Verurteilt
Die denkbar engste Verbindung zwischen einem Bildnis und seinem Betrachter entwirft wohl The Picture of Dorian Gray, eine Vorbildwirkung auf die Schwindel.Gefühle ist nicht anzunehmen, obwohl auch hier die Betrachtung von Bildwerken prägend ist. Das Sichversenken in die Kunstwerke, in die Bilder Giottos und Pisanellos vor allem, ist naturgemäß nicht obsessiv ichbezogen wie bei Gray, aber auch nicht formal kunsttheoretisch, Fläche und Linie, Farbgebung und Farbauftrag, Proportionen, das spielt eine geringe Rolle. Fachliche Überlegungen fehlen aber nicht völlig, nicht allein die für die damalige Zeit hoch entwickelte Realismuskunst Pisanellos ziehe ihn an, so Selysses, sondern die Art, wie es ihm gelingt, diese Kunst in einer mit der realistischen Malweise eigentlich unvereinbaren Fläche aufgehen zu lassen. Bei Giotto erscheinen ihm die wenigen hellgrünen Spuren der Veroneser Erde als das weitaus Wunderbarste, was wir uns jemals haben ausdenken können; wer auf Reproduktionen angewiesen ist, kann die hellgrünen Flecken so schwer entdecken wie Prousts kleinen gelben Mauerfleck auf dem Gemälde Vermeers, von dem nicht wenige behaupten, es gebe ihn gar nicht. Letztlich geht es darum, die künstlerische Größe der Werke an bestimmten Einzelheiten für alle sichtbar (oder auch unsichtbar) aufscheinen zu lassen. Der persönliche, wenn auch in Vergleich zu Gray milde Bezug zu den Bildern fehlt nicht, Pisanello erzählt in Bildern die Geschichte des heiligen Georg, Namenspatron des Dichters, und die seit mehr als achthundert Jahren über unserem Leid andauernde Klage der Engel Giottos ist ein Echo des dichterischen Welterlebens.
Frederick Montgomery in Glanvilles The Book of Evidence ist in gewisser Weise nahe bei Dorian Gray. Zu dem Portrait of a Woman with Gloves eines weniger bekannten niederländischen Meisters entwickelt er ein ähnlich obsessives Verhältnis wie Gray zu seinem mobilen Konterfei, nur ist es eben kein Bild seiner selbst. Grays Verhältnis zu seinem Selbstbildnis ist klar wenn auch dunkler Natur, Montgomery weiß nicht, was er von dem Bild halten soll. Keine Mona Lisa, a youngish woman in a black dress with a broad white collar. She is not beautiful, the gold brooch that secures the wings of her collar is expensive and ugly. But knowing all this and more you still know nothing, next to nothing.
Was hätte ich von dir schon groß anderes erwarten können, scheint die Frau mit den Handschuhen zu sagen, als Montgomery einen letzten Blick auf das Bild wirft, das er gestohlen und für das er gemordet hat. Er sieht sich verurteilt, bevor noch die Richter Gelegenheit haben. Gray ist ohnehin verurteilt. Verurteilt sieht sich auch Prousts Bergotte, so wie Vermeer den Mauerfleck gemalt hat, so hätte ich schreiben müssen und habe es nicht vermocht, denkt er, bevor ihn der Schlag trifft, und sind nicht Selysses und die Schreibarbeiten, mit denen er fortwährend beschäftigt ist, gerad ebenso verurteilt, wenn die hellgrünen Spuren der Veroneser Erde auf Giottos Engelsflügeln das weitaus Wunderbarste sind, was wir uns jemals haben ausdenken können und ausdenken werden. Bereits in Haft, läßt Montgomery sich dickleibige Bände zur niederländischen Malerei bringen, um so dem Geheimnis der Frau mit den Handschuhen auf die Spur zu kommen, vergebliche Liebesmüh, wie man sich denken kann. How could mere facts compare with the amazing knowledge that flared out at me as I stood and stared at the painting? Flammt auf, bleibt aber unkenntlich, er hätte nach einer winzigen grünen Spur suchen sollen als dem Ursprung seiner Verzauberung, seiner Verfehlung und Schuld oder nach einem kleinen gelben Fleck, den es vermutlich nicht gibt.
Die denkbar engste Verbindung zwischen einem Bildnis und seinem Betrachter entwirft wohl The Picture of Dorian Gray, eine Vorbildwirkung auf die Schwindel.Gefühle ist nicht anzunehmen, obwohl auch hier die Betrachtung von Bildwerken prägend ist. Das Sichversenken in die Kunstwerke, in die Bilder Giottos und Pisanellos vor allem, ist naturgemäß nicht obsessiv ichbezogen wie bei Gray, aber auch nicht formal kunsttheoretisch, Fläche und Linie, Farbgebung und Farbauftrag, Proportionen, das spielt eine geringe Rolle. Fachliche Überlegungen fehlen aber nicht völlig, nicht allein die für die damalige Zeit hoch entwickelte Realismuskunst Pisanellos ziehe ihn an, so Selysses, sondern die Art, wie es ihm gelingt, diese Kunst in einer mit der realistischen Malweise eigentlich unvereinbaren Fläche aufgehen zu lassen. Bei Giotto erscheinen ihm die wenigen hellgrünen Spuren der Veroneser Erde als das weitaus Wunderbarste, was wir uns jemals haben ausdenken können; wer auf Reproduktionen angewiesen ist, kann die hellgrünen Flecken so schwer entdecken wie Prousts kleinen gelben Mauerfleck auf dem Gemälde Vermeers, von dem nicht wenige behaupten, es gebe ihn gar nicht. Letztlich geht es darum, die künstlerische Größe der Werke an bestimmten Einzelheiten für alle sichtbar (oder auch unsichtbar) aufscheinen zu lassen. Der persönliche, wenn auch in Vergleich zu Gray milde Bezug zu den Bildern fehlt nicht, Pisanello erzählt in Bildern die Geschichte des heiligen Georg, Namenspatron des Dichters, und die seit mehr als achthundert Jahren über unserem Leid andauernde Klage der Engel Giottos ist ein Echo des dichterischen Welterlebens.
Frederick Montgomery in Glanvilles The Book of Evidence ist in gewisser Weise nahe bei Dorian Gray. Zu dem Portrait of a Woman with Gloves eines weniger bekannten niederländischen Meisters entwickelt er ein ähnlich obsessives Verhältnis wie Gray zu seinem mobilen Konterfei, nur ist es eben kein Bild seiner selbst. Grays Verhältnis zu seinem Selbstbildnis ist klar wenn auch dunkler Natur, Montgomery weiß nicht, was er von dem Bild halten soll. Keine Mona Lisa, a youngish woman in a black dress with a broad white collar. She is not beautiful, the gold brooch that secures the wings of her collar is expensive and ugly. But knowing all this and more you still know nothing, next to nothing.
Was hätte ich von dir schon groß anderes erwarten können, scheint die Frau mit den Handschuhen zu sagen, als Montgomery einen letzten Blick auf das Bild wirft, das er gestohlen und für das er gemordet hat. Er sieht sich verurteilt, bevor noch die Richter Gelegenheit haben. Gray ist ohnehin verurteilt. Verurteilt sieht sich auch Prousts Bergotte, so wie Vermeer den Mauerfleck gemalt hat, so hätte ich schreiben müssen und habe es nicht vermocht, denkt er, bevor ihn der Schlag trifft, und sind nicht Selysses und die Schreibarbeiten, mit denen er fortwährend beschäftigt ist, gerad ebenso verurteilt, wenn die hellgrünen Spuren der Veroneser Erde auf Giottos Engelsflügeln das weitaus Wunderbarste sind, was wir uns jemals haben ausdenken können und ausdenken werden. Bereits in Haft, läßt Montgomery sich dickleibige Bände zur niederländischen Malerei bringen, um so dem Geheimnis der Frau mit den Handschuhen auf die Spur zu kommen, vergebliche Liebesmüh, wie man sich denken kann. How could mere facts compare with the amazing knowledge that flared out at me as I stood and stared at the painting? Flammt auf, bleibt aber unkenntlich, er hätte nach einer winzigen grünen Spur suchen sollen als dem Ursprung seiner Verzauberung, seiner Verfehlung und Schuld oder nach einem kleinen gelben Fleck, den es vermutlich nicht gibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen