Emissär
Nimmt man das Alter als Richtschnur, so besteht Sebalds Personal überwiegend aus potentiellen Eltern und Großeltern ohne Kinder und Enkel. Es könnte scheinen, als hätten sich die verlorenen Kinder in Manchester versammelt. Wenn die Nacht sich herabsenkte, begannen an verschiedenen Stellen Feuerchen zu flackern, um die als unstete Schattenfiguren Kinder herumstanden und -sprangen. Überhaupt begegnete man auf dem kahlen Gelände immer wieder nur Kindern, die in kleinen Gruppen, scharenweise oder auch für sich allein dort herumzogen, als hätten sie nirgendwo sonst eine Wohnung. Der weiße Nebel hatte bereits begonnen, aus dem Boden zu steigen, als ich in der Ödnis von Angel Fields auf einen kleinen Knaben gestoßen bin, der in einem Wägelchen eine aus ausgestopften alten Sachen gemachte Gestalt bei sich hatte und der mich, also wohl den einzigen Menschen, der damals in dieser Umgegend unterwegs gewesen ist, um einen Penny bat für seinen stummen Gesellen.
Kann Selysses überhaupt sicher erkennen, was er da sieht? Die mutmaßlichen Kinder haben unverkennbar Ähnlichkeit mit den immer kleinwüchsigen Toten, die herumziehen in Banden und kleinen Gruppen. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie normale Leute, aber sowie man genauer hinschaut, verwischen sich ihre Gesichter oder flackern, gerade wie die Gesichter der Schauspieler in einem alten Film. In bunten Uniformröcken oder in graue Umhänge gehüllt hat man sie gesehen, wie sie zwischen den Feldmauern, die sie nur knapp überragten, mit leisem Rühren der Trommel hinaufmarschierten in die Hügel über dem Ort.
Der Dichter weiß, was er sieht, die herumstreifenden Toten kennt er ohnehin nicht aus eigener Erfahrung, sondern nur aus den Erzählungen von Fachleuten in Wales und auf Korsika. Nicht um die Alternative geht es, sondern um die schattenhafte Ähnlichkeit der Kinder und der Toten. Nicht nur der stumme Geselle ist stumm, alles geht offenbar lautlos vonstatten, wie es sich für Schatten gebührt. Kinder sind unsere Zukunft, der Werbespruch ist um jede optimistische Notation gebracht, ecce futurum, so wird es sein. Was will uns der Dichter sagen? - naturgemäß nichts. Man kann einen realen Erlebniskern vermuten, der dann Farbe und Gestalt der Prosaumgebung angenommen hat.
Vieleicht sind die um ein Feuer versammelten Kinder das Kernerlebnis, vielleicht ist es der Knabe mit dem Wägelchen und dem stummen Gesellen darin, vielleicht sind es beide. Die Schattenfiguren sind nur aus der Ferne zu betrachten, Annäherung scheint weder möglich noch erlaubt. Ist es voreilig und verwegen, in dem Knaben mit dem Wägelchen einen Emissär zu sehen? Womöglich will er mit der aus alten Sachen gemachten Gestalt etwas sagen, aber was? Gilt es, eine Bedeutung der ausgestopften Figur zu entschlüsseln? Man stellt sich nicht vor, daß zwischen dem Knaben und dem Erzähler Worte gewechselt werden, vielleicht hat der Knabe die Hand ausgestreckt, und die Annahme, er hätte um einen Penny gebeten, könnte ein Mißverständnis sein.
Nimmt man das Alter als Richtschnur, so besteht Sebalds Personal überwiegend aus potentiellen Eltern und Großeltern ohne Kinder und Enkel. Es könnte scheinen, als hätten sich die verlorenen Kinder in Manchester versammelt. Wenn die Nacht sich herabsenkte, begannen an verschiedenen Stellen Feuerchen zu flackern, um die als unstete Schattenfiguren Kinder herumstanden und -sprangen. Überhaupt begegnete man auf dem kahlen Gelände immer wieder nur Kindern, die in kleinen Gruppen, scharenweise oder auch für sich allein dort herumzogen, als hätten sie nirgendwo sonst eine Wohnung. Der weiße Nebel hatte bereits begonnen, aus dem Boden zu steigen, als ich in der Ödnis von Angel Fields auf einen kleinen Knaben gestoßen bin, der in einem Wägelchen eine aus ausgestopften alten Sachen gemachte Gestalt bei sich hatte und der mich, also wohl den einzigen Menschen, der damals in dieser Umgegend unterwegs gewesen ist, um einen Penny bat für seinen stummen Gesellen.
Kann Selysses überhaupt sicher erkennen, was er da sieht? Die mutmaßlichen Kinder haben unverkennbar Ähnlichkeit mit den immer kleinwüchsigen Toten, die herumziehen in Banden und kleinen Gruppen. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie normale Leute, aber sowie man genauer hinschaut, verwischen sich ihre Gesichter oder flackern, gerade wie die Gesichter der Schauspieler in einem alten Film. In bunten Uniformröcken oder in graue Umhänge gehüllt hat man sie gesehen, wie sie zwischen den Feldmauern, die sie nur knapp überragten, mit leisem Rühren der Trommel hinaufmarschierten in die Hügel über dem Ort.
Der Dichter weiß, was er sieht, die herumstreifenden Toten kennt er ohnehin nicht aus eigener Erfahrung, sondern nur aus den Erzählungen von Fachleuten in Wales und auf Korsika. Nicht um die Alternative geht es, sondern um die schattenhafte Ähnlichkeit der Kinder und der Toten. Nicht nur der stumme Geselle ist stumm, alles geht offenbar lautlos vonstatten, wie es sich für Schatten gebührt. Kinder sind unsere Zukunft, der Werbespruch ist um jede optimistische Notation gebracht, ecce futurum, so wird es sein. Was will uns der Dichter sagen? - naturgemäß nichts. Man kann einen realen Erlebniskern vermuten, der dann Farbe und Gestalt der Prosaumgebung angenommen hat.
Vieleicht sind die um ein Feuer versammelten Kinder das Kernerlebnis, vielleicht ist es der Knabe mit dem Wägelchen und dem stummen Gesellen darin, vielleicht sind es beide. Die Schattenfiguren sind nur aus der Ferne zu betrachten, Annäherung scheint weder möglich noch erlaubt. Ist es voreilig und verwegen, in dem Knaben mit dem Wägelchen einen Emissär zu sehen? Womöglich will er mit der aus alten Sachen gemachten Gestalt etwas sagen, aber was? Gilt es, eine Bedeutung der ausgestopften Figur zu entschlüsseln? Man stellt sich nicht vor, daß zwischen dem Knaben und dem Erzähler Worte gewechselt werden, vielleicht hat der Knabe die Hand ausgestreckt, und die Annahme, er hätte um einen Penny gebeten, könnte ein Mißverständnis sein.
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