Freitag, 20. Juni 2025

El Llano

Rulfo

All sie schönen Namen, die man bei uns nicht kennt, die aber gerade uns gefallen: Feliciano, Ruclas, Agua, Dona Sinecia, Chupadero, Tranqilino, Baretto, Euremio, Cedillo, Cracon, Justino, Lucas Lucatero und zahlreiche andere mehr. Die Schönheit der Namen hat für die Einheimischen offenbar keinen besonderen Wert, so schön wie es uns klingen mag, ist das Zusammensein dieser Menschen selbst jedenfalls nicht besonders vorbildlich und für sie eher weniger als uns üblich. Sie lieben einander nicht, der Vater haßt vielmehr seinen Sohn, el hijo. Die Mutter, la madre, stirbt nur einige Jahre später. Der Sohn wird im Laufe der Jahre stärker und immer klüger. Den Vater, el padre, sieht er kaum noch, er kümmert sich nicht um ihn. Er sieht ihn aber überrascht  einige Zeit später noch einmal, der Vater liegt auf einem Pferd, quer über dem Sattel, als Leiche, el cuerpo del padre muerto.  - Das mag überraschen, es ist aber nur eine Geschichte von vielen.

Mittwoch, 11. Juni 2025

Amerikanische Entwicklung

gestern und heute

  

Das jetzt Amerika genannte Land war uns vor fünfhundert Jahren noch unbekannt, die in diesem sogenannten Amerika lebenden Menschen waren zu dieser Zeit Indianer, ohne daß sie den Namen Indianer auch nur gekannt hätten. Die sogenannten Indianer wurden immer weniger, die nach dem sogenannten Amerika eindringenden Menschen unterschiedlicher Herkunft wurden, während die Indianer immer weniger wurden, immer mehr, im Laufe der Jahrzehnte so viel, daß kein anderes Land ihnen noch gleich kam. Unter den Eingewanderten waren auch zahlreiche Deutsche, die nicht allen anderen gut gefielen. In diesen Tagen wurde ein Deutscher, der allerdings nicht mehr deutsch sprechen kann, zum Häuptling, wenn man das so sagen will, gekürt. Er wolle Amerika von Grund rundum auffrischen und umgestalten, hieß es. Die einen begeistern sich für diesen seltsamen deutsch-amerikanischen Häuptling, die anderen sind aus gutem Grund entsetzt. Man sollte sich am besten an die wenigen noch vorhandenen echten Indianer halten, aber die schüttelten nur den Kopf.

Montag, 9. Juni 2025

Gesang

Bobby Mcgee

 

Wer singt schöner und zugleich wilder als Sheryl Crow, niemand kommt ihr gleich. Ob Thomas Bernhard ähnliches gedacht hat, kann man nicht wissen, der eine hat die andere und die andere den einen nicht kennengelernt, der eine war schon fast tot als die andere anfing zu singen. Bernhard setzte auf Beethoven, Sheryl Crow auf Bobby Mcgee, man hat nicht davon gehört, daß sich Bernhard auch für Bobby Mcgee und Sheryl Crow auch sich für Beethoven begeistert hätten. Man kann sich aber täuschen, das Empfinden der großen Musikerinnen und großen Musiker ist uns nicht zugänglich.

Herrgott

 und andere Götter

 

Der Herrgott ist nicht mit einem Herrn Gott zu verwechseln, obwohl nicht wenige den Familiennamen Herrgott tragen, darum geht es aber nicht, das ist auch nicht gemeint. Der Herrgott zeigt seine Überlegenheit gegenüber anderen Göttern die nicht als Gott anerkannt sind, es gibt nur den Einen Gott und keinen anderen, so heißt es, es sind dies falsche Götter, sagt man, ein falscher Gott ist noch schlimmer als ein gottloser Gott. Ursprünglich gab es, wie man glaubte, nur wenige Götter, die dann von dem Einen Gott zunächst beiseite geschoben wurden, um dann auch die Überlegenheit des Einen Gottes zu erkennen. Im Verlaufe der Zeit ergab sich das Problem, daß unsere noch unbekannten Welt immer umfangreicher wurden, anders gesagt, daß Teile unserer Welt erschienen, die man zuvor nicht gekannt hatte. Die hinzukommenden Menschen hatten schon ihre eigenen Götter entwickelt und wollten bei diesen Göttern verbleien, nur wenige ließen sich vom christlichen Gott überzeugen. Nur wenige wechselten über zum Christengott, aber, und das muß man anerkennen, noch wenigere vom Christengott zu anderen Göttern. Die Zahl der Götter läßt sich insgesamt nicht überblicken.

Sonntag, 8. Juni 2025

Vater Unser

Himmel in Not

Vater unser der Du bist im Himmel, viele glauben inzwischen nicht mehr daran, nicht wenige immer noch, im achtzehnten Jahrhundert glaubten noch die meisten, fast alle kann man sagen. In Gottes Namen, auch das war ernstgemeint, jetzt kaum noch. Vor allem die älteren Frauen übersahen nie den Gottesdienst, Gott und die große Zahl der Heiligen, die Glocken läuteten, nirgends erlebte man es zuverlässiger als bei der Großmutter. Die Großmutter, deren geliebter Mann schon längst als Soldat umgekommen war, einen anderen wollte sie nicht, konnte sich ganz den jungen Mädchen widmen, die Knaben waren nicht so schnell sie zu überzeugen. Die jungen Mädchen, die auch nichts anderes wußten, liebten den Gottesdienst und wollten auch nichts anderes. Das Verhältnis von Großmutter war schöner als alles andere, man wünschte sich, die Großmutter würde nicht älter würde und die jungen Mädchen schon gar nicht. Die Großmutter wußte freilich, daß sie irgendwann und schon bald sterben und zum Herrn zurück kehren würde. Die jungen Mädchen dachten jetzt an anderes und gingen nicht jeden Sonntag zur Kirche, auch sie wurden älter und schließlich dann auch Großmütter. Warum nur haben die Menschen soviel anderes entdeckt, die Fahrt zum Mond und anderes, es macht das Leben nur noch schwieriger. Gott behüte uns.

Samstag, 7. Juni 2025

Großväter

und andere

Die Welt, wie wir sie kennen, war zunächst unbewohnt von Tieren und Menschen, dann kamen schlichte unbekannte Wesen, Tiere wie Käfer oder Mücken hinzu, niemand war da, sich um sie zu kümmern. Dann kamen Tiere wie die Vögel, dann Tiere wie die Waschbären die sich selbst und ihre Umgebung wahrnehmen, aber ohne dabei vertiefte Erkenntnisse zu gewinnen. Anders ist es schon bei den Schimpansen, die grübeln immer wieder über ihr Dasein, ohne aber eine Antwort zu finden. Es bleiben als Lebewesen die Menschen, die glauben, das Geheimnis ihres Daseins gelöst zu haben. In unseren Breiten war es Jesus, der alles lösen sollte, inzwischen ist sein Ruf erheblich abgesunken. Es gab aber viele Menschen, von denen man nichts wußte und die ihrerseits jeher nichts von Jesus wußten. Die Guarani waren und sind zum Teil noch auf den Großvater als Führer eingestuft, nicht die schlichten Großväter aller Kinder, sondern der Ewige Großvater, eine einem Gott ähnliche Erscheinung. Der Ewige Großvater ist nicht vereinsamt, es gibt unter anderem neben dem Großvater noch Tupa Rubicha, den Hüter der Seelen, und tekoaruvicha, den Führer der Dörfer und andere. Im Fazit ergibt sich, daß man vieles glaubt, daß man die Welt vielen Göttern zum Trotz weiterhin nicht kennt und wohl auch nie kennenlernt.

Musik

Mensch und Tier

 

Was wäre das Leben ohne Musik (guyra ne`engatu), das gilt für die Menschen und für die Tiere gleichermaßen. Es gilt aber nicht überall gleichmäßig, die einen krächzen oder bellen zum Erbarmen, zum Beispiel die Hunde, andere sind ganz still und schweigen, wieder andere singen und singen so schön, daß man nichts anderes mehr hören mag, wer aber könnte schöner singen als die Nachtigall? Die Schwalbe beglückt mit der Eleganz des Fluges, weniger mit dem Gesang. Bei den Menschen ist es komplizierter, die einen sind so gut wie stumm und wollen auch den Gesang der anderen nicht hören, die anderen wiederum sind hingerissen von den Tönen. Musik und Gesang sind aber nicht das gleiche, die einen setzen auf Glenn Gould, die anderen auf Chuck Berry, wieder anderen sind beide recht. Einige mögen es nicht, wenn dreißig Menschen und mehr, Frauen und Männer, mit ihren  Musikgeräten ankommen, sie ziehen die einsamen Musiker vor. Man darf den Gesang der Sänger nicht vergessen, sie ähneln der Nachtigall. Was mag  mit der uns unbekannten Musik in anderen Welten geschehen, sofern es diese Welten denn gibt?

Im Schlaf

Unter Freunden

 

Oft gingen wir gemeinsam in die Stadt, um uns nach der Arbeit von der Arbeit zu erholen. Wir gingen an den Kinos, den Filmen vorbei, eigentlich gab es aber längst keine Kinos mehr, nur noch das Fernsehen. Wir gingen durch die Stadt, schauten nach links und nach rechts und kehrten ein, die Frauen wünschten Eis, die Männer tranken Whisky. Sie gehen dann weiter durch die Stadt mit langsamen Schritten  und haben ihre Freude dabei. Er schaut sich um und sieht plötzlich die Freunde nicht mehr. Er schaut weiter umher und sieht, daß er nicht mehr in derselben Stadt ist, er hat sich offenbar gründlich verlaufen oder, was noch glaubhafter ist, etwas sehr seltsames ist geschehen. Er wacht auf, er hatte nämlich nur geschlafen. Er arbeitet jetzt wieder für einige Zeit, und dann trifft er tatsächlich die Freunde in der Stadt mit Whisky, Speiseeis und andern Genüssen. Das unerwartete Schlafen hat sich schon mehrmals wiederholt und wird sich weiterhin wiederholen.

Liebe

Nicht einfach

Beide hatten das junge Mädchen gesehen, der eine liebte sie sogleich, ohne zu zögern, der andere ebenso, das Mädchen hatte die Wahl. Den einen hatte sie gerade erst kennengelernt, den anderen kannte sie schon länger. Welcher soll es sein für ein Leben lang? Da der eine, der sie schon lange kannte, anwesend war und der andere nicht, ergeben sich Schwierigkeiten. Es scheint als wolle der, der sie schon lange kannte, sich nicht wieder melden bei ihr. Drei Tage lang hat sie nichts gehört von ihm, sie muß ihn wohl verlassen, weil er sie verlassen hatte. Die weitere Entwicklung war aber nicht so. Wenn er sie nicht mehr liebt, wird sie notgedrungen den anderen lieben müssen, so denkt sie. Es verlief aber ganz anders. Seine zahlreichen Briefe trafen nur wegen der langsamen Post in Petersburg nicht ein. Nach den wenigen Tagen ohne Post kehrte ihr Liebster aber zurück. Ihre Liebe zu ihm brannte gleich wieder auf, sie  fiel ihm um den Hals. Dem anderen schickte sie nach wenigen Tagen aus Fürsorge einen aufmunternden Brief, der ihn aber nicht aufmunterte. Das war gleichwohl alles was sie für ihn tun konnte.

Freitag, 6. Juni 2025

Im Gasthof

Ein Erlebnis

Er war eine lange Strecke gefahren und kehrte jetzt zur Erholung im Gasthof Robotnik ein, dem Ort der sogenannten Arbeiterschaft. Er nahm Platz in der Mitte des Gasthofs und trank zunächst ein Glas Bier. Ein anderer Gast kam hinzu und ließ sich nieder in einem Sessel. Mit der rechten Hand hielt er einen Hut auf dem Kopf, in der anderen Hand eine Skulptur. Drei weitere, offenbar Freunde der Arbeiterschaft, kamen hinzu und nahmen Platz am selben Tisch. Fliegen (piriyriki) huschten überall vorbei. Auf seine Art war es ein Erlebnis, wenn es auch nicht ein jeder es so erleben möchte. Schließlich trank er einen Kaffee, ging zurück zum Auto, stieg ein und fuhr weiter, wohin auch immer und woher.

Spaß muß sein

Sprachen

Deutsch ist eine leicht erlernbare Sprache, eine Sprache voller Schönheit und Klarheit, die Sprache ist, wie gesagt, leicht erlernbar, ein jeder kann sie mühelos sprechen und zugleich ist es ein Genuß. Eine vergleichbare Sprache gibt es nicht, warum sprechen nicht alle diese schöne Sprache? Eine Sprache für alle, soweit sind wir leider noch nicht. Französisch und Englisch, das könnte man noch durchgehen lassen, eine reine Freude ist auch das nicht. Der Gipfel des angeblich Lesbaren ist die Sprache der sogenannten Guarani, wie soll man das verstehen? Man kann die Guarani nur bedauern. Yva soll der Himmel sein, ypane der Fluß, yrypa die Zikade, völlig unverständlich ist mburuvicha und so weiter und so fort, wer mag es glauben. Schlimmer noch, wenn es tatsächlich die Wahrheit sein sollte, wer kann das überleben, es ist eine Zumutung, vom Satzbau ganz zu schweigen, wenn es denn hier überhaupt so etwas gibt. Die sogenannten Guarani sollen angeblich samt ihrer Sprache irgendwo in Südamerika leben, man kann sie nur bedauern, ein Glück nur, daß man dort als vernünftiger Mensch nicht hinfährt. - Antwort:  Yva yrypa, nande a, upa katu jareku mbohapy: ist es nicht wunderbar, hinreißend, wie es klingt? Wer will das bestreiten? Wer das Schöne kennt, wird Schönes finden, nur dumme Menschen sehen das Schöne nicht.

La bella estate

Ginia

Die Männer betrachten üblicherweise die Mädchen und die Frauen, Mädchen und Frauen betrachten einander und die Männer. In La bella estate betrachten tatsächlich die Mädchen und die Frauen einander und auch die Männer. Abweichend von Paesi suoi werden die Frauen von den Männern immerhin nicht ermordet. Ginia ist ein Mädchen, fast ein Kind noch, das gerade eine Frau werden will. Von Ginias Eltern, Mutter und Vater, erfährt man nichts, sie waren wohl bereits auf dem Friedhof. Von den lebenden Verwandten kennt Ginia nur ihren Bruder Severino. Die ältere Amelia führt Ginia in die Welt der Erwachsenen und insbesondere in die Welt der Kunstmaler. Ginia verliebt sich in Guido, einem der Maler, sie kann diesen Weg aber nicht wirklich gehen. Sie erwartete Liebe und wurde schließlich verhöhnt, keiner der vermeintlichen Freunde besucht sie, auch ihr Bruder Severino verhöhnt sie. Letztlich ist es Amelia, die sie aufmuntert.

Literaten

Unterschiedlich

Die Art ihres Schreibens und auch die sie inspirierende Umgebung der Literaten ist unterschiedlich und nicht selten eigenartig. Einige, tatsächlich aber die meisten, erwünschen beim Schreiben Einsamkeit und Ruhe, einige andere aber, und das ist eher selten, werden von der einsamen Stille gestört. Man möchte sagen, die Einsamkeit macht ihnen Angst und schließlich fällt ihnen der Griffel aus der Hand. Wiederum andere aber sind inspiriert, wenn Freunde anwesend sind, nur ein zwei, drei Meter von Ihnen entfernt. Er hört sie, ohne immer alles zu verstehen von dem, was sie sagen. Ab und zu hört man auch von ihm einige Worte, die von der Versammlung angenommen werden. Erschöpft und zugleich zufrieden, gesellt er sich zu den Freunden, selbstredend können die Anwesenden auch Frauen sein. Alle sind zufrieden, das literarische Werk wird gelingen.

Mittwoch, 4. Juni 2025

Kurzfassung

 

Er saß still da, rauchte seine Zigaretten, achtete darauf, daß er niemanden mit der Glut beschädigte, er blieb still und sagte kein einziges Wort, palil papierosa.  

Auf Reisen

Von der Ehe und anderem Leid


Sie kannten einander nicht, waren aber in den gleichen Zug gestiegen und fuhren jetzt schon eine lange Zeit, eine Frau und eine Reihe von Männern. Sie kannten einander nicht, lernten einander während der Fahrt aber bald kennen. Die einzige Frau hatte naturgemäß das Sagen, sie hatte der Höflichkeit der Männer wegen keine wirkliche Konkurrenz. Das bedeutet nicht, daß die Männer stumm blieben, allenfalls für eine kurze Zeit. Mittlerweile war eine Reihe von Männern eingestiegen, weitere Frauen aber nicht. Der einzigen Frau gegenüber stand eine Reihe von Männern, das beeindruckte diese Frau weiter nicht. Eine einzelne Frau, die den bisherigen Zustand verändern, und eine Reihe von Männern, die die bisherige Situation bewahren will. Die Männer wollen weiter das Sagen haben, die Frauen sollen den Männern weiterhin gehorchen. Man kann das inzwischen nur noch als üblen Scherz einstufen. Wir wissen inzwischen, daß die einzelne Frau im Zug wie alle Frauen in unseren Breiten gewonnen hat, Rückfälle auf den alten Zustand lassen sich allerdings nicht vermeiden. Ein geordnetes Zusammen der Menschen und vor allem des geordneten Zusammenseins von Frauen und Männern ist weiterhin nicht in Sicht.

Dienstag, 3. Juni 2025

Tra donne sole

Clelia, Rosetta und andere


Immer  haben die Männer das Sagen gehabt, jetzt sind es die Frauen, die donne sole. Clelia kommt bei Kriegsende von Rom aus nach Turin, um dort die Leitung eines Schneidereigeschäfts zu übernehmen, zunächst waren es nur die Vorbereitungen. Die Stadt hatte noch ihre alten Muster, in den noch freien Tagen sieht sie sich um in ihrer neuen Umgebung, sieht den schneebedeckten Hügel, die Welt wäre schön, heißt es, wenn es nicht die Menschen gäbe. Die meiste Zeit wurde aber in den Kneipen und Gasthäusern verbracht. Immer wieder fuhr man auch an die Rivera. Die Kirche der Gran Madre erinnert daran, daß vor wenigen Tagen noch Karneval gewesen war. Schon bald hat Clelia eine ganze Reihe von Frauen kennengelernt, Mariella, Clara, Gisella, Lene, Nene, Lina und noch anderer. Entscheidend, wenn man so sagen will, ist aber, neben Clelia, Momina und anderen, die arme Rosetta, der der Sinn des Lebens zweifelhaft war, wie es heißt, man erfährt noch mehr über sie. Sie wandte sich von den anderen mehr und mehr ab. Was die Kinder anbelangt sind sie darüber nicht einig. Kinder, wie man weiß, sind den Frauen Freude aber auch Last. Von der männlichen Seite, die es naturgemäß auch weiterhin gab, schalteten sich vor allem ein gewisser Morelli und andere seiner Art immer wieder ein, das  einzige, was man ihnen zugute halten kann ist, daß sie dann immer wenn möglich die Stadt verlassen und die Hügel aufsuchen. Die Männer sind da aber nebensächlich, immerhin haben sie die Bezahlung in Gasthäusern zu erledigen. Rosseta trank viel, schaute finster vor sich hin. Am Abend war sie aber nicht zu finden. Das Zimmermädchen verkündete schließlich weinend, man habe sie tot vorgefunden. Sie hatte Ruhe gefunden, der Tod war ihr lieber als das Leben.

Europäische Soldaten

Veränderte Lage

Im friedlichen Europa und zumal im friedlichen Deutschland hatte das Militär für lange Jahre nur eine geringe Bedeutung, inzwischen hat sich die Lage überraschend schnell verändert und man schaut jetzt ganz anders auf die Soldaten und ihr Tun. Drei verschieden Typen lassen sich jetzt erkennen: die  Gehorsamen, die Befehlshaberischen und schließlich die Verwegenen. Unter den drei entscheidenden Typen schälen sich wiederum unterschiedliche Ansätze heraus. Was die Gehorsamen anbelangt (Befehlshaben und Verwegenheit bleiben hier ausgeklammert, es würde sonst zu kompliziert) lassen sich einerseits die gleichmütig Geschäftigen und andererseits die geschäftig Gehorsamen erkennen. Der Gehorsamstyp ist der beliebteste, er stützt sich auf die christlichen Tugenden als da sind Frömmigkeit, Geduld und Ergebung an den Willen Gottes. Das auf diesen Glauben setzende  Militär ist durch nichts zu erschüttern. - Im übrigen wurden die verschiedenen Typen der Erkenntnis bereits frühzeitig von Tolstoi erkannt. 

Sibirien

Sühne

Beide haben ihr Leben oder doch Teile ihres Lebens in Sibirien gebracht, beide, Dmitri einerseits und  Raskolnikow andererseits, sie galten als Mörder. Dmitri, ein gescheiterter Student, war unschuldig, was das Morden anbelangt, er hielt sich aufgrund seines wilden Lebens gleichwohl für schuldig. Raskolnikow, ein gescheiterter Student, weiß und erfährt, wie zu erwarten, nichts von den Brüdern Karamasow. Er mordet, nicht allein in seinem Interesse, sondern auch um seiner Mutter das Leben zu erleichtern. Der Versuch gelingt nicht, er mordet, kommt aber nicht an das Geld. Zunächst ging es ihm nur darum, den Mord zu verschleiern. Es gelingt ihm, den Folgen seines Verbrechens zu entkommen, aber nicht dem Schmerz seiner Schuld. Er geht allen aus dem Weg und nimmt Geldgeschenke nicht an. Er entkommt zunächst seiner Schuld, will das letztlich aber gar nicht, er will seine Schuld offenbaren, zögert aber noch. Er erkrankt, zur Freude seiner Verwandten und Freunde gesundet er schon nach kurzer Zeit. Lange Zeit wurde Raskolnikow nicht als der Mörder erkannt, vielleicht wäre er nie entlarvt worden, wenn er sich nicht selbst entlarvt hätte, er konnte seine Schuld nicht länger ertragen. Er bekennt von sichaus sein Verbrechen, ohne daß man ihn schon angeklagt hätte. Nach einem kurzen Prozeß wird er für eine lange Zeit nach Sibirien in ein Straflager versetzt. Für ihn war es eine Erleichterung.

Mgla mgla

Nebel

Es geht um das Holzschlagen der Bäume, so heißt es. Pradera teilt sich gleich den Holzfällern zu. Er ist zufrieden mit seiner Arbeit und gut versorgt in einer Unterkunft, mit den meisten Kollegen ist er bald befreundet. Abends trifft man sich in einem Gasthaus, der Hoplanka, schwätzt, ißt und trinkt miteinander. Peresada wird bald Praderas besonderer Freund. Die zwei besorgen sich Alkohol, der bald ausgetrunken ist, man besorgt sich neuen. Pradera schaut sich für  längere Zeit in einer fahrenden Bibliothek um und nimmt schließlich ein Buch mit: Lato lesnych ludzi. Die Frauen helfen ihren arbeitenden Männern und besorgen Essen während der Mittagszeit. Immer wieder aber ist vom mgla, dem Nebel, die Rede. Was aber soll das bedeuten, was hat es mit dem Holzschlag zu tun? Der immer wieder genannte Nebel ist, wie Pradera es letzthin versteht, nicht der Nebel, der über den Feldern liegen mag, es ist ein Nebel über den Menschen, ein Nebel, den niemals jemand überwinden kann. Pradera, der den mgla, den Nebel zunehmend verflucht, versteht erst jetzt die wahre Bedeutung. Der Holzschlag ist beendet, Pradera hat nichts anderes im Sinn als die Rückkehr zu seiner Geliebten, zur Galazka Jablona, es ist nicht ihr tatsächlicher Name.  Er verläßt die Straße und versucht auf dem Feldweg schneller voranzukommen. Der Schneefall wird immer heftiger, der Feldweg ist kaum noch zu erkennen, der Schnee entpuppt als der Kumpan des Nebels. Pradera kann dem Weg nicht mehr folgen, das Ziel nicht erreichen, vielleicht aber seinen  Tod. Magla wäre dann der Sieger.

Gott

und wir

Religion, sagte Pieretto, das heißt begreifen, wie alles zugeht. Dazu hilft das Weihwasser nicht. Man muß mit den Leuten reden, sie begreifen, wissen, was jeder will. Alle wollen etwas im Leben, sie wollen etwas tun, was sie nie so richtig konnten. Nun, für jeden ist in diesem Wollen Gott. So gestaltet es Cesare Parese in einer seiner Erzählungen. Gott sei die absolute Freiheit und Gewißheit, man fragt nicht, ob er existiert. Gott ist für viele nicht mehr begreifbar, heißt es, letztlich gar nicht mehr. Christi Himmelfahrt ist nicht mehr möglich, weil es offenbar keinen Himmel gibt.  Was bislang von allen als die Welt verstanden wurde, ist nur ein winziger Fleck im unbekannten All. Die Kenntnis der unendlichen Welt verbreitet sich nur unwesentlich, das Ganze ist für den Menschen kaum übersichtlicher als für einen Hund oder für einen Elefanten. Das vermutete Ewige Leben der Menschen erweist sich als kaum dauerhafter als die Lebensdauer verschiedener Tierarten, die Lebensdauer bestimmter Tierarten geht weit über die der Menschen hinaus. Soviel auch die Wissenschaft hervorbringen mag, es bleibt ein kleiner Fleck in einer unverständlichen Welt. Spätere Supermenschen, wenn es die denn gibt, mögen mehr verstehen, wir werden es nicht erleben. Angesichts der Kürze des Lebens läßt es sich ohne weiteres noch weiter verkürzen. Pavese hatte sein Leben nach eigenem  Urteil im Alter von vierzig Jahren beendet, das genügte ihm. Die Welt, so heißt es, kann noch schneller verschwinden als der einzelne Mensch, mit einem Schlag.

Montag, 2. Juni 2025

Roll Over Beethoven

Musikalische Wünsche

Posdnyschow, ein Russe wie man sieht, kommt bei seinem Kollegen auf Beethoven zu sprechen und insbesondere auf die Kreuzersonate, sie gefällt dem Kollegen gar nicht, sie mißfällt ihm vielmehr gründlich. Das sei ein entsetzliches Ding diese Sonate, eigentlich aber sei sowieso jede Art von Musik schrecklich. Musik sei bei Licht gesehen ebenso wie im Dunkel unerträglich. Was leistet denn sie Musik? Gar nichts, sie quält uns nur! So der Kollege. Ähnlich eingestellt, wenn auch ganz anders, ist ein junger Mann, der eine Zukunft als Gitarrenspieler und Sänger wünscht. Seine Schwester zuhaus ging ihm schon bald auf den Nerv mit ihrer ewigen Beethovengedudel im Nachbarzimmer, so daß der Buder es kaum noch ertragen konnte. Dem leidvollen  Leben in der gemeinsamen Wohnung mit den Eltern mußte er, wie auch immer, entkommen. Erschöpft ruft er schließlich: Roll over Beethoven mit dem heimlichen Wunsch Beethoven loszuwerden und sich stattdessen dem Rock and Roll zu verpflichten. Roll over Beethoven, ja, das erleichtert ihn ungemein. Seither störte er sich weniger an der Schwester als die Schwester an ihm. Schon bald ist er ein überzeugender Meister seiner Musik. 

Kafkaesk

Freunde

Dr. K. ist verpflichtet, an einem Kongreß in Wien teilzunehmen, anschließend verbringt er einige Tage in Venedig, drei Wochen verbringt er in einer Wasserheilanstalt und so weiter, anscheinend schreibt er in dieser Zeit nicht, tatsächlich aber interessiert ihn auch in dieser Zeit nach eigener Bekundung nichts als das Schreiben, offenbar also hat er auch in dieser Zeit geschrieben. Kafkas Figuren zeigen sich nie auf dem üblichen Niveau menschlichen Verhaltens. Nur eins von vielen möglichen Beispielen, die Kafka entworfen hat: Richard und Samuel sind Freunde, allerdings ist die Freundschaft nicht ohne Schwierigkeiten, die beiden haben nicht die gleiche Vorstellung. Die Zwei sind offenbar allein, andere sieht oder hört man nicht. Richard ist meistens vor lauter Wohlbefinden müde, Samuel dagegen ist wach und stark. Richard versteht oft einfache Dinge nicht, Samuel ist gleichwohl mit ihm in eine wahre Freundschaft angetreten. Schon mit ihrem Namen unterscheiden sich die beiden anscheinend voneinander, dennoch sind und bleiben sie gute Freunde. Richard begreift, abgesehen vom Deutschen, Französisch und Italienisch, Samuel nur Französisch, das aber sehr gut. Alle Menschen sind in gleicher Weise an der Oberfläche, aber nicht in der Tiefe.

Weltall

Einsam

Lange hat man geglaubt, die flache Erde sei das All und die Sterne nur der Schönheit wegen von unserem Herrn an den Himmel versetzt. Dann mußte man erkennen, daß die Erde nur ein Sternchen unter Sternen am endlosen Himmel ist, endlos, weil man ein Ende nicht erreichen kann. Daraufhin wollte man im All, bei den Nachbarsternen, soweit wie möglich um sich schauen, um tierische- oder menschenähnliche Genossen zu entdecken, das ist bislang nicht gelungen, man ist immer noch einsam. Auf welcher Grundlage haben sich Pflanzen und Tiere entwickelt, wem ist dergleichen eingefallen, wer hat dafür gesorgt, wie kann man sich dieses Wer vorstellen, wieso ist das rätselhafte Wer für uns versteckt? Wie können wir unsere Einsamkeit im All ertragen? Die Menschen sind die einzigen, die sich Gedanken darüber machen, die Tiere und die Pflanzen kennen offenbar keine Fragen dieser Art. Die Pflanzen waren wohl als erste auf unserem Stern erschienen, wer hat ihnen geholfen, wie sind die vermuteten Helfer dann wieder verschwunden, wir kennen sie nicht. In der Unzahl der Sterne hat man Pflanzen und Tiere samt der Menschen bislang nicht entdeckt. Man kann sich nichts anderen vorstellen als einen Gott, der aber keine Ähnlichkeit mit dem bislang erdachten Gott hat. Ein Gott muß es sein, aber wie er gestaltet ist, das können wir nicht wissen. Die meisten interessieren sich nicht für das All, sie sind zufrieden mit einem Urlaub am Meer.  

Anasazi

Unbekannt

Nie haben sich die Indianer als Indianer gesehen, sie waren auch keine, wußten nicht, was sie sein sollten, sie hießen ganz anders als INDIANER. Sie sahen sich auch nicht als ein alles umfassendes Volk, die Völker waren verschieden. Sie hatten keine gemeinsame Sprache, wenn sie eine gleiche Sprache hatten, konnten die Freunde sein, wenn sie die Sprache der anderen nicht verstanden, waren das in ihren Ohren keine Sprachen, sie murmelten und bellten bestenfalls wie die Tiere, so dachte man und man bezweifelte, daß es überhaupt Menschen waren. Am wenigsten verstand man die Anasazi, weil es sie gar nicht gab und nie gegeben  hatte. Es gab diese Menschen, aber man wußte nur wenig von ihnen, als man auf sie aufmerksam wurde waren sie schon tot und man konnte sie nicht mehr kennenlernen. Anasazi hießen sie nicht, diesen Namen hatte man irgendwann erfunden. Was man kannte waren beeindruckende Bauten, die die Anasazi hinterlassen hatten, man konnte träumen. Viele Indianer sind erschienen und dann, wie die Tiere, wieder verschwunden. Inzwischen gibt es kaum noch Indianer dieser oder anderer Stämme, aus ihnen sind Amerikaner geworden.

Neuzeit

Vergangenheit 

Nicht dasein, sondern davonschweben auf seltsame Weise, man mag sich an den Geschichten Der Nacht von San Rocco und anderen Erzählungen wie La casa in collina orientieren. Hatte die Neuzeit für Paveses Figuren noch nicht begonnen? Man trifft hier nicht auf Hochhäuser mit Ausnahme der oft halbleeren Hauptstadt Turin, und das auch nur, weil einige hier arbeiten müssen, ansonsten aber besucht der Autor nicht die großen Städte, die man nicht liebt, vielmehr die Dörfer, die man umso mehr liebt, vor allem aber die Hügel, die Hügel sind kostbarer als die Menschen. Man trifft hier keine Autos, keine Flugzeuge und nicht einmal Betten, hier leben keine Reichen, keine Arbeiter, nicht die Neuzeit. Man trifft nicht die Kinder beim Schulbesuch und auch nicht die älteren Erwachsenen, vielmehr die Jugend, nicht die sechzigjährigen, allenfalls noch die fünfzigjährigen. Mehr als alles andere entzücken die Hügel, sie sind geradezu dem Herrn eigen. Ihre schönen Geheimnisse sind unter anderem die Tenne, die Maulbeerbäume und viele andere, nicht aber die Pastoren, wenn sie in der Kirche den kirchlichen Aufgaben und an anderen Orten die Tierzucht betreiben und dabei die Tiere unangemessen behandeln. Zwischen den Menschen, vorwiegend den Männern, sind die meisten Beziehungen anders als erhofft und keineswegs herzlich oder freundlich. Die Männer sind einsam, die Frauen bleiben im Hintergrund. Vieles wäre noch zu sagen.