Sonntag, 19. August 2018

Fake News

Kongo, Island, Litauen

Der Fiktion ist die Lüge ohnehin inhärent, wenn in einem fiktionalen Werk, einem Roman oder einer Erzählung, ein Lügner auftritt, steigt der Lügenpegel nicht. Was aber, wenn der Dichter lügt? Er, Conrad, habe ihn, Casement, wie er, der Dichter, einem ihm seltsamerweise wortwörtlich gegenwärtig gebliebenen Zitat aus dem Kongotagebuch entnehme, nur mit einem Stecken bewaffnet in die gewaltige Wildnis aufbrechen sehen &c. Kaum jemand sonst noch hat Conrads Kongotagebuch auf einem vergleichbaren Niveau verinnerlicht, wer sich aber die Mühe macht und nachschlägt, findet in dem Tagebuch nichts dergleichen. Möglicherweise kam es dem Dichter gerade darauf an, den naseweisen Pedanten und Kunstbanausen naszuführen und bloßzustellen. Vielleicht aber berichtet er auch nur von einer Gedächtnispathologie, es kommt ja vor, daß man sich haarfein an etwas erinnert, das es nicht gegeben hat. In einem funktionierenden Rechtsstaat wäre der Dichter wegen nicht erwiesener Schuld freizusprechen. Stachura neigt dazu, Sprachfetzen kunterbunt und wahllos den Völkern und Nationen zuzuordnen, ad rem, jak mowią w Islandii, élan vital, wie man in Klaipeda sagt. Hier ist die Lüge so offensichtlich, daß man schon nicht mehr von Lüge sprechen kann, sondern nur von Übermut. In Rechnung zu stellen ist allerdings das niedrige Niveau der Fremdsprachenkenntnis im Polen der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, Russisch ausgenommen. Nicht auszuschließen ist daher, daß der eine oder die andere dem Dichter auf den Leim gegangen ist und seither ein falsches Bild vom Sprachverhalten der Isländer und Litauer mit sich trägt. Wiedrum aber ist auch zu unterstellen, daß selbst auf Island schon einmal das Wort ad rem gefallen ist, in Klaipeda das Wort élan vital. Vielleicht hat der Dichter auf seinen Reisen in Island einen überdurchschnittlichen Gebrauch der Floskel ad rem festgestellt, in Klaipeda einen überdurchschnittlichen Gebrauch der Floskel élan vital. Wie dem auch sei, in einem funktionierenden Rechtsstaat wäre das das Verfahren wegen erwiesener Geringfügigkeit der möglichen Schuld einzustellen.

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