Kongo, Island, Litauen
Der Fiktion ist die Lüge ohnehin inhärent, wenn in einem fiktionalen
Werk, einem Roman oder einer Erzählung, ein Lügner auftritt, steigt der
Lügenpegel nicht. Was aber, wenn der Dichter lügt? Er, Conrad, habe ihn,
Casement, wie er, der Dichter, einem ihm seltsamerweise wortwörtlich gegenwärtig
gebliebenen Zitat aus dem Kongotagebuch entnehme, nur mit einem Stecken
bewaffnet in die gewaltige Wildnis aufbrechen sehen &c. Kaum jemand sonst
noch hat Conrads Kongotagebuch auf einem vergleichbaren Niveau verinnerlicht,
wer sich aber die Mühe macht und nachschlägt, findet in dem Tagebuch nichts
dergleichen. Möglicherweise kam es dem Dichter gerade darauf an, den naseweisen
Pedanten und Kunstbanausen naszuführen und bloßzustellen. Vielleicht aber
berichtet er auch nur von einer Gedächtnispathologie, es kommt ja vor, daß man
sich haarfein an etwas erinnert, das es nicht gegeben hat. In einem
funktionierenden Rechtsstaat wäre der Dichter wegen nicht erwiesener Schuld
freizusprechen. Stachura neigt dazu, Sprachfetzen kunterbunt und wahllos den Völkern und
Nationen zuzuordnen, ad rem, jak mowią w Islandii, élan vital, wie man in
Klaipeda sagt. Hier ist die Lüge so offensichtlich, daß man schon nicht mehr von
Lüge sprechen kann, sondern nur von Übermut. In Rechnung zu stellen ist allerdings
das niedrige Niveau der Fremdsprachenkenntnis im Polen der sechziger und
siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, Russisch ausgenommen. Nicht auszuschließen
ist daher, daß der eine oder die andere dem Dichter auf den Leim gegangen ist
und seither ein falsches Bild vom Sprachverhalten der Isländer und Litauer mit
sich trägt. Wiedrum aber ist auch zu unterstellen, daß selbst auf Island schon einmal
das Wort ad rem gefallen ist, in Klaipeda das Wort élan vital. Vielleicht hat
der Dichter auf seinen Reisen in Island einen überdurchschnittlichen Gebrauch
der Floskel ad rem festgestellt, in Klaipeda einen überdurchschnittlichen
Gebrauch der Floskel élan vital. Wie dem auch sei, in einem funktionierenden
Rechtsstaat wäre das das Verfahren wegen erwiesener Geringfügigkeit
der möglichen Schuld einzustellen.
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