Montag, 14. April 2025

Boze, deutsch: Gott

Die Mutter

Stachura, getarnt als Pradera in der Erzählung Siekierezada: Daj nam, Boze, zdrowie! Ebenso Batiuk: Daj nam, Boze, zdrowie, deutsch: Gib uns Gesundheit, Gott! Gläubig sind sie beide aber nicht, sie meinen es auch nicht ernsthaft, es ist nur ein Sprichwort. Gläubig mit großer Selbstverständlichkeit ist dagegen Stachuras geliebte Mutter, der wenig geliebte Vater war schon gestorben. Der Glaube an Gott ist der Mutter selbstverständlich. Sie spricht mit Gott in ihren Gebeten, und sie weiß, daß Gott ihr ohne Frage antwortet. Jeder Sonntag ist für sie ein Kirchgang, der Sohn kann ihr darin nicht folgen, er liebt sie aber um so mehr und sie tut alles, was nur denkbar ist für ihren Sohn. Er ist von der Eisenbahn verletzt worden, offenbar mit seiner eigenen Absicht. Die Mutter umhegt ihn nun, alles scheint sich zum Guten zuwenden, seinen baldigen Tod hat er aber schon vorbereitet.

Dienstag, 8. April 2025

Unbelebt

Belebt

Links und rechts in der engen Straße stehen heruntergekommene graue Häuser, Menschen sieht und hört man nicht, aber grade das läßt aufmerken. Wie mögen die Häuser und die Straße ursprünglich ausgesehen haben? Sind die Häuser unbewohnt? Vielleicht nur einzelne Häuser und andere nicht, man sieht weder bewohnte noch leere Häuser. Nach einiger Zeit sieht man eine einsame Frau, die die Straße entlang geht, sie kehrt in keines der Häuser ein, sondern biegt schon bald nach links ein und ist verschwunden. Man könnte ihr nachgehen und in ihre Wohnung eintreten. Vielleicht kehrt sie in ihre Wohnung ein, vielleicht  aber besucht sie jemanden, der in dieser Wohnung lebt, vielleicht lebt sie dort mit ihrer Mutter oder mit ihrem Ehemann, vielleicht springen plötzlich Kinder aus dem Haus, sie wollen spielen oder in die Schule gehen. Sieht man auch Frauen oder Männer, die die in einem der Häuser verschwinden, wenn ja, wohnen sie dort oder besuchen sie jemanden. Bewohner oder Besucher der Häuser sieht man nicht, vielleicht muß man eine längere Zeit warten um ihnen zu begegnen. Heute jedenfalls kann man diese Fragen noch nicht beantworten.

Montag, 7. April 2025

Glück

Lotterie

Die einen haben Glück, die anderen nicht, vielleicht ändert es sich und die Glücklosen werden glücklich, nicht wenige setzen auf die Lotterie, die mal so und mal anders sich zeigt. Daß man nicht weiß, wie es ausgeht ist der besondere Reiz. Er hatte nach und nach sechs Lose gekauft und keins war erfolgreich. Die Losverkäuferin lachte nur: Nichts gewonnen? Ja, nichts, war die Antwort. Lotterie ist nun mal Lotterie, sagte sie nicht ganz ohne Spott. Sie lächelte und wies darauf hin, daß letztendlich das Leben überhaupt ein Lotteriespiel ist. Er hatte dem nichts entgegenzusetzen.

Donnerstag, 3. April 2025

Am Ende des Tages

Wódka

Er hatte tagsüber gelesen und er hat geschrieben, mehr möchte er an diesem Tag nicht tun. Er hatte sich mit niemanden verabredet, er möchte aber in einem Gasthaus unter Menschen gelangen, Männer und Frauen, ohne allerdings ihnen nahe zu kommen und ihr Geschwätz zu hören. Er hatte an diesem Tag schon ein wenig Wódka getrunken, wenig aber nicht all zu wenig, er trank in der Gasthaus, das er ausgesucht hatte, und trank noch spürbar mehr. Gleichwohl kann man bei weitem nicht sagen er sei betrunken, er kam dem aber nah und immer näher. Er zog seine Gitarre hervor und spielte leise, so leise, daß es niemanden störte.

Mittwoch, 2. April 2025

Die Toten

Hilflos

Wer nicht geboren ist, kann nicht sterben, wer nicht stirbt, war nie geboren, die Zahl sowohl der nicht Geborenen als auch die Zahl der Gestorbenen ist immens, weitaus geringer ist die Menge derjenigen, die jetzt gerade ihr Leben leben. Nicht wenige glaubten an das von Jesus erdachte ewige Leben, die Zahl, die dieses Erlebnis seit langen erwarteten, war immens. The dead, die Toten warten aber schon seit längere Zeit erfolglos auf ihre Auferstehung. Man hat sie erwartungsvoll ins Auge gefaßt, auch wenn man es ihnen, den Toten, inzwischen schon längst nichts mehr ansieht. Die Erwartung der Auferstehung der Toten, so sehr man sie auch wünscht, läßt nach, die meisten haben jeglichen Glauben dieser Art bereits aufgegeben. Die Zeit ist unser feindlicher Gegner, wer hat die Zeit erfunden, wer kann die Zeit anhalten? Selbst wenn das möglich wäre, könnten die bereits toten nicht ins Leben zurückfinden. 

Mittwoch, 12. März 2025

Warten

Unterwegs

Er verbrachte die Nacht in einem Motel. Abfahrt rano, also früh am Morgen um sieben Uhr. Andreas fährt weiter nach Laveda Texas, er muß aber jetzt aussteigen und auf den nächsten Zug warten. Ein langes Warten, vier Stunden jetzt schon, grausam geradezu. Er raucht eine Zigarette und trinkt ein Glas Bier, sitzt da, geht hin und her, kehrt um, sitzt wieder da und trinkt noch ein Bier. Geht hinaus, geht wieder zurück, geht einher. Noch eine Zigarette und dann noch eine. Besser aber kein weiteres Bier. Wie lange mag das noch gehen. Wie sich zeigt nicht mehr lange, der Zug fährt ein, das Leid ist überwunden.                          

Dienstag, 4. März 2025

Wirrwarr

Kommen und gehen

Er ißt mit Genuß alles, was er auf dem Teller findet, steckt sich eine Zigarette an und fühlt sich wohl. Plötzlich aber ist der Rauch da und man fragt sich, woher kommt er so plötzlich, dieser Rauch. Er will dich ersticken, te mgle, te mgle, der Nebel. Kiedy? kiedy? Dieser Nebel, dieser Rauch, wann, wann? Immer wieder ist unversehens dieser Rauch da, der so schnell nicht wieder verschwindet, der alles zerstört. Ein Wirrwarr. Der Mgla ist plötzlich da und man weiß nicht, wie lange er bleibt. Er wird irgendwann verschwinden und er wird wiederkommen. Irgend etwas ist größer als wir und treibt mit uns seine Späßchen. Woher kommt er? Was haben wir getan?  Ist er für alle oder nur für einige, für empfindliche? Schließlich geht Pradera wieder an die Arbeit des Holzfällens. Nicht alle unterliegen dem Mgla, haben aber anderes Leid. Es ist verzwickt. Man sieht es.

Montag, 3. März 2025

Morituri

Ein kurzes Leben

Die Zahl der Menschen, die sich umbringen, ist größer als man annimmt, erstaunlich ist auch, daß oft niemand damit rechnen konnte. Sowohl seine Anhänger als auch er selbst sind begeistert von seinem neue Roman, genau deswegen aber, man kann es nur schwer verstehen, beendet es sein Leben. Ein anderer Romancier erholt sich, wie es scheint, dank der liebevoll sorgenden Mutter von seinen Schwierichkeiten, er bringt sich aber gleichwohl einige Tage später um. Ein weitere ist als Lehrer tätig, die Schüler lieben ihn und er liebt die Schüler, auch wenn er sich so manches Mal ärgern muß. Die Zeiten ändern sich aber, bald schon ist Krieg, für mehrere Jahre ist er notgedrungen beim Militär, schließlich kann er seine geliebte Tätigkeit als Lehrer wieder aufnehmen, allerdings nur für kurze Zeit. Sein Sehvermögen geht rapide zurück. Zunächst scherzt er noch darüber, schließlich ist er so gut wie blind, seine Tätigkeit als Lehrer kann er, abgesehen auch von seinem Alter, schon längst nicht mehr wahrnehmen, auch sonst er nicht was tun. Unerwartet von Allen läßt er ich von einem Zug überfahren. Des weiteren ist noch ein älterer Mann zu erwähnen, der in Erinnerung an seine Kindheit und Jugend ein unstillbares Heimweh nicht länger ertragen hat.

Sonntag, 2. März 2025

Ende

Wie man es nimmt
 
Der Monat kam zu seinem Ende, es waren die letzten Tage, wie lustig sind diese Tage gewesen und zugleich wie dumm und schräg, wie immer man es nimmt, und dann auch wieder großartig und zugleich tragisch, wie immer man es sieht. Was soll man da anderes tun als sich hinsetzen und Verse erdichten. Einen mißlungenen, albernen Vers, aber einen fröhlichen Vers. Alles in allem ein schöner Tag unter der strahlenden Sonne.

Zwei Männer

Gott

Er unterbrach sein Reden und sagte dann für lange Zeit nichts mehr. Man muß an etwas glauben, sagte er schließlich, ja, ein Mensch muß an etwas glauben können. Der Freund bestätigte es, man muß an etwas glauben, nämlich an Gott. Ja, so ist es, an Gott muß man glauben, bestätigt der andere, alle sollten das wissen. Seine Frau sei ihm das wichtigste von allem. Er wandte sich wieder an seinen Freund und sagte: Du kanntest sie doch, sie war es, sie war mein Gott. Ja, sie war es, sagte der Freund, er verstehe das nur zu gut, man müsse es so sehen. Der Freund hatte die Frau auch sehr gut gekannt. 

Pretty Woman

Beautiful

Sie war sehr schön, aber auch sehr schwierig im Umgang. Er solle so nicht sprechen, sie so nicht anreden, sagte sie. Wieso denn das, war seine Frage. Sie wolle es einfach nicht, daß auf diese Weise mit ihr geredet würde. Was soll man dazu sagen, war seine Frage, sie sei nun einmal schön, ganz einfach, po prostu, man könne es nicht ändern. Und wieder sie: Er solle so nicht reden. Mein Gott, boze moj, habe sie denn in ihrem Leben nicht schon einmal ähnliches gehört und sich gefreut, könne sie sich nicht erinnern, ist es nie so gewesen? Sie antwortet nicht, er kann es wirklich nicht verstehen. 

Samstag, 15. Februar 2025

Indianer heute

Crow


In der damaligen Zeit gab es für uns, die wir Kinder waren, nichts Wichtigeres als die Indianer. Weil man als Weißer kein Indianer sein konnte, wollte man wenigstens so viel wie möglich von den Indianern wissen. Man lernte, daß die Inder anders als man ursprünglich glaubte, keine Indianer waren und die Indianer selbst verstanden sich gar nicht als Indianer, sondern als Navajos, Apachen, Irokesen, Miamis und vielen andere mehr noch. Die verschiedenen Stämme konnten einander oft nicht leiden. Inzwischen, also in unserer Zeit, gelten auch die Indianer als Amerikaner und sind von anderen Amerikanern kaum noch zu unterschieden. Der, um den es hier geht, nennt sich Crow und behauptet, ein Apache zu sein, von der Gestalt her kann man ihn als solchen ansehen. Man zweifelt aber, daß man ihm glauben kann, schon weil sein offizieller Name ganz anders lautet. Crow arbeitet naturgemäß in unserer Zeit nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit dem Revolver. Er ist, was Treffsicherheit anbelangt, kaum zu überbieten. Ist er tatsächlich ein Indianer, ein Apache zumal, oder tut er nur so? Jedenfalls erledigt er mit dem Revolver eine Reihe von Schwerstverbrechern, seine Angabe, er sei ein Apache, ist glaubwürdig, aber nicht nachgewiesen. Er erledigt die Gangster und hilft den Verwirrten. Der Nachweis des Apachentums bleibt aus, viele aber sind von seinem Apachentum überzeugt. 

Freitag, 14. Februar 2025

Landschaft

Befreiung

Il Diavolo Sulle Colline, man hat den Eindruck, daß es nicht um die Menschen und nicht um die Städte geht, sondern um die Spiele der Landschaft und der Vegetation. Turin ist ein Zentrum Oberitaliens, wird aber kaum wahrgenommen, wahrgenommen werden die umgebenden Landschaften und ihre Bepflanzungen. Abseits der Straßen ist alles von einem Bromberdickicht und den  Baumstämmen überwuchert und in die Hänge hineingeschnitten, die ganz auf dem Tuff steil abfielen. Auf ein paar verödete, grasüberwachsene Weinberge im Wald ergab sich ein Gedränge von Obstbäumen, Schlingpflanzen, Feigen- und Kirschbäumen, Weiden und Akazien, Platanen und Holunder und mehr. Wo der Aufstieg zum Hügel begann, waren Wald, große, dunkle Hainbuchen und Pappeln zu sehen. Wenn man wieder in die Sonne hinaustrat, verlor die Vegetation ihre Schwere und mischte sich ein in ungewöhnliche Pflanzen wie Oleander, Magnolien, einige Zypressen und merkwürdigen Bäumen, die bislang in den Lichtungen noch nie jemand gesehen hatte und die nur gelegentlich auftauchen in den Lichtungen, und auch die, die jenseits der Böschungen blasse Kürbisse erkennen ließen, in den Weinbergen am Greppo ernteten die Drosseln. Aus den Pinien herausgegangen, jagte man an den Hügeln herunter. Man kann Abschließend erwähnen, daß die nur wenige Zeilen umfassende Kurzgeschichte Mistero beim Zugriff auf die Pflanzen und Wälder noch intensiver ist. -  Im Alter von kaum mehr als vierzig Jahren hat der Autor Pavese, dem Leben der Landschaft und der Vegetation  zuliebe, die Welt verlassen.                        

Mittwoch, 12. Februar 2025

Geständnis

Kluge und weniger Kluge

Man trifft nur selten wirklich kluge Leute, jedenfalls trifft man sie nicht allzuoft, aber schließlich trifft man sie doch ab und zu, bei Licht gesehen wirklich aber nur selten, sehr selten nur, wenn man hinschaut, und auch dann ist es nicht sicher. Man trifft kluge Leute, aber auch nur wenige, vielleicht nur einen unter hundert, und auch das nur, wenn die jeweilige Situation es zuläßt. Die Klugen sehen alles noch am besten, die Dummen schauen nur ratlos vor sich hin und sehen gar nichts, aber auch das ist letztlich nur meine Ansicht und genauer weiß ich es ehrlich gesagt nicht. Ich selbst muß mich an mein Lachen gewöhnen, obwohl ich gar nicht zu den Klugen gehöre und über andere nichts zu lachen habe. Ich bin auch gar nicht besonders klug und meistens verstehe ich die klugen Dinge nicht einmal. Nur selten gibt es etwas zu lachen und dann auch meist nur, wenn man über mich selbst lacht, das gilt vor allem auch für mich. Ich hoffe, viele verstehen das besser als ich, der es kaum versteht.

Dienstag, 11. Februar 2025

Polonia

und anderes

Für die Anwesenden läßt Victoire, eine noch sehr junge Frau, besser gesagt noch ein Mädchen, wissen, daß sie de tout son coeur das Land Polen, die Polen und die roten polnischen Schlößchen liebt, so innig wie kein anderes Land und seine Menschen. Sie selbst lebt nicht in Polen. Man unterstellt ihr, sie sei nur begeistert von den polnischen Mazurka Tänzen. Victoire wiederspricht dem nicht, das sei, so sagt sie, in gewissen Sinne richtig, aber nicht das Eigentliche. Zu reden, und das wisse nicht nur sie, sei vielmehr vom Unglück der Polen. Die ständig harte Umgang der Russen mit den Polen zerstöre deren Leben und eben das erfülle das Herz der Frauen mit Teilnahme und Mitleid, weitaus geringer allerdings das im Durchschnitt weniger fühlsame Herz der Männer. Vielleicht seien aber auch die Männer inzwischen aufgewacht. Victoire erlebt ihr Leben weiter, sie erkrankt, gesundet sich aber wieder. Einige Zeit später steht ihre Hochzeit an, zu der es dann aber nicht kommt, der Bräutigam bringt sich um aus Gründen, die nicht sie betreffen. Das Land Polen und die polnischen Menschen vergiß Victoire auch weiterhin nicht.

Stadt und Land

Unterschiede

Die Menschen sind unterschiedlich, Kinder und Erwachsene, Männer und Frauen, Reiche und Arme, Bewohner der Stadt und Bewohner des Landes. Die Bewohner des Landes und die der Stadt werden unterschiedlich geformt, wenn man es so ausdrücken will. Einige wenige wechseln vom Land zur Stadt (miesto) und umgekehrt von der Stadt zum Land, die meisten aber bleiben da, wo sie sind. Die Städter sprechen nur mit einigen wenigen Bekannten, sie können ja auch schlecht mit allen sprechen oder sie begrüßen. Wenn man aneinander vorbeigeht, ist das normal, man kann nicht die vielen begrüßen, die man nicht kennt. Anders sieht es auf dem Lande aus. Schon nach kurzer Zeit kennt man fast jeden, auch wenn man nicht jedem nahe kommt, die Mehrzahl kommt jedenfalls gut miteinander zurecht. Stadt und Land, jedes hat seine Vor- und seine Nachteile.

Pogoda

Veränderung

Pogoda: Ein jeder weiß im Groben den Verlauf des Jahres, der Frühling macht sich bereit für das wärmere Wetter, dann kommt der Sommer als die warme Jahreszeit, der Herbst ist der Gegenteil des Frühlings, der Winter ist kalt und ohne Blätter und Blumen. Im Winter fällt Schnee, es regnet im ganzen Jahr, ab und zu zuviel und ab und zu wenig, alles in allem aber richtig. Der Winter hat viel Dunkel, die Sonne ist auch im Sommer blaß und dann wieder leuchtend. So war es und so soll es den Menschen zu Willen bleiben. Aber kann man das auch noch glauben, ist alles noch sicher oder hat sich die Welt schon verändert und verändert sich weiter? Mal scheint es so, als würde es bleiben, wie es jetzt noch ist, aber vieles spricht dafür, daß es sich geändert hat und sich weiterhin ändern wird, nicht nur zu unserem Guten.

Montag, 10. Februar 2025

Bücher

Bibilothek auf Rädern

Janek Pradera, alias Edward Stachura, ist vermutlich der einzige Intellektuelle unter den Holzfällern, der einzige wohl auch, der sich für eine Objazdwa Biblioteka, eine Bibliothek auf Rädern interessiert, jedenfalls ist er der einzige, der sie aufsucht. Auf dem Weg dahin zeigt sich wieder einmal der Mgla, der gefährliche Nebel, den er aber bewältigt. In der Bibliothek wird er ohne Verzögerung empfangen. Die Bibliothekarin bietet ihm eine Reihe von Autoren an, Kraszewski, Sienkiewicz, Golubiew, schließlich Stanislaw Lem, wie wär es denn speziell mit Lem? Lem kannte er seiner Aussage zufolge kaum. Nicht, daß er die genannten Bücher verachten würde, es ist aber nicht das, was ihm in diesem Augenblick vorschwebt. Wie wäre es mit Romanzen?  Eigentlich schon, aber oft sei es so grausam das könne er nicht leiden, spielt er nur mit uns. Er entscheidet sich schließlich für den Lato  lesnych ludzi, den  Sommer der Waldmenschen von Maria Rodziewiczówna, angesichts der Jahreszeit eher schon den Lima lesnych ludzi, den Winter der Waldmenschen. Marii Rodziewiczówna ist sicher nicht die bedeutendste Autorin, schon gar nicht im Vergleich mit Stachura. Vieleicht aber darf Pradera denn doch nicht als Stachura verstanden werden, vielleicht aber spielt er auch nur mit der Bibliothekarin. Die Bibliothek ist inzwischen nicht mehr so still wie zuvor, eine Reihe von Kindern sind erschienen, sie müssen die  Unterrichtsbücher für das neue Jahr beschaffen. Pradera bezahlt den Lato  lesnych ludzi, bedankt sich bei der Bibliothekarin und verläßt die Objazdwa Biblioteka.

Bäume

Stilles Leid

Die Hasen und andere Tiere können dank ihrer Schnelligkeit ihren Feinden entkommen, Bäume haben diese Möglichkeit nicht, man rühmt aber ihre Festigkeit, allerdings sind sie untereinander im Kampf um das Licht, auf das sie angewiesen sind. Die Mammutbäume müssen sich nicht fürchten, allerdings sind auch sie verschiedenen Krankheiten unterworfen. Unversehens und ohne daß man sich dergleichen hätte vorstellen können, brach eine Erkrankung der Ulmen aus, eine Krankheit, die sehr schnell zum Tod der Ulmen führte, so schnell, daß man es kaum glauben konnte, kam es zum Verdursten  der Bäume. Das war der Anfang und nicht das Ende. Die Kronen der der Eschen lichteten sich mehr und mehr, die Eicheln wurden vermehrt abgeworfen. Die Buchenbestände wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Herbst kam es zu extrem schweren Stürmen, an die vierzehn Millionen Bäume fielen dem zum Opfer. Es blieb nicht bei den Buchen, es erfaßte auch Eichen, die Pappeln, schließlich alle Bäume, am Ende war das ganze Gelände kahl und nicht wieder zu erkennen. Am Ende der Tage wird es wohl überall so sein.

Hasewinkel

Vom Hasen

Sich möglichst lange und unbemerkt stillhalten, ist ein Rat, den man ernst nehmen muß. Viele folgen ihm, Menschen aber mehr noch und mit großem Erfolg viele Tiere, die Tiere, die sich, anders als die Löwen, nicht auf ihre Kräfte verlassen können. Gekonnt und erfolgreich ist der Hase, völlig zu Unrecht spricht man vom Angsthasen. Der Hase weiß, daß er vielen unterlegen ist, den Hunden, den Katzen, den Menschen. Solange er glauben kann, daß man ihn nicht entdeckt hat, bleibt er in seinem Versteck, er spürt genau, wann sein Versteck kein Versteck mehr ist, so daß er herauskommen muß. Nun beginnt ein ganz anderes Verhalten. Vielen entweicht er einfach aufgrund seines hohen Geschwindigkeitsvermögens, anderen, die ebenso schnell oder schneller als er sind, entkommt er mit den bekannten Hakenschlagen. Was Angst sein soll, ist lediglich ein Spiel mit den Feinden. Der Hase kann sich seiner so gut wie sicher sein, kaum ein anderes Tier ist so wenig gefährdet wie der Hase.

Samstag, 8. Februar 2025

Mörderische Nacht

Schlaflos

Für ihn war es eine mörderische Nacht, mörderisch. Ich konnte nicht schlafen. Seltsame Dinge gingen ihm durch den Kopf. Er konnte nicht Lesen, geschweige denn Schreiben. Er steckte sich eine Zigarette an und weiter nichts. Er hätte seiner Frau schreiben können, aber er konnte es doch nicht, ihm fehlte die Kraft. Er legte sich nieder um zu schlafen, um vier morgens stand er wieder auf, trank etwas und rauchte eine Zigarette. Um einiges später zog er sich an und ging nach draußen. Er kehrte in eine Kneipe ein um etwas zu essen und zu trinken. Er zahlte und trat wieder hinaus. Was tun? Im Kino lief ein nur wenig später ein Film, er wollte ihn aber nicht sehen.

Mittwoch, 5. Februar 2025

Vom Wetter

und von anderem

Mal scheint die Sonne, mal nicht, mal regnet es, mal nicht, mal fällt Schnee, mal nur wenig und mal gar nicht, die Menschen können es nicht ändern, obwohl manche es glauben. Oft war die Sonne noch zu sehen, jetzt ist alles schon ganz ohne Glanz. Die Situation ist nie so perfekt wie man es erhofft. Gerade schien noch die Sonne, da fängt es an zu regnen, der Schnee fällt in der Nacht und bedeckte das Land und es wird immer schlimmer. Wer glaubt, man habe die Welt im Griff, der täuscht sich. Was man weiß ist, daß das Licht des Lebens immer dunkler wird, man weiß es, will es aber nicht wahrhaben. Man sollte sich schon vorbereiten an das Ende.

Grenzstadt

Vorzug der Bescheidenheit

Nicht nur verschiedene Länder sehen aufeinander herab. Unser Städtchen ist klein und einsam, vergessen und doch vorhanden. Die großen Städte sind weit entfernt, die Bewohner sind froh über die Stille, in den kleinen Städtchen fühlen sie sich wohl. Die über das Land verstreuten zehn kleineren Städtchen bilden insgesamt keine große Stadt, die großen Städte bevorzugen ihrerseits mit ihrer Weitsicht Gebiete nahe der endlosen See. Die kleinen Städtchen mögen nicht so reich sein, die Bewohner sind aber glücklich und vielleicht glücklicher als alle anderen. Die großen Städte würden auf sie hinabsehen, nehmen sie aber letztlich gar nicht wahr. Die Hauptstadt ist ein besonderer Artikel, auch die Regierungsbeamten kümmern sich aber kaum um das kleine Städtchen, man übersieht es geradezu. Jedes Glück hat einen besonderen Klang. Der höchste Beamter ist der Obersteuernehmer, auch er ist mit seiner Pfeife im Mund rücksichtsvoll gegenüber den Bewohnern der kleinen Städtchen.

Dienstag, 4. Februar 2025

Vom Wesen des Todes

Immer schon

Schon das Kind erlebt den plötzlichen Gedanken des Sterbens, Erwachsene haben angesichts ihrer vielen Aufgaben kaum Zeit für derartige Überlegungen, das Leben geht unbeachtet dahin. Irgendwann aber spürt jeder sein Alter und die nur noch geringe Lebenszeit. Alte Menschen spüren mehr und mehr den Tod, von Tag zu Tag kommt er ihnen näher. Die Idee vom ewigen Leben ist längst nicht mehr einleuchtend, der Tod ist das Maß aller Dinge. Man denkt und redet vor sich hin und plötzlich denkt man an den Tod. Da mögen  unerwartete Dinge aufleben, die man so einfach nicht wieder los wird, der Tod kommt näher und man wird ihn nicht wieder los. Immer wieder breitet sich der Gedanke des Todes aus, die Nähe des Todes kommt immer noch näher. Sollte man das Leben aufgeben, bevor der Gedanke des Todes immer tödlicher wird? Nicht zuletzt die Dichter und Schriftsteller neigen zu einem frühzeitigen Tod, man kennt das.