehr noch als sonst, die Nacht zum Tag gemacht, auch der Zoo wird, schon aus Gründen der Sicherheit, heller beleuchtet sein als sonst üblich. Der Erzähler tut also gut daran, sich den Besuchergruppen nicht anzuschließen, sein Kindheitstraum, das wahre, geheime Leben der Tiere zu teilen, hätte sich nicht erfüllt.
Vertreibung der Finsternis, Aufklärung mit den Mitteln der Technik, naturgemäß stößt dieses Vorhaben bei Sebald auf geringen Widerhall. Wenn über dem menschenleeren und unbeleuchteten Manchester die Nacht sich herabsenkte, dann begannen an verschiedenen Stellen Feuerchen zu flackern, um die als unstete Schattenfiguren Kinder herumstanden und -sprangen, Kinder oder zwergwüchsige Menschen des Neolithikums, das läßt sich nicht unterscheiden. Auf der Nachfahrt glimmt im Abteil wohl nur, ähnlich wie im Nocturama, eine fahle Notbeleuchtung und das Morgengrauen dann bringt hinter den Fenstern verschobenes Erdreich, Felsbrocken, in sich zusammengesunkenes Bauwerk, Schutt- und Schotterhalden an den Tag. Modianos frühe Bücher über die Okkupationszeit sind in ein moralisches Zwielicht getaucht, das sich auch später nie endgültig aufhellt. In einem der Bücher identifiziert sich der Erzähler mit dem Observateur Nocturne des Nicolas-Edme Restif De La Bretonne aus der Zeit, als das Dunkel der Nacht noch nicht aus Paris vertrieben war. Endlose Gänge führen den Erzähler unterschiedslos bei Tag und bei Nacht durch die große Stadt, auch zu den abgelegensten Stunden sind hinter den beleuchteten Scheiben eines Cafés Menschen zu sehen, wie in einem Zoo.

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