Freitag, 1. Januar 2021

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Notausgang

Die Bauern und Holzknechte saßen immer gruppenweise in der Gaststätte, für sich allein saß, von allen unbeachtet, der Jäger Hans Schlag, der ursprünglich, wie vor Zeiten auch der Jäger Gracchus,  jahrelang ein großes Revier im Schwarzwald versehen hatte. Es schien, als habe die Dunkelheit des Waldes auf den Jäger Schlag abgefärbt, dunkel ist das Haupt und Barthaar, die Augen tiefliegend und überschattet. Stundenlang, bis tief in die Nacht hinein saß er vor seinem Glas. Meist war sein Blick auf die auffallend kostbare Taschenuhr gesenkt, die er vor sich liegen hatte, als dürfe er einen wichtigen Termin nicht versäumen, als würde etwas unwiderruflich zu Ende gehen. Einen ähnlichen Eindruck hatte man bei dem alten halbblinden Mann im Café des Sports in Evisa, der nur immer unverwandt nach oben blickte und dabei gleichmäßig mit dem Daumen und dem Zeigefinger seiner rechten Hand den sechskantigen Stiel seines Glases Ruck für Ruck weiter drehte, so gleichmäßig, als habe er in seiner Brust statt eines Herzens das Räderwerk einer Uhr. Auf welches Ende wartet er? Was den Jägers Gracchus anbelangt, vermutet der Dichter, der Sinn seiner unablässigen Fahrten bestünde in der Abbuße einer Sehnsucht nach Liebe, eine nicht ganz leicht zu verstehende Einschätzung. Wie auch immer, der Jäger Schlag zeigt sich auf dem Feld der Liebe um einiges robuster. Kaum hat er die Gastwirtschaft verlassen, treffen wir ihn im nahegelegenen Holzschopf. Er stand dort, mit einer Hand an dem inneren Lattenverschlag des Schopfs sich einhaltend, in der Haltung eines gegen den Wind gehenden Menschen im Dunkeln, seinen ganzen Körper aber durchlief eine seltsame, fortwährend sich wiederholende Bewegung. Ein schweres Stöhnen und Schnaufen drang aus der Brust des Jägers und einmal um das andere schob er, wenn die Welle ihm das Kreuz eindrückte, in die Romana hinein. In derselben Nacht zerstörte der einbeinige Engelwirt Sallaba die gesamte Einrichtung der Gaststube. War diese Abfolge der Ereignisse Zufall oder bedeutsam? Hatte auch der Sallaba auf die Romana gesetzt, oder war es ein anderer, davon unberührter Anlaß, der ihn zum Berserker machte? Nur ein Zeuge, ein Kind zudem, hatte den Vorfall im Schopf beobachtet und nicht davon weitererzählt, andererseits: Fahnder glauben nicht gern an den Zufall, aber sie behalten nicht immer recht. Dann, nur wenig später, findet der Jäger selbst den Tod. Außerhalb seines Reviers, auf der Tiroler Seite, hatte man ihn auf dem Grund eines Tobels aufgefunden. Wieder  fragt man sich: Hatte Sallaba seine Hand im Spiel? Die amtliche Untersuchung wird bald eingestellt, man ist nicht besonders interessiert und geht von einem Unglücksfall aus. Das einzig bemerkenswerte Ergebnis der Obduktion ist eine auf dem linken Oberarm des Toten eintätowierte kleine Barke. Muß man im Jäger Schlag eine Mutation, eine zweite Erscheinung des Jägers Gracchus sehen? Hat Gracchus einen Weg gefunden, sich zu befreien vom Lebenszwang und den unablässigen und sinnlosen Fahrten, hat er auf wohlbedachten Umwegen zu seinem Tod im Tobel gefunden? Niemand weint ihm eine Träne nach, am wenigsten er selbst, er hat sein Ziel durch den Notausgang erreicht.

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