und Tod
Der ein wenig überzogene Lehrer, der offenbar nichts Gutes zu erzählen hat, heißt Murau, er hasste so gut wie alles und auch sich selbst. Er wohnte in Rom, sein noch junger und reicher Schüler hieß Gambetti, er wohnte ebenfalls in Rom. Der Lehrer erzählte dem Schüler pausenlos alles denkbare, den gehorsamen Schüler hörte man nur selten, nur kurze Ergänzungen, insgesamt war die Gespräche der beiden aber endlos. Murau war unzufrieden von allem, was er für war nahm und aussprach. Er sang letztlich nichts als ein Klagelied, er haßte das Dasein geradezu, Gambetti, der arme, wie man sagen kann, äußerte sich zu all dem nur selten und lächelte dann still vor sich hin. Man möchte nicht sagen, daß Muraus Schwestern, seine Mutter, seinen Vater haßten Murau nicht, aber es kam dem Haß sehr nahe. Der Ort Wolfsegg samt seinen Einwohnern war das Zentrum seiner umfassenden Verachtung, Positives konnte er auch sonst nirgends entdecken, ausgenommen den Onkel Georg, den Murau sehr schätzte. Gehen wir auf die Eltern und die und die Schwestern nicht weiter ein. Viele andere sind noch hervorzuheben, nicht zuletzt zu nennen ist die makellose Dichterin Maria, beeindruckend wie sonst niemand anders. Ergänzend ist Spadolini, der ein Leben als Nuntius vorbereitete, zu nennen, um vieles wichtiger als der Nuntius waren für Murau aber die Schriftsteller, insbesondre der unvergleichliche, alle Literaturkenner entzückende Schriftsteller Pavese. Die Mutter, die im übrigen ein Verhältnis mit Spadolini hatte, hatte ihn, Murau also, im übrigen des öfteren besucht. Was die verschiedenen Sprachen anbelangt, steht Deutsch für die Dichter und zumal für Maria auf dem letzten Platz, geschweige denn, daß man sie mit der wunderschönen, leicht dahinfliegenden Guaranisprache vergleichen will. Die Menschen sein nicht gut, so Murau, er selbst sei es am wenigsten, weniger noch als seine Eltern und seine Schwestern, gut sei der nun tote Onkel Georg gewesen, Gambetti wird ein guter Mensch sein. Während Murau noch nachdenkt über diese Dinge hört er vom Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders. So sehr es ihm widerstrebt muß er Rom verlassen und zur Beerdigung im Friedhof Wolfsegg fahren, es Grauste ihm, aber dem konnte dem nicht entkommen. Er besucht den Friedhof, bevor er noch seine Schwestern besucht. Allein und einsam betrachtet er das schon vorbereitete Begräbnis, und läßt die Schwestern warten, er denkt über die seltsamsten Dinge nach, schließlich nähert er sich dem Trauerhaus. Murau schaute in die ihm verhaßte katholische Kapelle hinein, in der die Begräbnisdekoration schon vorbereitet war. Früher gingen die Verwandten ein Jahr in Schwarz, heute, falls überhaupt, zwei Stunden. Andererseits aber waren schon achtzig Kränze und vierzig Buketts eingetroffen, die Todesanzeigen waren in der Wiener und der Münchener Zeitung zu lesen und auch in der Frankfurter Allgemeinen lesbar. Murau geriet unerwartet und für ihn selber ungewünscht in die Rolle des Ernährers der verkleinerten Familie. Bei dem Unfall hatte es die Mutter am schlimmsten erwischt, sie war so gut wie geköpft worden, dem Vater und dem Sohn erging es nur wenig besser sie waren alle sofort tot, ohne Leiden. Mindestens drei Bischöfe werden für das Begräbnis erwartet. Murau überlegt, ob er für das Begräbnis einen schwarzen Anzug anziehen sollte, er gab sich dann zufrieden mit einer schwarzen Krawatte. Viele Erinnerungen wurden wach, bevor noch das Begräbnis stattfinden sollte, die ganze Bevölkerung von Wolfsegg würde dann aber am Begräbnis teilnehmen, schlimm, daß die katholischen Kirchenglocken werden, nur die katholische Glocke und sonst keine. Die Beerdigung wurde vorbereitet, der Sarg, der Deckel des Sargs, die Kränze, alles, was dazugehört. Gern hätte Murau die Mutter, den Vater und den Sohn in den Särgen betrachtet, aber das war nicht zulässig. Das fortwährende Verlangen zurückzukehren nach Rom verläßt ihn bei all dem nicht. Die Verwandten glauben, er würde nun für immer in Wolfsegg bleiben, er wird aber keineswegs für immer in Wolfsegg bleiben er wird gar nicht in Wolfsegg bleiben. Der Trauertag beginnt, der Vater, die Mutter und der Sohn werden beerdigt, nachdem der Vater, die Mutter und der Sohn Tod sind, sind sie plötzlich großartige Menschen, wie man sie sonst nicht findet, die Töchter erwarten, daß ihnen die reiche Hinterlassenschaft zufällt, sie werden jedenfalls nicht verhungern. Der Erzbischof hat schließlich die Totenmesse zelebriert, der Trauerzug bewegte sich langsam auf den Friedhof zu. Schließlich waren keine Trauergäste mehr anzutreffen, Murau kehrte nach Rom zurück, wo er dann geblieben ist, alt wurde er nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen