Übersetzungsprobleme
Keine Literaten ohne Literatur, die Suche nach dem ersten Autor überhaupt verlöre sich, wenn sie denn versucht würde, alsbald im Dunkel der Zeit. Literaten haben ihre Kollegen im Blick, beurteilen sie, schreiben über sie. Sebald war schon die längste Zeit professioneller Literaturbetrachter, bevor er Literat wurde. Auch in seiner Prosa treten zahlreiche Kollegen auf, Stendhal und Kafka mit jeweils einem eigenen Kapitel in den Schwindel.Gefühlen, Chateaubriand, Swinburne und andere in den Ringen des Saturn. Auch der Rousseau betreffende Essay J’aurais voulu que ce lac eut été L’Océan hätte aus Logis in einem Landhaus leicht in die eigentliche Prosa verlagert werden können. In den literaturkundlichen Schriften, und das ist der Unteschied, werden die verschiedenen Autoren beurteilt, längst nicht immer vorteilhaft. In der Prosa unterbleiben Beurteilungen, man weiß, wie sehr der Dichter Kafka hochschätzte, ausdrücklich bestätigt wird es in der Badereise nach Riva nicht.
Stachura hat für das sprachliche Erleben seines Lebens unterwegs zum Tod eine Prosa entwickelt, die keine Einflüsse aus dem literarischen Umfeld zu erkennen gibt. Literatur und Literaten treten im Prosawerk nicht auf, mit einer kaum erwähnenswerten Ausnahme, Praderas Besuch in der Bibliothek auf Rädern. In mancher Hinsicht ist Pradera das Alter Ego des Autors, nicht aber unbedingt auf dem Gebiet der Literatur. Es ist nicht ganz klar, ob er aus Leselust oder aus Langeweile in den Bibliotheksbus steigt. Die Bibliothekarin macht ihn mit verschiedenen Literaturgattungen vertraut, Science Fiktion vertreten von Stanislaw Lem, Sienkiewicz für den Historienroman, Romanzen könnten Pradera gefallen, wenn, gibt er zu bedenken, man nicht immer mit einem traurigen Ende rechnen müßte. Als die Bibliothekarin für einen Augenblick abgelenkt ist, hat er ohne weitere Hilfe das richtige gefunden: Maria Rodziewiczówna, Lato leśnych ludzi, der Sommer der Waldmenschen. Wie begründet sich diese Wahl, war er vertraut mit der Autorin und ihrem Werk? Als Holzer zählt Pradera sich selbst zu den Waldmenschen, der Jahreszeit entsprechend allerdings zu den winterlichen, Zima leśnych ludzi also, der Winter der Waldmenschen. Zima leśnych ludzi wird zum Nebentitel der Siekierezada, in Übersetzungen vermutlich zum Haupttitel, da sich das polnische Amalgam von Siekierezada, Axtgetümmel, und anklingender Scheherazade aus Tausend und einer Nacht in den meisten indogermanischen, geschweige denn in den restlichen Sprachen kaum nachzuvollziehen ist. Für Zima leśnych ludzi dagegen ergibt sich sogar im bekannt eigenwilligen Baskischen zwanglos: Neguko basoko jendea. So hilft Pradera seinem Autor.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen