Nach meiner Ankunft ging ich sogleich in den Kurgarten und bin dort, während der frühen Nachmittagsstunden, auf einer steinernen Bank unter einer Zeder gelegen. Ich hörte die Luft aus- und einstreichen durch das Astwerk und das feine Geräusch, das der Gärtner machte beim Rechen der Kieswege zwischen den niedrigen Buchsbaumhecken, deren sanfter Geruch selbst jetzt noch im Herbst die Luft erfüllte. Lang war mir nicht mehr so wohl gewesen. Dennoch erhob ich mich schließlich. Beim Hinausgehen aus dem Garten beobachtete ich eine Zeitlang ein weißes türkisches Taubenpaar, das mehrmals hintereinander mit einigen wenigen klatschenden Flügelschlägen steil über die Wipfel sich erhob, eine kleine Ewigkeit stillstand in der blauen Himmelshöhe und dann, vornüberkippend mit einem kaum aus der Kehle dringenden gurgelnden Laut, herabsegelte, ohne sich selbst zu rühren um die schönen Zypressen herum, von denen die eine oder andere vielleicht an die zweihundert Jahre schon gestanden hatte an ihrem Platz. Ich trat in den Vorhof hinaus, wusch mir an dem in die efeuüberwachsene Gartenmauer eingelassenen Brunnen, wie ich es beim Hineingehen schon getan hatte, das Gesicht und die Hände, warf einen letzten Blick zurück auf den Garten und erwiderte, indem ich mich dem Ausgang zuwandte, den Gruß der Pförtnerin, die mir aus ihrem dunklen Gehäuse heraus zunickte. Daß ich den Park so menschenleer gefunden hatte war ein Wunder und dann auch wieder nicht, denn während der Kur ist hier der Tag für alle ausgefüllt von Anwendungen, wie das Baden, Massiertwerden, Turnen und so weiter heißt, und von der Vorbereitungsruhe von diesen Anwendungen und der Erholungsruhe nach ihnen. Die Mahlzeiten allerdings nehmen wenig Zeit weg, da sie als Apfelmus, Kartoffelpurée, flüssiges Gemüse, Obstsäfte und so weiter sehr rasch, wenn man will ganz unbemerkt, wenn man will aber auch sehr genußreich hinunterrinnen, nur ein wenig aufgehalten von Schrotbrot Omeletten, Puddings und vor allem Nüssen. Dafür aber werden die Abende gesellig verbracht, sei es, daß man sich einmal mit Grammophonvorträgen unterhält, wobei wie im Züricher Münster Damen und Herren getrennt sitzen und bei lärmenden Liedern, zum Beispiel beim Sozialistenmarsch, das Hörrohr mehr den Herren zugewendet wird, während bei zarten oder besonders genau zu hörenden Stücken die Herren auf die Damenseite gehn, um nach Beendigung wieder zurückzukehren oder in einzelnen Fällen dort zu bleiben für immer. Man könnte meinen, bei diesen Unterhaltungen müßte ich nicht dabei sein. Das ist aber nicht wahr. Für den Besuch des Parks ist es dann ohnehin zu spät, und man muß sich doch irgendwie für den teilweise wirklich guten Erfolg der Kur bedanken, und dann sind hier schon so wenig Gäste, daß man wenigstens absichtlich sich nicht verlieren kann. Endlich sind aber auch die Beleuchtungsverhältnisse ziemlich schlechte, ich wüßte gar nicht, wie ich allein schreiben sollte, selbst bei diesen wenigen Zeilen geht etwas Augenlicht drauf.
Sonntag, 5. Februar 2012
Zur Kur
Nach meiner Ankunft ging ich sogleich in den Kurgarten und bin dort, während der frühen Nachmittagsstunden, auf einer steinernen Bank unter einer Zeder gelegen. Ich hörte die Luft aus- und einstreichen durch das Astwerk und das feine Geräusch, das der Gärtner machte beim Rechen der Kieswege zwischen den niedrigen Buchsbaumhecken, deren sanfter Geruch selbst jetzt noch im Herbst die Luft erfüllte. Lang war mir nicht mehr so wohl gewesen. Dennoch erhob ich mich schließlich. Beim Hinausgehen aus dem Garten beobachtete ich eine Zeitlang ein weißes türkisches Taubenpaar, das mehrmals hintereinander mit einigen wenigen klatschenden Flügelschlägen steil über die Wipfel sich erhob, eine kleine Ewigkeit stillstand in der blauen Himmelshöhe und dann, vornüberkippend mit einem kaum aus der Kehle dringenden gurgelnden Laut, herabsegelte, ohne sich selbst zu rühren um die schönen Zypressen herum, von denen die eine oder andere vielleicht an die zweihundert Jahre schon gestanden hatte an ihrem Platz. Ich trat in den Vorhof hinaus, wusch mir an dem in die efeuüberwachsene Gartenmauer eingelassenen Brunnen, wie ich es beim Hineingehen schon getan hatte, das Gesicht und die Hände, warf einen letzten Blick zurück auf den Garten und erwiderte, indem ich mich dem Ausgang zuwandte, den Gruß der Pförtnerin, die mir aus ihrem dunklen Gehäuse heraus zunickte. Daß ich den Park so menschenleer gefunden hatte war ein Wunder und dann auch wieder nicht, denn während der Kur ist hier der Tag für alle ausgefüllt von Anwendungen, wie das Baden, Massiertwerden, Turnen und so weiter heißt, und von der Vorbereitungsruhe von diesen Anwendungen und der Erholungsruhe nach ihnen. Die Mahlzeiten allerdings nehmen wenig Zeit weg, da sie als Apfelmus, Kartoffelpurée, flüssiges Gemüse, Obstsäfte und so weiter sehr rasch, wenn man will ganz unbemerkt, wenn man will aber auch sehr genußreich hinunterrinnen, nur ein wenig aufgehalten von Schrotbrot Omeletten, Puddings und vor allem Nüssen. Dafür aber werden die Abende gesellig verbracht, sei es, daß man sich einmal mit Grammophonvorträgen unterhält, wobei wie im Züricher Münster Damen und Herren getrennt sitzen und bei lärmenden Liedern, zum Beispiel beim Sozialistenmarsch, das Hörrohr mehr den Herren zugewendet wird, während bei zarten oder besonders genau zu hörenden Stücken die Herren auf die Damenseite gehn, um nach Beendigung wieder zurückzukehren oder in einzelnen Fällen dort zu bleiben für immer. Man könnte meinen, bei diesen Unterhaltungen müßte ich nicht dabei sein. Das ist aber nicht wahr. Für den Besuch des Parks ist es dann ohnehin zu spät, und man muß sich doch irgendwie für den teilweise wirklich guten Erfolg der Kur bedanken, und dann sind hier schon so wenig Gäste, daß man wenigstens absichtlich sich nicht verlieren kann. Endlich sind aber auch die Beleuchtungsverhältnisse ziemlich schlechte, ich wüßte gar nicht, wie ich allein schreiben sollte, selbst bei diesen wenigen Zeilen geht etwas Augenlicht drauf.
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