Oben und unten
Das Motiv des Fliegens hat in der Prosa des Dichters einen hohen Stellenwert, dabei geht es keineswegs um Linienflüge in der Nacht von Kloten nach Manchester. Vorbereitet wird die Flugleidenschaft in dem Interesse für Fluginsekten und Vögel, die Haltung von Brieftrauben ist ein weiterer Schritt, der Erwerb einer Cessna oder eines flugfähigen ähnlichen Fabrikats der nächste und endgültige. Faszinierend ist die Umkehr der Blickrichtung, man schaut nicht wie seit Jahrtausenden gewohnt ehrfurchtsvoll von unten nach oben zum gestirnten Himmel über uns, sondern pragmatisch von oben nach unten auf unseren Planeten. Tiepolo war noch ganz der herkömmlichen Blickrichtung verpflichtet, zur Linken kniet die heilige Thekla, in ihrer Fürbitte für die Bewohner der Stadt, das Gesicht aufwärts gekehrt, wo die himmlischen Heerscharen durch die Luft fahren und uns, wenn wir hinsehen wollen, einen Begriff geben von dem, was sich über unseren Köpfen vollzieht. Alle wollten hinsehen nach oben und sich Erkenntnis verschaffen, Sloterdijk breitet unter dem Titel Den Himmel zum Sprechen bringen detailliert aus, was es da oben vor und nach Christi Geburt alles zu sehen und zu hören gab, darunter nicht wenige entsetzliche Dinge dem jeweiligen Herrgott zuliebe. An einer Stelle empfiehlt Sloterdijk empfindlichen Lesern, die nächsten vier Seiten zu überblättern, und auch mancher, der sich für hartgesotten hielt, läßt es nach allenfalls zwei Seiten gut sein. Der Hinweis der Sowjets, man habe beim Sputnikflug Gottes Heimstätte nicht ausmachen können, war vielleicht nicht ganz so trivial wie unterstellt und eines vertieften Nachdenkens wert.
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