Ausgewanderte und Unbekannte
Umfangen von einem ihm unbegreiflichen Gefühl der Unverbundenheit, habe er sich zu Beginn seines Aufenthalts in Manchester sehr leicht aus dem Leben entfernen können. Als wir Selysses, chronologisch gesehen, das nächste Mal wiedertreffen, frisch verheiratet und auf Wohnungssuche in Hingham, ist der Zustand allem Anschein nach überwunden, in den Schwindel.Gefühlen ist er wieder zurück. Im weiteren Verlauf der Ausgewanderten sowie auch in Austerlitz sind die Schwindelgefühle durch die Teilnehme am Schicksal Anderer abgeklungen.
Für Modianos Helden ist das Gefühl der Unverbundenheit ein Dauerzustand. Die namenlose Heldin der zweiten längeren Erzählung in den Inconnues trägt, während sie noch die Schule besucht, ein Röhrchen mit Barbituraten bei sich, die es ihr erlauben würden, jederzeit aus dem Leben sich zu entfernen. Bald schon ersetzt sie die Schlaftabletten durch ein ständiges Gefühl des être ailleurs, das sie gewissermaßen unangreifbar macht. Der Protagonist des Accident nocturne verleiht dem Gefühl der Unverbundenheit eine positive Färbung: La lecture des Merveilles célestes m'avait vraiment remonté le moral. Désormais, je considérais les choses de très haut. Einen Gesinnungsgenossen findet er in dem venezianischen Astronom Malachio, der alles aus der größten Entfernung sieht, nicht nur die Sterne.
Bei Sebald ist das Verhältnis zwischen Autor und Erzähler, der Abstand zwischen den beiden, ohne daß er sich genauer bestimmen ließe, weitgehend konstant, bei Modiano ist er großen Schwankungen unterworfen. Den Icherzähler von Un pedigree, Livret de famille oder auch Dora Bruder kann weitgehend dem Autor gleichgestellt werden, der Icherzähler von La Place de l'Étoile hat mit ihm keine unmittelbare Ähnlichkeit. Die bevorzugte Inkarnation des Erzählers ist die eines jungen Mannes kurz vor Erreichen der Volljährigkeit, so wie sie in den sechziger Jahren festgesetzt war, der ein in etwa gleichaltriges Mädchen trifft, das sich mit Spieler, Gaunern und Schiebern oder auch mit Revolutionären eingelassen hat. Der junge Mann betritt im Gefühl der Unverbundenheit die Szene, unberührbar wie Parzival, unbedarft und von eigenartiger Unschuld, begeht seinerseits, wenn es das Mädchen erwartet, Straftaten, stielt, fälscht, haust in Wohnungen, deren Besitzer gerade verreist sind, wäre auch zu einem Mord bereit, rien ne semble le choquer, alles perlt ab an seinem weißen Kleid. Die Dezenz in der Behandlung der choses de l'amour übertrifft noch die der Erzählungen von den Rittern der Tafelrunde. Verschiedentlich wird die hünenhafte, durchaus der des Dichters entsprechende Gestalt des Helden erwähnt. Das Mädchen steht unter seinem Schutz, weniger in der entworfenen Realität als in der Versicherung der Sätze, solange sie dauern. In La Petite Bijou hat sich die Perspektive verschoben, die junge Frau ist die Icherzählerin, der junge Mann hilft ihr so gut er kann aus dem Hintergrund, vordringlich ist er damit beschäftigt Radiosendungen in zwanzig verschiedenen Sprachen zu verfolgen und zu übersetzen.
Die Ausgewanderten haben den Untertitel Vier lange Erzählungen, Des inconnues könnte den Untertitel Drei lange Erzählungen haben. Drei Frauen erzählen Begebenheiten aus der Zeit ihres Erwachsenwerdens, erzählen voller Hast, es bleibt ihnen nicht die Zeit, auch nur ihren Namen zu erwähnen. Sie sind allein, ihr Leben ist eine offene Wunde, Parzival wird schmerzlich vermißt. Sie erzählen aus einer inzwischen Gegenwart gewordenen Zukunft, im Grunde aber sind sie verstummt. Die Erzählerin der ersten Geschichte sieht für sich kein weiteres Leben: Des filles que l'on a repêchées dans les eaux de la Seine, on dit souvent qu'elles étaient inconnues ou non identifiées. Moi, j'espère bien le rester pour toujours. Die Zweite müßte von Rechts wegen aus einer Gefängniszelle sprechen: Pour le tir, je devais avoir le même don que mon père puisque j'ai tué Monsieur du premier coup. Die Dritte, eine Midinette, wie sie sich selbst sieht, ist an eine seltsame Sekte geraten und hat ihr Leben an sie abgetreten.
Sebald scheint von einer weiblichen Erzählstimme weit entfernt, aber auch Modiano hatte für den Stimmwechsel mehr als die vier Bücher benötigt, die Sebald vergönnt waren. Immerhin, ließe sich anführen, erfahren wir das Entscheidende über Paul Bereyter aus dem Munde der Mme Landau. In Austerlitz ist der Part des Icherzählers, verglichen mit den Ausgewanderten, stark geschrumpft, überwiegend spricht Austerlitz selbst. Man würde sich wünschen, zusätzlich die Stimme Marie de Verneuils zu hören. Die Zeit war reif, für Parzival war es ohnehin schon zu spät.
Für Modianos Helden ist das Gefühl der Unverbundenheit ein Dauerzustand. Die namenlose Heldin der zweiten längeren Erzählung in den Inconnues trägt, während sie noch die Schule besucht, ein Röhrchen mit Barbituraten bei sich, die es ihr erlauben würden, jederzeit aus dem Leben sich zu entfernen. Bald schon ersetzt sie die Schlaftabletten durch ein ständiges Gefühl des être ailleurs, das sie gewissermaßen unangreifbar macht. Der Protagonist des Accident nocturne verleiht dem Gefühl der Unverbundenheit eine positive Färbung: La lecture des Merveilles célestes m'avait vraiment remonté le moral. Désormais, je considérais les choses de très haut. Einen Gesinnungsgenossen findet er in dem venezianischen Astronom Malachio, der alles aus der größten Entfernung sieht, nicht nur die Sterne.
Bei Sebald ist das Verhältnis zwischen Autor und Erzähler, der Abstand zwischen den beiden, ohne daß er sich genauer bestimmen ließe, weitgehend konstant, bei Modiano ist er großen Schwankungen unterworfen. Den Icherzähler von Un pedigree, Livret de famille oder auch Dora Bruder kann weitgehend dem Autor gleichgestellt werden, der Icherzähler von La Place de l'Étoile hat mit ihm keine unmittelbare Ähnlichkeit. Die bevorzugte Inkarnation des Erzählers ist die eines jungen Mannes kurz vor Erreichen der Volljährigkeit, so wie sie in den sechziger Jahren festgesetzt war, der ein in etwa gleichaltriges Mädchen trifft, das sich mit Spieler, Gaunern und Schiebern oder auch mit Revolutionären eingelassen hat. Der junge Mann betritt im Gefühl der Unverbundenheit die Szene, unberührbar wie Parzival, unbedarft und von eigenartiger Unschuld, begeht seinerseits, wenn es das Mädchen erwartet, Straftaten, stielt, fälscht, haust in Wohnungen, deren Besitzer gerade verreist sind, wäre auch zu einem Mord bereit, rien ne semble le choquer, alles perlt ab an seinem weißen Kleid. Die Dezenz in der Behandlung der choses de l'amour übertrifft noch die der Erzählungen von den Rittern der Tafelrunde. Verschiedentlich wird die hünenhafte, durchaus der des Dichters entsprechende Gestalt des Helden erwähnt. Das Mädchen steht unter seinem Schutz, weniger in der entworfenen Realität als in der Versicherung der Sätze, solange sie dauern. In La Petite Bijou hat sich die Perspektive verschoben, die junge Frau ist die Icherzählerin, der junge Mann hilft ihr so gut er kann aus dem Hintergrund, vordringlich ist er damit beschäftigt Radiosendungen in zwanzig verschiedenen Sprachen zu verfolgen und zu übersetzen.
Die Ausgewanderten haben den Untertitel Vier lange Erzählungen, Des inconnues könnte den Untertitel Drei lange Erzählungen haben. Drei Frauen erzählen Begebenheiten aus der Zeit ihres Erwachsenwerdens, erzählen voller Hast, es bleibt ihnen nicht die Zeit, auch nur ihren Namen zu erwähnen. Sie sind allein, ihr Leben ist eine offene Wunde, Parzival wird schmerzlich vermißt. Sie erzählen aus einer inzwischen Gegenwart gewordenen Zukunft, im Grunde aber sind sie verstummt. Die Erzählerin der ersten Geschichte sieht für sich kein weiteres Leben: Des filles que l'on a repêchées dans les eaux de la Seine, on dit souvent qu'elles étaient inconnues ou non identifiées. Moi, j'espère bien le rester pour toujours. Die Zweite müßte von Rechts wegen aus einer Gefängniszelle sprechen: Pour le tir, je devais avoir le même don que mon père puisque j'ai tué Monsieur du premier coup. Die Dritte, eine Midinette, wie sie sich selbst sieht, ist an eine seltsame Sekte geraten und hat ihr Leben an sie abgetreten.
Sebald scheint von einer weiblichen Erzählstimme weit entfernt, aber auch Modiano hatte für den Stimmwechsel mehr als die vier Bücher benötigt, die Sebald vergönnt waren. Immerhin, ließe sich anführen, erfahren wir das Entscheidende über Paul Bereyter aus dem Munde der Mme Landau. In Austerlitz ist der Part des Icherzählers, verglichen mit den Ausgewanderten, stark geschrumpft, überwiegend spricht Austerlitz selbst. Man würde sich wünschen, zusätzlich die Stimme Marie de Verneuils zu hören. Die Zeit war reif, für Parzival war es ohnehin schon zu spät.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen