Freitag, 4. Juni 2021

Zbawienne konsekwencje sadyzmu

Heilsamen Folgen des Sadismus

Ein langer Korridor, viel zu lang für das schmale Haus, führte, leicht abschüssig, wie ihm vorkam, an den Zimmertüren vorbei, die in Abständen von kaum mehr als zwei Metern aufeinander folgten. Die armen Reisenden ging es ihm durch den Sinn, und er nahm sich dabei selber nicht aus. 

*  *  * 

Vor mir das lange, enge Rohr des Korridors. An seinem Ende große rechteckige Fenster. Im Augenblick trennen mich von ihnen mehr oder weniger vierzig Schritt. Bald schon „muß diese Entfernung sich verringern“. Ich schreibe das in Anführungsstrichen wegen der Überraschungen der Epilepsie, die mich in der letzten Zeit immer häufiger heimsucht. Aber ich lebe in der Hoffnung, daß sie mich an einem so feierlichen Tag in Frieden läßt. Ich weiß, daß mich am Ende des Korridors, hinter den großen Fenstern sechs Stockwerke erwarten und viele andere Dinge, für die ich mich nicht schämen muß, über die ich aber heute entschieden habe. 

Auf beiden Seiten des Korridors gibt es viele Türen, aber keine gehört mir. Ich hatte dieses Haus ausgewählt, weil mir die Architektur gefiel. Weil Korridore überhaupt keine Architektur haben. Alle erinnern an große Särge. Das macht ungefähr vierzig Schritte, vielleicht fünfzig. (Die kupfernen Türklinken wirken wie goldene Nägel.) Seltsam, daß ich so erschreckend nüchtern bin. Also, von der Entscheidung trennen mich vierzig, vielleicht fünfzig Schritt. Wenn ich nicht so überaus mutlos wäre, könnte ich an eine dieser Türen klopfen und die Entfernung um einige Sätze erhöhen, die ich mit türöffnenden Person wechseln müßte. Ich frage mich nur, ob das nicht die Gradlinigkeit meines Vorgehens stören würde, ob das nicht der Feigheit oder der Angst einen Vorteil einräumen könnte. Aber eher nicht. Letztlich würde ich in keiner Weise die Regie übernehmen und die ganze Schönheit dieses Abenteuers verlieren.

Also, bis zur ersten Tür sind es nach Augenmaß acht Schritt. Um diese Schritte müßte ich die Entfernung verringern, dann an die Tür klopfen und den Verlust von acht Schritten durch einige Sätze, die ich mit der unbekannten Person wechseln würde. Zwischen diesen Türen und mir würde mich vermutlich nichts aufhalten. Vielleicht irgendeine Photographie, ein Bild an der Wand, aber da ist nichts. Die Folgen des Gesprächs sind im einzelnen nicht abzuschätzen. Sagen wir, an der Tür zeigt sich eine schöne Frau, die mein Begehren erweckt. Oder irgendein Mann, der mich mit einem verdächtigen oder gar verächtlichen Blick mißt, und ich habe plötzlich Lust, ihm in den Bauch zu treten. In dem Fall …

Ich kenne mich genau und weiß, daß ich nicht den kleinsten Rückzieher mache. Und doch, irgendetwas hielt mich zurück, den ersten Schritt zu tun. Mir scheint, nach dem ersten Schritt würde alles überhastet ablaufen, und ich würde die mir so wichtige Klarheit des Denkens einbüßen. Vielleicht wäre es besser, die Strecke zum Fenster schnell zu überwinden, um sich mit aller Kraft des gewonnen Schwungs dagegen zu werfen. Auf diese Weise wüßte ich genau, ob die mich trennende Entfernung vierzig oder fünfzig Schritte mißt oder noch mehr. Ich überprüfe meinen Entfernungssinn, mehr nicht. Aber das ist zu armselig.

Aber was ist nicht armselig? Warten Sie eine Minute, erlauben Sie mir, ein wenig widersprüchlich zu sein und die Bestellung in einen anderen Korridor zu verschieben. Er wird ein wenig länger sein, Bilder an den Wänden, der Teppich mit andern Mustern. Gut, dann müßte ich Schluß machen und ein anderes Haus suchen. Mit weniger Stockwerken, als das worin ich bin, aber die Korridore sind garantiert die gleichen wie in diesem.

Also kenne ich mich letztlich nicht … Ich kann mich nur damit trösten, daß ich andere Korridore nicht kenne. Ich weiß nicht, was ich tun soll und worüber nachdenken. Umkehren, das ist wie der verlorene Sohn, der ich einmal war aber nicht mehr bin. Bleiben, warten auf einen Vorwand, auf eine Schar schreiender Kinder, die gleich die Treppe herauf und auf mich zukommt und mich überfährt, zerstört und entführt … zu einem anderen .. einem besseren Märchen ...?


*  *  * 

Veröffentlicht  1959 in Życie Literackie

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