Dienstag, 14. Februar 2012

Land und Leute

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Er verbrachte im Anschluß an diesen für ihn deprimierenden Tag drei Wochen in der Wasserheilanstalt, die er vor dem Einnachten noch per Dampfboot erreichte. Ein Hausdiener mit einem langen grünen Schurz, der hinten mit einem messingnen Kettchen zusammengehalten wurde, führte ihn auf sein Zimmer, von dessen Balkon aus er auf den in vollendeter Ruhe in der einbrechenden Dunkelheit daliegenden See hinaussah. Es war nun alles blau in blau, und nichts schien sich mehr zu bewegen, nicht einmal das Dampfboot, das schon ein ganzes Stück weit draußen war auf dem Wasser. Am nächsten Morgen begann bereits die Anstaltsroutine. Das Publikum bestand hauptsächlich aus älteren Schweizer Frauen des Mittelstandes, also aus Menschen, bei denen sich ethnographische Eigentümlichkeiten am zartesten und verschwindensten zeigen. Wenn man sie daher an diesen konstatiert, dann sollte man sie doch schon sehr festhalten. Auch seine Unkenntnis ihres Deutsch half ihm, glaubte er, bei ihrer Betrachtung, denn sie waren dadurch für ihn viel enger gruppiert. Bereits während der Bahnfahrt durch die zum Erstaunen schöne Schweiz war ihm wieder in den Sinn gekommen, wie er vor einigen Jahren den Grammont bestiegen hatte. Es war ein ungetrübter Tag gewesen, und als er, nahezu restlos erschöpft, den Gipfel erreicht hatte, da sah er von dort droben die Genfer Seelandschaft vor sich, reglos bis auf die wenigen auf dem tiefblauen Wasser drunten mit der unglaublichsten Langsamkeit ihre weiße Spur ziehenden winzigen Schiffchen und bis auf die am jenseitigen Ufer in gewissen Abständen hin- und herfahrenden Eisenbahnzüge. Von den Menschen aber sah man jetzt mehr als vom Waggonfenster aus, wenn auch nicht eigentlich anderes, und wenn es um die Dichter geht, so würde er sich, wie er einem Freund schrieb, in der Beurteilung der Schweiz lieber als an Keller oder Walser an Meyer halten.

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