Freitag, 30. Dezember 2011

Sommerzeit

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Es ist leicht, am Anfang des Sommers lustig zu sein. Man hat ein lebhaftes Herz, einen leidlichen Gang und ist dem künftigen Leben ziemlich geneigt. Man erwartet Orientalisch-Merkwürdiges und leugnet es wieder mit komischer Verbeugung und mit baumelnder Rede, welches bewegte Spiel behaglich und zitternd macht. Man sitzt im durcheinandergeworfenen Bettzeug und schaut auf die Uhr. Sie zeigt den späten Vormittag. Wir aber malen den Abend mit gut gedämpften Farben und Fernsichten, die sich ausdehnen. Und wir reiben unsere Hände vor Freude rot, weil unsere Schatten lang und so schön abendlich sind. Wir schmücken uns in der innern Hoffnung, daß der Schmuck unsere Natur sein wird. Und wenn man uns nach unserm beabsichtigten Leben fragt, so gewöhnen wir uns im Frühsommer eine ausgebreitete Handbewegung als Antwort an, die nach einer Weile sinkend wird, als sei es lächerlich unnötig, sichere Dinge zu beschwören. Aber die Hand sinkt weiter und weiter, ohne daß wir es bemerken, und wenn erst die Hundstage ihrem Ende zugehen, wissen wir nicht, wie wir der sich ausbreitenden Leere entkommen können. Es erscheint uns jetzt, als ob der alte Aberglaube, daß bestimmte Krankheiten des Gemüts und des Körpers sich mit Vorliebe unter dem Zeichen des Hundssterns in uns festsetzen, möglicherweise seine Berechtigung hat. Mühsam ziehen wir uns an der Fensterbrüstung empor, und in der krampfhaften Haltung eines Wesens, das sich zum ersten Mal von der ebenen Erde erhoben hat, stehen wir dann gegen die Glasscheibe gelehnt, und mit trübe gewordenen Augen erkennen wir in der stillen Straße, in der wir seit Jahren wohnen, nicht mehr und halten sie für eine graue Einöde.

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