Stille Freuden
Die nicht geringste Freude beim Verfassen der Sebaldstücke bestand darin, lange Passagen beim Dichter abzuschreiben. Wer nicht über die Fähigkeit zum Blindschreiben verfügt und obendrein über einen nur noch beschränkt beweglichen Hals, neigt dazu, die Texte beim Schreiben aus dem Kurzzeitgedächtnis in die Tastatur hinein zu verlängern. Vor Gott und den Menschen ist zu bezeugen, daß bei den dabei unvermeidlichen Fehlern das Recht, das richtigere Wort, der feinere Satzbogen ausnahmslos auf der Seite des Dichters lag, nie kam der Gedanke auf, so wie es da steht, könne es eigentlich auch bleiben. Ähnlich muß sich ein mediokrer Schachspieler fühlen, der gegen einen Großmeister antritt. Er hat keine Chance, aber die eigenen Niederlagen lassen in den Glanz der meisterlichen Züge tiefer erleben, als wenn er sie nur nachspielen würde. Eine stille Freude auch, den Übergang von den eigenen Sätzen zu denen des Dichters nicht deutlich zu markieren, eine besondere stille Freude dann, von Freunden auf eine sehr gelungene Stelle angesprochen, zu erläutern, wem sie zuzurechnen sei.
Wie hat Sebald sich selber gelesen? Hat er zu denen gehört, die keins der ursprünglichen Worte an ihren Platz lassen, um das zweite gegen das dritte und das dritte gegen das vierte auszuwechseln, oder konnte er die schöne Arroganz Onettis teilen, der kundgibt, er würde eigentlich nie etwas korrigieren, da sei auch nichts zu korrigieren, er sei so geboren, es sei ihm nicht gegeben, anders als perfekt zu schreiben. Die Unterschrift unter Onettis Augen in Unerzählt: Das Haus in der Nacht durch die Fenster der Schein der Flammen – gibt keinen Aufschluß.
Das Faksimile eines Maschinenskripts im Stuttgarter Katalog Zerstreute Reminiszenzen und ergänzend dazu die aus dem Marbacher Katalog Wandernde Schatten sich ergebende Möglichkeit, die Umarbeitung von Textpassagen des Korsikaprojektes in Teile des Austerlitzbuches zu verfolgen erlauben vielleicht eine Vermutung: Das einzelne Wort konnte an seinem Platz bleiben, das Fügen größerer Textblöcke hat Sebald aber sehr wohl Gelegenheit gegeben, sich mehrfach wieder zu lesen.
In einem Aufsatz über Gerhard Roth schreibt Sebald: Konfession (des Autors) und Mitwisserschaft (des Lesers) gehören unabänderlich zu den dynamischen Grundstrukturen der erzählenden Literatur. Andererseits gelangen unsere Geschichten nur in dem Maß über die Verabredungen des zweifelhaften Genres hinaus, in dem es ihnen gelingt, sich als ein eigenständiges Modell zwischen der Phantasie des Autors und derjenigen des Lesers einzurichten. – Wenn also, um nur ein einfaches Fazit zu ziehen, Lesen immer zu einer Art von Symbiose zwischen Autor und Leser im Text führt, so war es das geheime und nicht ereichbare Ideal der Sebaldstücke, die Symbiose möglichtst eng zu gestalten, am besten nur abzuschreiben mit kleinen Abweichungen hier und da, eine bescheidene Oberstimme, die den Glanz der Melodie nur betont, gelegentliche Spiegelungen die zeigen, wer hinter welchen Bergen tausendmal schöner ist.
Die nicht geringste Freude beim Verfassen der Sebaldstücke bestand darin, lange Passagen beim Dichter abzuschreiben. Wer nicht über die Fähigkeit zum Blindschreiben verfügt und obendrein über einen nur noch beschränkt beweglichen Hals, neigt dazu, die Texte beim Schreiben aus dem Kurzzeitgedächtnis in die Tastatur hinein zu verlängern. Vor Gott und den Menschen ist zu bezeugen, daß bei den dabei unvermeidlichen Fehlern das Recht, das richtigere Wort, der feinere Satzbogen ausnahmslos auf der Seite des Dichters lag, nie kam der Gedanke auf, so wie es da steht, könne es eigentlich auch bleiben. Ähnlich muß sich ein mediokrer Schachspieler fühlen, der gegen einen Großmeister antritt. Er hat keine Chance, aber die eigenen Niederlagen lassen in den Glanz der meisterlichen Züge tiefer erleben, als wenn er sie nur nachspielen würde. Eine stille Freude auch, den Übergang von den eigenen Sätzen zu denen des Dichters nicht deutlich zu markieren, eine besondere stille Freude dann, von Freunden auf eine sehr gelungene Stelle angesprochen, zu erläutern, wem sie zuzurechnen sei.
Wie hat Sebald sich selber gelesen? Hat er zu denen gehört, die keins der ursprünglichen Worte an ihren Platz lassen, um das zweite gegen das dritte und das dritte gegen das vierte auszuwechseln, oder konnte er die schöne Arroganz Onettis teilen, der kundgibt, er würde eigentlich nie etwas korrigieren, da sei auch nichts zu korrigieren, er sei so geboren, es sei ihm nicht gegeben, anders als perfekt zu schreiben. Die Unterschrift unter Onettis Augen in Unerzählt: Das Haus in der Nacht durch die Fenster der Schein der Flammen – gibt keinen Aufschluß.
Das Faksimile eines Maschinenskripts im Stuttgarter Katalog Zerstreute Reminiszenzen und ergänzend dazu die aus dem Marbacher Katalog Wandernde Schatten sich ergebende Möglichkeit, die Umarbeitung von Textpassagen des Korsikaprojektes in Teile des Austerlitzbuches zu verfolgen erlauben vielleicht eine Vermutung: Das einzelne Wort konnte an seinem Platz bleiben, das Fügen größerer Textblöcke hat Sebald aber sehr wohl Gelegenheit gegeben, sich mehrfach wieder zu lesen.
In einem Aufsatz über Gerhard Roth schreibt Sebald: Konfession (des Autors) und Mitwisserschaft (des Lesers) gehören unabänderlich zu den dynamischen Grundstrukturen der erzählenden Literatur. Andererseits gelangen unsere Geschichten nur in dem Maß über die Verabredungen des zweifelhaften Genres hinaus, in dem es ihnen gelingt, sich als ein eigenständiges Modell zwischen der Phantasie des Autors und derjenigen des Lesers einzurichten. – Wenn also, um nur ein einfaches Fazit zu ziehen, Lesen immer zu einer Art von Symbiose zwischen Autor und Leser im Text führt, so war es das geheime und nicht ereichbare Ideal der Sebaldstücke, die Symbiose möglichtst eng zu gestalten, am besten nur abzuschreiben mit kleinen Abweichungen hier und da, eine bescheidene Oberstimme, die den Glanz der Melodie nur betont, gelegentliche Spiegelungen die zeigen, wer hinter welchen Bergen tausendmal schöner ist.
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