Samstag, 14. Dezember 2024

Anfang und Ende

Paplo

Kafkas mag, was die Absonderlichkeiten anbelangt, auf seine Art ähnlich eigentümlich wie Pavese sein oder vielleicht auch nicht, die Unterschiede sind jedenfalls groß. Kafkas Figuren haben vordringlich mit Beamten seltsamer Art zu tun, Parvese mit weiter nicht auffälligen Jugendlichen. Von Paveses einzigartiger Begeisterung zu den Hügeln weiß Kafka nichts, die Hügel aber noch schöne, die Pflanzen und die Bäume scheinen wichtiger und klüger zu sein als die Menschen, eine Überlegung, die Kafka ganz und gar fremd wäre. Mehr noch als die Bäume begeistern die kahlen Hügel, die aussehen wie Asche, quelle colline spleta che sembrano cenere, das ganze ist ein Tanz. Pavese erzählt nicht von den Kindern und nicht von den Alten, sein Personal muß um die zwanzig Jahre alt sein und kaum älter als vierzig, sie haben kein festes Einkommen und keinen festen Beruf. Die Weisheit der Alten, wenn es diese Weisheit denn gäbe, wird nicht wahrgenommen. Pavese ist dann auch in diesem frühzeitigen Alter aus dem Leben gegangen, wie im übrigen auch Kafka, der eine freiwillig, der andere unfreiwillig dank einer Krankheit. Der Tod ist aber längst nicht alles solange man lebt, der beschwerliche Umgang mit den Frauen einerseits und den Männern andererseits ist schwankend und anscheinend endlos für Paplo den Musikanten, wer glaubt, man habe bald die Gemeinsamkeit erreicht, täuscht sich. Nicht nur der Musikant leidet unter sich ausweitenden Faschismus.



Freitag, 13. Dezember 2024

Unerwartet

Im Wald

Beim Gang durch den Wald stößt man immer wieder auf unerwartete Dinge. Der Freund war schon einige Schritte voraus als er ein wenig beiseite, im Wald, einen unerwarteten Begleiter erblickt. Die beiden stoßen auf einen umfassenden Katalog sich streitender  Beamter, das Verständnis der beiden ist gering. Gleichwohl lesen sie die gesamte Lektüre von vorne bis hinten. Witek liest, beide wissen nicht, was damit anzufangen, Witek besteht aber darauf alles bis zu Ende vorzulesen. Was sie lesen ist überwiegend unverständlich. Sie sind ratlos. Szerucki, der eigenlich schon genug hat, hört zu. Sie legen die Lektüre nieder, beide wissen nicht, was damit anzufangen, Witek besteht aber darauf alles bis zu Ende vorzulesen. Was sie lesen ist ihnen überwiegend unverständlich, der Streit der Beamten undurchsichtig. Sie sind ratlos, was damit anzufangen. Sie entschließen sich, die Akten am ursprüglichen Ort abzulegen. Werden sie irgendwann wieder augefunden?


Mittwoch, 11. Dezember 2024

Im Wald

Einsamkeit


Was ist schöner als ein Wald ohne Menschen abgesehen von dir selbst. Man geht entlang des Weges, oben in den Eichen ein  Eichhörnchen, das dann schnell verschwunden ist, einige hundert Meter weiter ein Wolf, der ratlos aus dem Gestrüpp hervorschaut. Er schüttelt den Kopf und verzieht sich. Im weiteren Verlauf zeigen sich noch zwei Igel. Bei der Betrachtung der Tiere und der Bäume hat er unversehens den Weg verloren, er hat sich verirrt und den Weg aus der Sicht verloren. Ein wenig verunsichert setzt er sich auf einen Baumstumpf um die Lage zu überdenken, viel kommt dabei nicht heraus. Er denkt an etwas anders, an den Sorgen vorbei, dann fallen ihm die Heidelbeerpflanzen rings um ihn herum, die reichbehängten Heidelbeerpflanzen rundum locken ihn an, viele wurden verzehrt. Er ist guter laune, if I were a blackbird, I'd whistle and sing.


Dienstag, 10. Dezember 2024

Begegnung

Man trift sich

Er sah aus dem Fenster, müde, halb lag er da. An der Kirchenecke bog ein Bekannter ein, ein Kaufmann, ein alter Mann mit schütterem langen Bart. Er bemerkte mich, freute sich offenbar mich zu sehn und rief, ob ich nicht mitkommen wollte ... die Erlährung ist nicht vollendet, man weiß daher auch nicht, wie es weitergeht. Beide sind offenbar nicht vorbereitet auf das Treffen, jedenfalls möchte der Kaufmann, daß der Mann am Fenster ihn begleitet, der lehnt ab oder zögert zumindest noch. Es sind alte Bekannte, die sich aber nicht oft begegnen, man weiß nicht, enge Freunde oder keine engen Freunde. Ein Treffen war jedenfalls nicht erwartet, es sieht zunächst auch nicht so aus, als sei der Mann am Fenster sichtbar erfreut. War der Kaufmann noch aktiv als Kaufmann, oder war er bereits Rentner? Kommt es zu einigen notwendigen Erledigungen des Kaufmanns und daran anschließend zu einem gemeinsamen Spaziergang im Wald? Noch viel Möglichkeiten sind offen.



Sonntag, 8. Dezember 2024

Zu Haus

Allein

Man muß nicht aus dem Haus gehen, man bleibt bei seinem Tisch und horcht, horcht und wartet. man horcht nicht einmal, wartet nur. Man wartet nicht einmal, man ist völlig still und allein. Gegen Mittag verläßt man das Haus, man braucht die freie Luft. Menschen gehen wie gesagt vorbei, auch ein Mädchen geht vorbei, ein sehr schönes Mädchen. Menschen gehen vorbei, nicht in großer Zahl, vor allem, gottseidank, nicht das immer wachsende Ferienvolk, das längst über das ursprüngliche Maß hnausgegangen war, für einen Augenblick hatte es sich jetzt verzogen. Er kehrt ein, ißt ein wenig, trinkt ein wenig. Was will er noch länger, erfrischt macht er sich auf den Rückweg und ist für den Rest des Tages wieder in seinem Haus.


Donnerstag, 5. Dezember 2024

Mailand

Kurzaufenthalt


Es konnte sich um nichts und niemand handeln als nur um lauter Mailänder und Mailänderinnen. Den Bus mußte er verlassen wegen Unstimmigkeiten mit den anderen Passagieren, das Aussteigen aus dem Bus war ein schlechter Augenblick, für die anderen schien er es auch zu sein, war es aber nicht. Er gelangt zu Luciana, die ihn die während der nächsten zwei Tage verwöhnt. Die folgende Station ist die Fahrt zum Konsulat, es gilt, einen neuen Paß zu besorgen. Die Franziskanerschwester hatte in Desenzano bereits im Zug gesessen. Die Schwester las ihr Brevier, ihr gegenüber ein Mädchen, nicht minder versenkt in seine Lektüre, einen Bilderroman. Von vollendeter Schönheit waren sie beide. Im Konsulat erwartete ihn eine Artistenfamilie, zwei Mädchen, das eine mit einem Windrädchen, die andere mit einem Teleskop, die Nonna in einem Seidenkleid, beschäftigt mit einer Häkelarbeit, das Oberhaupt der Truppe trug einem weitkrempigen Strohhut. Der neue Paß, um den es ging, wurde ihm, dem einsamen Reisenden, im Konsulat umgehend ausgehändigt. Als er heraustritt aus dem Konsulat, erwartet ihn ein sehr windiges Wetter und Menschen, lauter Mailänder und Mailänderinnen, die quer über das Pflaster hasten,. Seines Bleibens ist hier nicht, am Abend ist er bereits unterwegs nach Verona.






Mittwoch, 4. Dezember 2024

Weltwunder

Einst und Heute

Die Überlieferung der sieben Weltwunder war immer von dem Gerücht umgeben, daß noch ein achtes Weltwunder bestanden habe und es wurden auch über dieses achte Wunder verschiedenen Mitteilungen gemacht. Die Pyramiden von Gizeh, die Zeus Statue des Phidias, der Artemis-Tempel und so weiter nicht alle sollen hier genannt werden ganz abgesehen von dem vermuteten achten Wunder, von dem man aber nicht wußte, ob er tatsächlich existiert. Heutzu Tage sind die Weltwunder nicht mehr in aller Augen und erstaunen nur wenige, allenfalls das Ferienvolk wäre erstaunt, wenn es denn erstaunt sein könnte. Die in den Hintergrund geratenen ehemaligen Weltwunder sind jetzt Gegenstand einer unauffälligen Wissenschaft. Die Weltwunder beruhen nun auf anderen Gesichtspunkten, zu nennen wären neben vielem anderen die Raumfahrt oder die Künstliche Intelligenz. Wie wird es weitergehen, was sagt der sogenannte liebe Gott?


Dienstag, 3. Dezember 2024

Brücken

Vorzüge

Er kam mit der Eisenbahn von weit her, von wo weiß man nicht. Er bevorzugt Städte mit Fließgewässern und Brücken, es könnte zum Beispiel Augsburg sein, letztlich vorgezogen aber sind Städte aus Polen, offenbar seine Heimat. Nicht die Stadt und nicht die Bewohner interessieren ihn sonderlich und auch nicht die Häuser und Kirchen, und seien sie auch noch so schön, sondern das Wasser und die Brücken über das Wasser und das immer wieder. Er geht schließlich weiter, in anderer Richtung aber, ohne die Lust zu verlieren, mit einem ähnlichen Ziel, einer anderen Brücke. Man lehnt sich an das Geländer einer Brücke und dann wieder an das Geländer einer anderen Brücke und dann wieder einer dritten Brücke und so weiter. Schließlich hält man inne und raucht eine Zigarette. Vor jeder Brücke senkt man den Kopf und schaut herab. Schließlich hält man inne und raucht eine Zigarette, nicht die einzige, nicht die letzte des Tages. Schließlich hält man inne und raucht wieder eine Zigarette, nicht die einzige, nicht die letzte. Es ist aber kalt, przekleta zima, dobre lato, verfluchte Kälte, herrlicher Sommer, nur schwer kann man sich befreien, aber schließlich muß es weitergehen.



Montag, 2. Dezember 2024

Vater und Sohn

Eigentlich unerlaubt

Sein Vater war nicht der, den er sich erwünscht hatte, auch im ausgewachsenen Zustand des Jungen blieb das Verhältnis zwischen Vater und Sohn vorsichtig gesagt zurückhaltend. Während bei ihm die Einzelheiten versteckt blieben, erzählt Kafka im Umfang von mehr als fünfzig Seiten so gut wie alles über seinen Vater und sich selbst. Noch während seines Sterbens forderte Kafka von Max Brod alle Texte zu vernichten, sofern sie nicht bereits veröffentlicht waren. Brod ist dem nicht nachgekommen. Fragwürdig war ins besonders die Veröffentlichung des Brief an den Vater, den Kafka allein und nur für sich schreiben wollte, Brod hat auch das mißachtet. Inzwischen muß man sagen: längst zu seinem und unserem Vorteil. Der Brief an den Vater, war nicht für ein Publikum gedacht, sondern allein für Kafka, den Autor selbst, tatsächlich aber ergab sich nach Veröffentlichung des Briefes ein immer noch endloses Staunen des Publikums. Der Brief an den Vater ist besonders umfänglich. Zunächst geht es allein um den Vater, dann aber auch um den Sohn. Der Vater sieht sich als Chef und Anführer, der Sohn, Kafka also, sieht sich zu Recht, wie er meint, als Niete. Zu seiner eigenen Überraschung war er es, dem niemand in seinen Leistungen gleich kommen konnte, das Lernen fiel ihm in den Schoß. Der Vater schweigt im Hintergrund.



Sonntag, 1. Dezember 2024

Überrollt

Pokatulkalo go i kaput

Er ist oft mit der Eisenbahn gefahren, nach Wien, Venedig und sonstwo, ein Unglück mußte er nicht erleiden. Anders ist es  Zbigniew Cybulski, dem sogenannten polnischen James Dean, ergangen. Er war es gewohnt im letzten Augenblick herbeizulaufen und auf den bereits angelaufenen Zug zu springen, dies Mal war es das letzte Mal. Es hatte sich bald schon rumgesprochen, pokatulkalo go i kaput, es hat ihn erwischt und fertig, hieß es unter anderem. Es war in der Frühe, wissen einige, im Sprung auf den letzten Waggon gelangt, aber an der vorderen Tür. Er wollte sterben und er starb, sagte einer, to jest los, das ist das Schicksal. Soweit, wenn auch nicht so gut. Pradera raucht seine Zigaretten und nimmt an den Überlegungen der anderen nicht teil. Wieso, fragt er sich, kann der Verlauf der Zeit nicht für einen Augenblick innehalten und umgedreht werden, die Abfahrt des Zuges nicht wiederholt werden? Man stellt sich vor, Cybulski kommt im letzten Augenblick herbeigesprungen, Pradera stellt sich ihm entgegen, der Zug fährt davon, Cybulski ist außer Gefahr. Oder: Pradera sitzt schon hinten im Zug und hilft Cybulski beim  Einsteigen, er ist außer Gefahr. Sein Vorhaben, so oder so, läßt sich aber gegen alle Vernunft nicht verwirklichen.

 

Freitag, 29. November 2024

Unsichbare Bewohner

Leere Stuben

Der Himmel war ein ebenmäßiges, kaum sich lichtendes Grau, die Straßen leer, rein und still, irgendwo bewegte sich langsam ein Fensterflügel der nicht befestigt worden ist, irgendwo wehen die Enden eines Tuches, das über ein Balkongeländer in einem letzten Stockwerk gelegt ist, irgendwo flattert leicht ein Vorhang in eine offenen Fenster, sonst gibt es keine Bewegung. Die Anlagen hinter dem Balkongeländer sowie die hinter dem flatternden Vorhang und dem offenen Fenster sind offenkundig bewohnt, man kommt aber niemanden zu Gesicht. Sind die Anlagen doch für kurze Zeit unbewohnt oder nur von einer einzigen Familie bewohnt, die man nicht zu Gesicht bekommt? Vielleicht sind alle Bewohner des Hauses an eine Mittagsruhe bewohnt, so daß sie aus diesem Anlaß nicht zeigen, oder  sind sie entwichen und für alle Zeiten verschwunden? Möglicherweise auch hat man es mit einer besondere Volksgruppe die sich jeweils in der Mittagszeit zurückzieht und längere Zeit betet. Die Stille ist jedenfalls wunderschön.




Donnerstag, 28. November 2024

Nomaden

und Indianer

Öfters hatte er von den Indianern gesprochen, ohne von ihnen viel zu wissen oder von Ihnen zu sprechen. Mehr hörte er von den Nomaden, unter diesen neben anderen auch Indianer, nicht ausschließlich Indianer, aber doch viele. Von den anderen Nomaden hoben sie sich deutlich ab. Sprechen konnte man mit den Nomaden aber auch mit den Indianern nicht. Die Nomaden verstehen die Indianer nicht und die Indianer nicht die Nomaden. Wie die Nomaden verstehen sich auch die Indianer untereinander nicht, jeder Stamm hält die anderen Stämme für Menschen ohne Sprache. Die Nomaden verstehen sich untereinander wie die Dolen, immer wieder hört man deren Schrei. Was die Nomaden mögen, essen sie. Sie verschlingen Mengen von Fleisch, und, man glaubt es nicht, auch ihre Pferde fressen Fleisch. Die Indianer sind dem gegenüber geradezu zivilisiert. Verständlich, daß die einen die anderen verachten und sie aus dem Land drängen, kein Frieden unter den Menschen, wer es auch ist. Das Schicksal der Menschheit ist, daß man sich nicht versteht. Nur dem Erscheinen nach sind sie zivilisiert, was immer man auch darunter versteht.



Donnerstag, 7. November 2024

Coltello

Glückselig

Wollte Cinto nun das Geld oder das Messer?  Naturgemäß wollte er das Messer, so wie es ihm versprochen war. Sein Freund, der ihm begleitete, fragte, ob denn sein Vater mit dem Messer einverstanden sei. Die Antwort war, er würde den Vater umbringen, wenn er ihm das Messer wegnähme, so die Antwort, die fraglos nicht ernst zu nehmen war, vielmehr nur ein Scherz, der die Bedeutung des Messers hervorhob. Nach längerem Sehen und Überlegen entschied er sich für das schönste Messer weit und breit. Er hielt das Messer in der Hand, klappte das Messer in der Hand, ließ die Klinge prüfend über die Handfläche gleiten und entschließ sich für Taschenmesser mit zwei Schnappklingen und einem Korkenzieher. Alle Wünsche waren erfüllt, er konnte glückselig nach Hause gehen. Mordversuche mit dem Messer waren zu dieser Zeit noch nicht populär. Allerdings wäre es nur vernünftig gewesen, den Vater bald schon umzubringen, die meisten hätten dann überlebt. Stattdessen hatte er auch noch sein Messer verloren, Cinto war hochgradig gefährdet.




Dienstag, 5. November 2024

Aufbruch

Ende

Das Holzfällen ist für diese Jahr beendet, Pradera, wir haben ihn schon kennengelernt, möchte so schnell wie möglich zu seiner geliebten Galazka Jablona zurückkehren, sich zunächst aber noch von Michal, seinem besten Freund, verabschieden, der ist aber nicht anwesend. Pradera hinterläßt ihm eine Notiz, auch Babcia Olenka, die ältere, immer herzliche Frau ist nicht anzutreffen, auch ihr hinterläßt er ein  herzhaftes Wiedersehen. Er macht sich auf den Weg, die Straße ist in seinen Augen ein Umweg, er entscheidet sich für das freie Feld. Es geht gut voran, dann aber schneit es und schneit immer heftiger, der Weg ist schließlich nicht mehr zu sehen, den langen Umweg zurück zum Wald lehnt er ab. Wszytko jedno, aber nicht lange. Es schneit immer heftiger, wo ist man jetzt, es wird immer undurchsichtiger, die Wege sind unterm Schnee verschwunden. Bald hört und sieht man von Pradera nichts mehr, man kann aber noch hoffen.


Montag, 4. November 2024

Unterholz

Lebensart

Er, Kafka, wollte sich im Unterholz verstecken, mit einer Hacke bahnte er sich ein Stück des Weges, dann verkroch er sich und war verborgen. Eine Reihe von Fragen tut sich auf. Haben mehrere Menschen eine Unterkunft im Unterholz, Genossen sozusagen, oder ist er Einzelner verborgen als solcher. Sucht er für eine gewisse Zeit eine Ruhepause und Erholung von  seinen Amtsgeschäften. Wie auch immer, er will und darf nicht verhungern. Die Nahrungsbeschaffung ist für den Betrachter undurchsichtig, hat er Eßbares mitgebracht oder gefunden im Unterholz, kommt er ohne Geld aus? Denkt er an einen dauerhaften oder jedenfalls längeren Verbleib oder nur für wenige Übernachtungen? Wahrscheinlich ist das Leben in Unterholz weder lang noch kurz, er will in Ruhe schreiben, das Unterholz ist ein günstiger Ort. Kafka hat sich dazu nicht geäußert, jedenfalls konnten wir es nicht hören.

 

Samstag, 2. November 2024

Vater und Mutter

 Nicht einfach

Nur selten sind Väter und Söhne der gleichen Meinung oder ein Vater einverstanden mit seinem Sohn. Kafka hat den Eindruck, daß er unter der ständigen Aufsicht und Störung des Vaters nichts erlernen kann, er täuscht sich. Zu seinem Erstaunen erreicht er in der Schule die besten Zäsuren und die Anerkennung der Lehrer. Schon bald verdient er selbst sein Brot. Anders als Vater und Sohn und weitaus freundlicher verhalten sich die Väter zur Tochter. Die Mutter ihrerseits liebt in der Regel besonders den Sohn, kommt meistens aber auch mit den Töchtern gut zurecht. Kafka nähert sich der einen oder der anderen Frau, weit gegenüber allem anderen fesselt ihn aber das Schreiben, zu einer Ehe kommt es nicht. Was den Haß des Vaters anbelangt, geht Edward Stachura Vaters weit über alles hinaus. Stachura mußte vor dem Vater für längere Zeit wahrhaftig fliehen, er war für längere Zeit verschwunden. Später sieht man Besserung und Frieden, Vater und Sohn arbeiten und sprechen miteinander. Unabhängig davon ist der Sohn aber bald schon verstört, es mag zusammenhängen mit der Trennung von Zyta Orszyn, seiner Frau. Er gerät unter einen Zug, zunächst ohne tiefgreifende Verletzungen und Schmerzen. Er wohnt dann zunächst bei seiner Mutter, die alles Denkbare für ihn tut. Er staunt über ihr mehr als liebevolles Verhalten, weit mehr als bloße Zuneigung, selbstverständlich ist für sie der regelmäßige Kirchgang und Gottes Hilfe. Alles scheint sich zum Guten und zu einem neuen Leben zu entwickeln. In Warschau sind einige einfache Dinge zu ordnen und dann zurück zur Mutter. Am 24. Juli 1979 hat Stachura sich in seiner Warschauer Wohnung erhängt.



Freitag, 1. November 2024

Waldungen

Ungleich

 

Der Wald ist immer eine Verlockung, auch wenn seine Erscheinungen sehr unterschiedlich sind, als Unterholz etwa oder als Mamutbäume. Betrachten wir verschiedene Formen des Waldes. Dieser Waldweg ist deutlich erkennbar, nur über ihn führt die Aussicht auf einen Himmelsstreifen, überall sonst ist der Wald dicht und dunkel. Man verirrt sich und kommt für einige Schritte vom Weg ab, aber immer findet man sogleich wieder zurück zum Weg. Ganz anders geht es zu im Unterholz. Der Wanderer sieht aus wie Kafka und will sich im Unterholz verstecken, mit einer Hacke bahnt er sich ein Stück des Weges, dann verkriecht er sich und ist, wie es aussieht, Zeit seines Lebens im Unterholz verborgen.







Donnerstag, 17. Oktober 2024

Holzfällen

 Buda

Die Holzfäller erhalten eine neue, bessere buda, deutsch Bude oder auch Hütte, tagsüber als ein Unterschlupf, als Ruhe und als Erholung für die Männer. Die neue Bude ist bei weitem besser als die bisherige. Die Frauen müssen draußen bleiben, man stutzt, die Männer sind anscheined keine Gentlemen. Man muß aber folgendes beachten: Die Männer sind zahlreich, nicht alle Frauen könnten zusätzlich unterkommen. Einzelne Frauen würden sich untereinander zunächst nicht wohlfühlen, das ändert sich aber bald. Das Wetter ist gut, die Frauen sind schließlicht mehr als zufrieden, sie können plaudern ohne daß ein Mann sich einmischen würde. Man muß sagen, alle sind mehr als zufrieden, niemand ärgert sich. Dann müssen die Holzäller wieder arbeiten gehen, die Frauen können, wenn sie wollen, jetzt das Leben in der Bude genießen, wenn auch nur für eine kurze Zeit.

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Grine

Verkürztes Erzählen

Der Autor hat es hier mit jugendlichen, unfertigen Gestalten zu tun, er selbst fühlt sich bei seinem fortgeschrittenen Alter nicht angesprochen. Anders Kafka, allerdings auch er eher noch jugendlich. Grine, teilweise auch Grüne genannt, wie auch immer, heute jedenfalls von vielen begrüßt, es sind aber unfertige Gestalten nach weitgehender Übereinkunft. Umso mehr ist es überraschend, wenn sie zu einer politischen Versammlung antreten. Es ergibt sich das folgende: Kafka greift in das Geschehen ein, und bestätigt, daß es sich um unfertige Personen handelt, Frauen und Männer, Junge und Alte, Auswanderer, Grünhörner, einzelne Gruppen mit ihrem schmutzigen Reisegepäck. Das Publikum sammelt sich und staunt, man hat den Eindruck, daß es sich um eine größere Auswandergruppe handelt. Schon sind alle fern und man kann sie nicht mehr hören.


Dienstag, 8. Oktober 2024

Ein Tag

Anfang und Ende

Minęło kilka dni, es vergingen einige Tage, für Pradera ein entscheidendes Kapitel. Einige Tage sind nicht das gleiche wie ein Tag und dann ohne Abstand ein zweiter Tag und dann wieder ein dritter Tag mit Abstand, eher das Gegenteil. Ein jeder Tag sollte nach dem Erwachen ein neuer Tag sein und, wie alle Tage, ein unvergleichbarer Tag, ein Heiligtum. Der neue Tag ist aber keineswegs eine Vernachlässigung oder Herabsetzung der älteren Tage, kein Tag soll auf Dauer vergessen sein, einzelne, sie mögen für eine gewisse Zeit im Leben nicht bedacht sein, dann aber zurückkehren, nicht in der Zeit verschleppt und mißbraucht, vielmehr immer wieder  zurückkehren und wahrgenommen werden. Der neue Tag mag an die Stelle eines erwachenden, wieder auflebenden Gottes treten, eine haltlos ununterbrochene Reihe von  Tagen ist wertlos.



Montag, 7. Oktober 2024

Pavese und Stachura

Todesfroh

Cesare Pavese, der Italiener, und Edward Stachura, der Pole, haben sich nicht gekannt, ihre Bücher haben einen unterschiedlichen Klang, die beiden Autoren ähneln sich nur darin, daß sie sich, der eine und der andere, im Alter von gut vierzig Jahren umgebracht haben. Pavese hatte nach eigener Einschätzung und nach Einschätzung der Leser seine beste Erzählung (La luna e i falo) abgeschlossen und sich auf den Höhepunkt seiner literarischen Könnens nur wenigen Tage später, ohne klaren und einleuchtenden Anlaß und zum Entsetzen seiner langjährigen Leser, vergiftet. Nach eigenen Worten war er mit seinem Leben so zufrieden wie mit seinem Tod zufrieden. Stachura war nach Abschluß seiner zwei Romane (Cala jaskrawosc und Siekierezada) und einer Reihe von Kurzgeschichten mit seinem weiteren Schreiben literarisch am Ende. Als er getrennt von seiner Frau im Ausland wohnte, waren die beiden ein Herz und eine Seele, nach seiner Rückkehr dann bald nicht mehr, man weiß nicht warum. Stachura deutet bereits in seinem zweiten und wohl besten Roman seinen Tod auf der erzählten Grundlage eines schlimmen Schneesturms an. Einige dachte zudem an den gescheiterten Umgang mit der geliebten Frau, andere dachten anders. Der Zusammenleben dann mit seiner geliebten alten Mutter schien Stachura zu retten. Er erhängt sich aber unerwartet während eines kurzen Aufenthalts in Warschau.

 
                                                                          

Freitag, 4. Oktober 2024

Versammlung

Kurzfassung

Mehrere Männer waren versammelt gewesen, man weiß nicht zu welchem Zweck, die Versammlung löste sich auf. Während man sich schon auf den Abschied vorbereitet, werden noch einmal die schönen Mädchen bewundert, die allerdings nur wenige zu Gesicht bekamen, allen voraus sein Bekannter. Als er das Gebäude und die Anlage verließ, nahm er die Hausfrau und das Stubenmädchen wahr, ergänzend und nicht grade willkommen folgte ihm sein Bekannter. Er selbst wurde plötzlich übermütig, er warf im Sprung seinen Hut empor, sein Bekannter folgte ihm zunächst weiter nicht, er war still. Dann aber begann er eine Melodie zu summen und seinen Gang zu beschleunigen, ihn aber überfiel eine Schwäche, er möchte allein in seine Wohnung gehen und dort bleiben, seine Beine wurden müde, sein Bekannter aber ging fröhlichen Schritt weiter. Sie sind komisch sagte der Bekannte zu seinem Gefährten, den er seinerseits liebevoll anschaute. Sein Gesicht fand er schön, kein Wunder, daß die Frauenzimmer ihn anhimmelten. Sie standen beide am Geländer, sein Bekannter streckte sich, er selbst war zurückhaltend und ein wenig verstört. Er schaute auf die Uhr, war sein Bekannter herzlos? Wäre es besser wegzulaufen? Er lief weg und flüchtete in die Kirche, kam dabei aber zu Fall. Es krachte. Beim Aufstehen fiel er wieder hin, ohne sich aber zu verletzen, sein Bekannter fragte gleichwohl nach seinen Schmerzen. Er schaute nach den Sternen, hatte aber ihre Namen vergessen. Sein Bekannter faßte ihn bei der Hand, er antwortete nur mit ja, ja. Ist ihm dieser Mensch, sein Bekannter, gleichgültig? Jedenfalls ist er ungefährlich. Also geh mit ihm weiter, aber laß ihn reden und vergnüge dich auf deine Weise.



Donnerstag, 3. Oktober 2024

Entspannt

Unerwartet

Kafka kennt auch freundliche Momente, man hatte sie bei ihm eigentlich nicht erwartet. Diesmal war es eine kleine Gesellschaft am Abend beim Tee. Ein Vogel unflog sie, ein Rabe, zupfte den Mädchen die Haare  und tauchte den Schnabel in die Tassen. Die Mädchen kümmerten sich nicht um Kafka, sangen und lachten, da sang und lachte er mit. Nur wenige Tage später fand er sich auf einer erhöhten Terasse unter einem von Säulen getragenen Dach. Drei Stufen führten zum Garten hinab. Vollmond war und eine warme Juni Nacht. Alle waren sehr lustig, wir lachen über alles, wenn in der Ferne ein Hund bellte, lachten wir darüber. Man kann von einem entspannten Leben sprechen. Alsbald aber ändert sich schon die Sachlage, ein Wächter macht plötzlich seine Runde, was aber haben wir mit ihm zu tun?


Dienstag, 1. Oktober 2024

Dunkel

Dwa

Das Gebäude ist riesengroß, die Zahl der Beamten läßt staunen, ich öffne das Haus, niemand ist zu sehen. Wo sind all die Beamten hin, wo sind sie geblieben? Es handelt sich wohl aus besonderen Anlaß, aus besonderen Grund, daß sich alle in die zweite Etage zu einer Besprechung zu versammeln. Falsch, ich öffne die Tür zur zweiten Etage, niemand ist anwesend, in der dritten und vierten Etage ist es nicht anders, überall Stille. Durch eine Öffnung in der vierten Etage kann man auf das Dach klettern. Auch hier war zunächst nichts und niemand zu erkennen. Aber dann war jemand anwesend. Ich ging auf ihn zu und gesellte mich zu ihm, mit anderen Worten: doszedłem do niego i stanałem za nim. Er stand hinter mir, er trug einen schwarzen Anzug und einen schwarzen Hut. Ich wußte nicht recht was tun, man hörte ihn nicht. Er drehte sich um und wir standen Gesicht zu Gesicht. An weiteres kann ich mich nicht entsinnen, nur, daß auch seine Augen dunkel waren.

Sonntag, 22. September 2024

Navajos

Verschiedenheit der Menschen

Um die Amerikaner hatte er sich wenig gekümmert, um die amerikanischen Indianer noch weniger, er beachtet die gar nicht. Das ist bei Kafka ein wenig anders. Er war vielleicht siebzehn Jahre alt, ein Indianerbuch fällt ihm in die Hände, sein Interesse bleibt aber gering, den Indianerstamm erkennt er nicht, mithin auch nicht das Verhalten der sogenannten Rotheute oder die Indianersprache, die keineswegs leicht zu erlernen und zu sprechen sind. Einige Worte fielen ihm auf, er merkte sie sich so gut wie möglich, Eindruck haben sie ihm letzten Endes aber so gut wie nicht gemacht. Und dann schaut man in The Navajo Language von Young and Morgan und fragt sich hilflos, wie man das, diese Sprache denn verstehen soll. Spaziergänger trifft man auf der Insel im Teich, sie sind still, man hört sie nicht.

 

 


 

Mittwoch, 4. September 2024

Pijana kobieta

Eine betrunkene Frau


Alkohol bekommt ihm nicht, er trinkt, falls überhaupt, nur in sehr kleinen Dosen und nur bei bestimmten Gelegenheiten. Ganz anders ist es bei dieser keineswegs unschönen aber immer wieder auffälligen betrunkenen Frau, niemand kennt sie, niemand kann sie übersehen oder überhören, ihre Worte sind bestenfalls albern. Das Trinken ist weit verbreitet, Männer trinken miteinaner, Frauen ebenfalls, mit Gottes Hilfe sind sie allerdings in geringerer Zahl. Aber grade die Vielzahl führt die Männer zu einer geringeren Beachtung, versammelte Frauen, wenn auch meistens zu niedgrieger Zahl, führen zu mehr Beobachtung ohne allerdings größeres Aufsehen zu erregen. Anders sieht es in der Festversammlung mit einer einzelnen betrunkene Frau aus. Sie ist allein, dafür aber intensiv. Sie offenbart eine schrille Einsamkeit, man hört ihr nicht zu, man leidet unter ihr, ja man fürchtet sie. Man muß es aber hinnehmen oder fliehen.


Dienstag, 3. September 2024

Indigene Völker

Den Tod nicht meiden

Die Amerikaner interessieren ihn nicht, noch weniger die sogenannten Wilden, die er nicht kennenlernt. Das ist bei anderen anders, zumal die von Karl May dem Publikum vorgeführten Indigenen seit jeher entzücken. Es ist bei allen Stämmen das gleiche. Die Indigenen selbst sehnen sich nach dem Tod, heißt es, richtiger ist aber wohl, daß sie den Tod nicht fürchten, und auch das ist wohl nicht ganz zutreffend. Sie verlangen nicht den Tod, der Tod verlangt sie, wie letzthin uns alle, die Indigenen bei ihrer Lebensform freilich umso mehr. Die Wilden, um bei dieser Benennung zu bleiben, haben Freunde, anders gesagt Genossen, der von diesen Genossen angeblich wahrgenommene Gestank wäre ein förderlicher Gestank, tatsächlich aber wohl ein Aroma der Wahrheit. Der ganze Stamm könnte friedlich im Grase liegen, als würde nichts geschehen. Die Angst ist sicher nicht verschwunden aber in keiner Weise sichtbar für die anderen.


Montag, 2. September 2024

Eheleben

Suka

Auch unter Literaten ist das Eheleben nicht immer nur sanft, geschweige denn unter der hart arbeitenden Bevölkerung. Gdzie ona, gdzie ta suka, wo ist sie, wo ist die Nutte, erkundigt sich Kasiuk bezüglich seiner Ehefrau, zu einer sachbezogenen Antwort kommt es nicht, nur zur Wiederholung der Frage: Gdzie ta suuuuuuka? Kasiuk ist parat zu einer umfassenden Zerstörung, er greift zum Beil, Peresada, eher klein aber flink und ungehört gewieft, greift zum emporgehaltenen Stuhl, der ihn absichert. Die Zuschauer sind entzückt. Als der erste Stuhl zerstört ist, greift Peresada zum nächsten et cetera, seine Technik ist frappierend. Du Sau du, läßt Kasiuak wissen, gemeint ist weiterhin seine Frau. Ein Junge schaut längere Zeit schon still und ohne Rührung vor sich hin, eine wichtige Gestalt, das Geschehen ermuntert ihn keineswegs. Du Nutte, klingt es auch jetzt noch, aber Kasiuk ist erkennbar erschöpft, no to fairant, jetzt aber Feierabend, verordnet Peresada, der die Lage erkennt. Die nicht geringen Kosten, die für Kasiuk anfallen (zersplitterte Stühle und anderes), sind noch nicht berechnet.


Sonntag, 1. September 2024

Rätselhafte Hand

Raucher

Es gibt hinreichend Hinweise, daß er ein vielseitiger Raucher war, auch wenn seine eigene Schilderung, der zufolge der Qualm unter der Tür seines Arbeitszimmers stetig hervordrang, wohl nicht wortwörtlich zu nehmen war. Auffällig war in jedem Fall, daß in seinen Büchern von Rauch und Nikotin nicht die Rede war. Bei dem polnischen Kollegen sah es ganz anders aus, für ihn war der Rauch der Zigarette ein in vieler Hinsicht wichtiges Moment. Beeindruckend ist das Bild, das ihn, den Raucher, die Zigarette, und, nahe der Zigarette, die im Augenblick nicht tätigen Finger zeigt. Hatte er sie, die Zigarette, gerade für sich belassen, oder will er gerade auf die Zigarette zugreifen? Man weiß es nicht, die Verwahrung zwischen den Fingern, Zeigefinger und Mittelfinger, ist wohl das entscheidende Moment für die Ruhepausen des Rauchens. Näheres ist nicht entscheidbar, jedenfalls ist der Pole verliebt in die Zigarette, er will ihre Nähe genießen, die Frage des Nehmens oder Gebens mit dem Finger ist sekundär. Eine weitere Frage: Hatte er die Zigarette mit einem Streichholz oder mit dem Feuerzeug entzündet? Auch das ist nicht festzustellen, das Streichholz ist jedenfalls das edlere und wahrscheinlich wohl auch das benutzte Gerät. 

Samstag, 17. August 2024

Gottesdienst

Ende

Seine Tätigkeit als Chorknabe und die Teilnahme am Gottestdienst gibt er schon bald auf und verlangt im weiteren Verlauf weiter nichts davon. Aber das ist nur eine stille Kleinlichkeit, er kommt sein Lebtag darauf nicht zurück. Ähnlich, wenn auch bei weitem unheilvoller, verläuft es bei Edward Stachura, er hat schon einen mißlungenen und verschwiegenden Selbstmordversuch hinter sich. Vor allem der Mutter zuliebe, die keinen Kirchgang ausläßt, kehrt er zum Leben zurück. Es  scheint er könne mit Hilfe der Mutter geläutert ins normale Leben zurückkehren. Nur für kurze Zeit will er noch einige wichtige Dinge in Warschau erledigen, bald wäre er zurück und, wie er verspricht, heimkehren zur Mutter. Er arbeitet weiter in Warschau und ordnet was anliegt. Am 24. Juli 1979 erhängt er sich unerwartet  in seiner Wohnung.


Samstag, 3. August 2024

So und so

Durcheiander

Zigarettengenuß und andere Formen des Rauchens sind umstritten, beziehungsweise, wie man es sehen mag, entweder verpönt oder aber verherrlicht. Der Kampf gegen oder für das Rauchkraut hatte zwischenzeitlich strenge Formen angenommen, England wollte den Rauch ganz entfernen, mit der neuen britischen Regierung wurde dann der Rechtszustand wieder verändert. Diese Veränderung wurde bei den Menschen je nach Gusto negativ oder aber positiv wahrgenommen. James Dean, ein allseits bekannter Raucher, kam im Alter von 24 Jahren ums Leben, keineswegs aufgrund das Rauchens, sondern dank eines Autounfalls, er war  nicht der einzige auf diesem oder ähnlichem Gebiet. Edward oder auch Edzio Stachura: man glaubt, er habe dank seiner Mutter den Todeszwang überwunden, je n'ai mal nulle part heißt es in der französischen Fassung, er segnete dann aber unbedacht das Zeitliche im Alter von 42 Jahren per Selbstmord, bis zu Ende in Begleitung einer Zigarette. Sebald, ein eifriger Raucher, starb seinerseits am 14. Dezember 2001 gelegentlich einer Autofahrt, soweit erkennbar ohne Schuld der Zigaretten. Nichtraucher und Raucher waren immer schon, das will noch gesagt werden, heftig und endlos zerstritten.



Donnerstag, 25. Juli 2024

Kafka

K. und K., Samsa und Gracchus

Der Schriftsteller hat Kafka im Auge, er nimmt an, daß Kafka gleich etwas scheiben wird, er schreibt aber nicht. Sonst ständig an seinen Erzählungen schreibend, schreibt er hier gar nicht. Er hat zu dieser Zeit den Rang eines Vicesekretärs. Er ist unterwegs, um an einem Kongreß teilzunehmen, Freude hat er nicht daran, er fühlt sich nicht wohl in dem Hotel, in dem man ihn untergebracht hat. Der Kongreß ist beendet, er fährt weiter nach Venedig und dann nach Desenzano, eine Wasserheilanstalt soll seine Gesundheit verbessern. Nebenbei hat er viel Zeit, er hätte zum Beispiel den Prozeß oder Das Schloß oder auch die Wandlung, Schriften mit romanartigem Umfang, vollenden können, jeder weiß, daß die drei Erzählungen nicht vollends abgeschlossen wurden. Der Prozeß, das Schloß und  die Wandlung zählen gleichwohl  zu Kafkas herausragenden Erzählungen. Die drei Bücher werden immer schmaler, das Schloß gut dreieinhalbhundert Seiten, der Prozeß zweihundert und die Wandlung  achtzig Seiten. Josef K. wird verhaftet, ohne daß er etwas Böses getan hätte, letztlich wird er nach einem Prozeß zum Tode verurteilt und muß sterben wie ein Hund. Gregor Samsa verwandelt sich eines Tages in seinem Bett ein ungeheures, panzerartiges Ungeziefer, dessen Überlebenszeit beschränkt ist. K. überlebt, erreicht sein Ziel, nicht aber die Aufnahme, in das Schloß, die Erwartung als Landvermesser zu arbeiten erfüllt sich nicht. Der Schriftsteller wendet sich schließlich dem Jäger Gracchus zu, er wurde bislang nur selten gesehen. Auch noch nach mehr als tausend Jahren nach einem Unfalltod vermag er nicht zu sterben. Durch eine falsche Drehung bei der Einfahrt zum Totenreich hat er sein friedliches Ende verpaßt, rastlos ist er als lebender Toter unterwegs. Jetzt, in Riva, scheint endlich die Totenfahrt möglich, der Jäger Gracchus ist mehr als erleichtert.

 

Dienstag, 23. Juli 2024

Talking God

In Schönheit

 

Um seinen Verwandten zu begegnen war er in die USA gefahren, eine besondere Zuneigung zu dem Land hatte er nicht, die Uhreinwohner, so scheint es, hat er gar nicht wahrgenommen. Die frühen Filme hatten von den Indianern gar nichts Positives wahrgenommen, nur grausame Untaten, das verbesserte sich in der Folge, ohne aber zu überzeugen. Die Belletristik war überzeugender mit ihren Vorgaben, allen voran die Navajos unter der Obacht von Toni Hillerman, der uns Genaueres wissen läßt. Eine Navajofrau will ihr totkrankes Kind dadurch retten, daß sie jemand anderes tötet, eine unter den Navajos ursprünglich verbreitete, aber zum Scheitern verworfene Maßnahme. Das ursprüngliche,  umfassende Denken und Verhalten der Navajo, Eigenbezeichung Diné, bleibt uns verschlossen. Der Polizist Chee ist über das urtümliche Denken der Frau hinaus, ansonsten aber dem Weltverständnis der Navajos treu verbunden. Leutnant Leaphorn hat, wenn man so sagen will, das amerikanische Leben so gut wie vollständig übernommen, ohne aber das Wesen der Navajos zu vergessen. Es ergibt sich eine allgemeine Annäherung der Navajo an die amerikanischen Verhältnisse, ohne daß das ursprüngliche Leben, abgesehen von einzelnen Personen, ganz untergehen würde. Die weißen Anwohner sind in vielen Einzelheiten schwer verständlich, auffällig ist unter anderem das fehlende oder doch geringe Interesse der Navajo an Rache. Nach wie vor strebt man ein mehr oder weniger vertrautes und doch ganz anderes Leben in  Schönheit, Hózhó, und Harmonie an, in beauty we walk. Ein angenehmer, vorbildlicher Zug der Navajo ist die Geduld beim Sprechen der anderen, man wartet geduldig ab, bis der andere zuverlässig ausgesprochen hat und noch ein wenig länger. Die Kaczina ist ursprüngliche ein religiöses Unterfangen, inzwischen hat sie den Charakter einer  unterhaltsamen Folklore, und doch ist sie weiterhin wichtig für die Teilnehmer des Festes. Auffällig ist das Verhältnis der Navajo zu den Sterbenden und den Toten, der Hogan muß geräumt werden, bevor der Kranke stirbt, der Umgang mit den Toten ist weitaus komplizierter als zum Beispiel bei den Hopi.  Chindis sind der Geist eines Toten, er soll unbemerkt im Dunkel verschwinden. Changing Woman und Talking God sind die entscheidenden Figuren, selbst muß man in Schönheit leben mit der Welt um sich herum. Auch Navajos der Neuzeit, verehren insgeheim das herkömmliche Verhalten. Man vermeidet, den Namen der Toten zu sprechen. Die Welt ist unverständlich, ein jedes Volk ist auf seine Weise bemüht sie nach bestem Wissen zu verstehen, das eine oder andere Unverständliche verständlich zu machen.