Freitag, 10. September 2010

Verkehrsmittel

Eppur si muove

Er wurde Selysses genannt, weil er zur einen Seite hin Ähnlichkeiten mit dem Dichter W.G. Sebald aufweist, und weil er andererseits dem Ulysses in seiner Reiselust oder vielleicht seinem Reisezwang gleicht. Einen Schönheitsfehler scheint es zu geben bei diesem Vergleich, Selysses teilt nicht die Leidenschaft des Ulysses für das Schiff als Reise- und Verkehrsmittel. Das ist aber nicht ohne weiteres als Wesensunterschied zu deuten, das Angebot der Verkehrsmittel ist zur Zeit des Selysses, die die unsere ist, ein ganz anderes als das, welches dem Ulysses zur Verfügung stand. Auch das Reiseerleben ist ein anderes, Abenteuer und Wunder liegen für den heutigen Reisenden kaum noch wie einst großflächig ausgebreitet da, sie zeigen sich momenthaft und nadelfein und bohren sich laserstrahlgleich in einen transzendenten Bereich: Einmal, als wieder ein Blitz über den Himmel fuhr, blickte ich herab in den weit unter mir liegenden Garten des Hotels des Hotels und sah dort im Schutz der niederhängenden Zweige einer Trauerweide ein Entenpaar, reglos auf der von grasgrüner Grütze ganz und gar überzogenen Fläche des Wassers. Mit solch vollkommener Klarheit ist dieses Bild auf einen Sekundenbruchteil aufgetaucht aus der Dunkelheit, daß ich jetzt noch jedes einzelne Weidenblatt, die feinsten Schattierungen im Gefieder der beiden Vögel, ja sogar die Punkte der Poren der über ihre Augen gesenkte Lidhaut zu sehen vermeinte. – Bereits im nächsten Satz befindet sich Selysses zur Weiterreise im Flughafengebäude von Schiphol.

Auch das Flugzeug aber ist in keiner Weise sein bevorzugtes Reisevehikel. Bei überschaubaren Entfernungen sind es die Füße, wo die nicht ausreichen, die Eisenbahn. Vom dem Selysses in vielen Dingen ähnlichen Dichter W.G. Sebald kennen wir Photos, die ihn als jungen Menschen auf dem Fahrrad zeigen, von Selysses ist derlei nicht bekannt. Sebald kennen wir im übrigen auch auf dem Traktor, aber den rechnen wir nicht zu den Verkehrs-, sondern zu den landwirtschaftlichen Produktionsmitteln. Beide, Selysses und Sebald, haben das Motorrad gemieden und es dem Mediziner Piazolo und dem ihm geistesverwandten Pfarrer Wurmser überlassen.

Wir sehen Selysses auf dem Sebaldweg von Oberjoch nach Wertach wandern, nur zu meiner Linken schwebte ein wenig schütteres Licht, astlose, gut siebzig- bis achtzigjährige Fichten standen die Abhänge hinauf; wir sehen ihn auf Korsika, immense Waldungen steigen aus der blauen Düsternis des Solenzaratals über die steilsten Hänge und bis hinan zu den lotrechten Schroffen und Klippen, auf deren Vorsprüngen, Simsen und obersten Stufen kleinere Baumgruppen standen wie Federbusche auf einem Helm; wir sehen ihn wallfahrend im Südosten Englands, der Fußpfad führte um den Verhack herum, durch eine Ginsterböschung auf die Anhöhe einer Lehmklippe hinauf und dort in geringer Entfernung von dem stets von Einbrüchen bedrohten Rand des festen Landes zwischen Adlerfarnen hindurch, von denen die größten mir bis zur Schulter reichten.

Am Zielort oder auch bei einer Einkehr mag er auf Menschen treffen, zu Fuß unterwegs ist er immer allein. Das ist die Voraussetzung dafür, daß er wandernd an das Ende der Welt und der Zeit, in den Kongo oder nach Peking, gelangen kann, ohne weitere Verkehrsmittel zu nutzen oder zumindest, ohne sie zu besteigen: Auf der Brücke über den Blyth verkehrte eine Schmalspurbahn, deren Waggons, wie von verschiedenen Lokalhistorikern behauptet wird, ursprünglich bestimmt war für den Kaiser von China. Ohne Zweifel übersteigt das damals im Reich der Mitte herrschende blutige Grauen jedes Vorstellungsvermögen. Im Hochsommer 1864, nach siebenjähriger Belagerung durch die kaiserlichen Truppen ... - der bloße Gedanke an die kleine Bahn hat ihn mitten nach Peking hinein versetzt.


Bei einer solchen Leistungsfähigkeit des Fußgängers entfällt weitgehend auch die Notwendigkeit städtischer Verkehrsmittel: Jeden Morgen machte ich mich auf und legte in der inneren Stadt und in der Josefstadt endlose Wege zurück. Es ist mir ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, in eines der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigen. – Aufs Ganze gesehen und zur Überwindung größerer Distanzen, besteigt Selysses freilich sehr häufig öffentliche Verkehrsmittel der verschiednen Art, und vor allen anderen die Bahn.

Wenn die Ringe des Saturn das Buch des Fußwanderers sind, so sind die Schwindel.Gefühle das des Bahnreisenden. Mehrfach wird Wien mit dem Zug angefahren, Triest, mehrfach Venedig, Padua, mehrfach Verona, mehrfach Desenzano, Mailand, Innsbruck, Bonn, London: ohne Gewähr für die Vollständigkeit. Austerlitz ist das zweite Buch des Bahnreisens.

Die beiden Reisen des Selysses mit dem Nachtzug von Wien nach Venedig hätten unterschiedlicher nicht ausfallen können. Das erste Mal ist er so gut wie allein und wacht erst auf mit dem Gefühl, daß der Zug, der sich so lange mit gleichmäßiger Geschwindigkeit durch die Täler gewunden hatte, nun aus dem Gebirge heraus und in die Ebene hinunterstürzte. Wir befanden uns auf einer halsbrecherischen Fahrt. Bläulichschwarze Steinmassen gingen in spitzen Keilen bis an den Zug heran. Dunkle schmale Täler öffneten sich, Bergbäche und Wasserfälle, weiß stäubend in der kaum gebrochenen Nacht, waren so nah, daß der Hauch ihrer Kühle erschauern ließ. Sieben Jahre später, mitten in den Ferialmonaten, ist der Zug dermaßen überfüllt gewesen, daß er die ganze Zeit auf dem Gang stehen oder in verschiedenen, äußerst unbequemen Stellungen zwischen den allseits sich türmenden Koffern und Rucksäcken kauern mußte.

Üblicherweise benutzt Selysses die Bahn am Tage und in Begleitung eines ausgewogenen Kontingents von Mitreisenden. Die Verkehrsmittel sind Reflex der Bewegung des Selysses unter Menschen, der sie ihrerseits ihre diversen Prägungen aufdrücken. Die Bahn scheint gegenüber anderen Verkehrsmitteln zwei Vorteile zu haben. Zum einen bewegt sie sich zügig und zugleich in einem für die Weltwahrnehmung günstigen Verhältnis von Raum und Zeit voran, und zum anderen sind die Mitreisenden auf eine große Zahl von Waggons und Abteilen – Selysses meidet eher die Großraumwagen – verteilt, sozusagen in verdaulichen Portionen, so daß man sie im ungünstigen Fall ertragen und im günstigen sich von ihnen bezaubern lassen kann. Man kann auf den Flur hinaustreten und hoffen, daß die Winterkönigin folgt und sich an das gleiche Fenster stellt, oder man könnte auch das Abteil wechseln, um dem schrecklichen Brotzeitmachenden zu entkommen, wäre man andererseits nicht doch von seinem Anblick fasziniert und bereits damit beschäftigt, ihn in ein unübertreffliches Wortbild zu kleiden.

In diesem Kapitel gehen wir nur auf die dem Reisen zugewandte mehr oder weniger harmlose Seite der Eisenbahn ein, für Paul Bereyter hatte die Eisenbahn eine tiefere Bedeutung. Wahrscheinlich schien es ihm immer, als führe die in den Tod. Fahrpläne, Kursbücher, die Logistik des ganzen Eisenbahnwesens, das alles war für ihn zeitweise zu einer Obsession geworden. Mir fielen auch die Bahnhöfe, Gleisanlagen, Stellwerke, Güterhallen und Signale ein, die Paul so oft an die Tafel gemalt hatte. Ähnliches, wenn auch weitaus milder und in abgewandelter Form, klingt bei Selysses selbst an, wäre er doch, wie er oft meint, viel besser mit seinen Landkarten und Fahrplänen zu Hause geblieben. Die dunklen Seiten des Eisenbahnwesens kommen in Austerlitz zum Tragen, vornehmlich am Motiv der Bahnhöfe, die bislang nur unter ihren baulichen Aspekten betrachtet wurden.

Die Vor- und Nachteile des Busses sind gegenüber denen der Bahn anders verteilt. Der Bus hat nur eine Fahrgastzelle, einmal eingestiegen, ist man den Mitreisenden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, sofern sie ihrerseits keine Anstalten machen, bald wieder auszusteigen. Ich stieg sogleich ein in den Bus nach Riva und setzte mich auf einen der rückwärtigen Plätze. Ein paar weitere Fahrgäste kamen noch hinzu. Teils Leute aus der Gegend, teils Reisende wie ich. Dann aber gesellen sich die entsetzlichen Kafkazwilling samt ihren Eltern hinzu und werfen Selysses völlig aus der Bahn: Dankbar für jeden der Tunnels, die wir am steilen Westufer des Gardasees zu durchfahren hatten, bin ich von da an bewegungslos an meinem Platz gesessen. Schließlich, als der Bus in Limone sul Garda hielt, habe ich meine Tasche aus dem Gepäcknetz heruntergeholt und bin ausgestiegen.


Andererseits hält der Bus öfters, und der Austausch des Publikums geht rascher vonstatten. Bisweilen hielt der Bus und ließ eines der alten Weiber einsteigen, die in gewissen Abständen unter ihren schwarzen Regendächern an der Straße standen. Es kam auf diese Weise eine ganze Anzahl solcher Tiroler Weiber zusammen. - Gegen Mittag - die Tirolerinnen waren längst alle in Reutte, in Weißenbach, in Haller, Tannheim und Schattwald ausgestiegen – erreichte der Bus mit mir als letztem Fahrgast das Zollamt von Oberjoch.

Auch ist der Bus, indem die Straße sich dem Geländeverlauf weich anpaßt für die Weltwahrnehmung im Vorbeifahren noch um einiges günstiger als die Bahn mit ihrem geraden Strich: Einmal fielen mir ein paar Hühner auf mitten in einem grünen Feld, die sich, obschon es doch noch gar nicht lange zu regnen aufgehört hatte, für ein die winzigen Tiere, wie mir schien, endloses Stück von dem Haus entfernt hatten, zu dem sie gehörten. Aus einem mir nach wie vor nicht ganz erfindlichen Grund ist mir der Anblick dieser weit ins Feld sich hinauswagenden Hühnerschar damals sehr ans Herz gegangen. Überhaupt weiß ich nicht, was es ist an bestimmten Dingen und Wesen, das mich manchmal so rührt.

Soweit ersichtlich besaß Selysses, anders als zu unserer Trauer der ihm in vielen ähnliche Dichter W.G. Sebald, kein eigenes Auto. In Amerika greift er wiederholt auf einen Mietwagen als Verkehrmittel zurück, und fast will es scheinen, als habe er das Schicksal seines Freundes, wenn wir ihn so nennen dürfen, vorausgesehen: Gleich außerhalb des Flughafengeländes wäre ich um ein Haar von der Straße abgekommen, als ich über einem dort aufgeworfenen wahren Riesengebirge aus Müll einen Jumbo wie ein Untier aus ferner Vorzeit schwerfällig in die Luft sich erheben sah. Er zog einen schwarzgrauen Rauchschleier hinter sich her, und einen Augenblick lang war mir, als habe er die Schwingen bewegt.


Am Steuer ist Selysses so allein wie auf seinen Fußwanderungen, und doch ermöglicht die Eigenart des amerikanischen Autoverkehrs eine nicht erwartete Form der Gemeinsamkeit mit den Menschen: Die Überholvorgänge verliefen so langsam, daß man, während man Zoll für Zoll sich nach vorn schob oder zurückfiel, sozusagen zu einem Reisebekannten seines Spurnachbarn wurde. Beispielsweise befand ich mich einmal eine gute halbe Stunde in Begleitung einer Negerfamilie, deren Mitglieder mir durch verschiedene Zeichen und wiederholtes Herüberlächeln zu verstehen gaben, daß sie mich als eine Art Hausfreund bereits in ihr Herz geschlossen hatten, und als sie an der Ausfahrt nach Hurleyville in einem weiten Bogen von mir sich trennten, da fühlte ich mich eine Zeitlang ziemlich allein und verlassen.

Als Beifahrer erlebt Selysses die Besonderheiten der automobilen Fortbewegung in Amerika fast noch eindrücklicher: Die Straßen waren leer. Nur selten kam uns ein anderer Wagen entgegen. Wir brauchten für die knapp zwanzig Meilen bis an den Atlantik hinunter bald eine Stunde, weil der Onkel so langsam fuhr, wie ich auf einer freien Strecke noch nie jemanden habe fahren sehen. Er saß schräg hinterm Steuer, lenkte mit der linken Hand und erzählte Geschichten. Nur ab und zu vergewisserte er sich durch einen Blick nach vorn, daß wir uns noch auf der richtigen Spur befanden.

Wie der Bus verfügt das Flugzeug nur über eine Fahrgastzelle, die Separierung der Passagiere ist aber weitergehend und von langer Hand vorbereitet. Langsam, als stünden sie unter dem Einfluß von Beruhigungsmitteln oder als bewegten sie sich in einer zerdehnten Zeit, wandelten die Fluggäste durch die Hallen oder schwebten, still auf den Rolltreppen stehend, ihren verschiedenen Bestimmungsorten in den Höhen und Untergründen entgegen. Ab und zu wurde von den offenbar körperlosen, engelsgleich ihre Botschaft intonierenden Stimmen der Ansagerinnen jemand aufgerufen. Passagiers Sandberg... Über kurz oder lang würde die Reihe an jedem der hier Versammelten sein.

In der Luft dann sitzen die nur wenigen Passagiere des Nachtflug von Kloten nach Manchester, in ihre Mäntel gehüllt, weit voneinander entfernt in dem halbdunklen und, wie ich mich zu erinnern glaube, ziemlich kalten Gehäuse, unter sich eine verödete und verlassene Welt: In geraden Linien und leichten Bögen verliefen die Auto- und Wasserstraßen und die Trassen der Eisenbahn zwischen den Weiden und Waldparzellen, Bassins und Reservoiren hindurch. Eingebettet in das ebenmäßige Gewebe, lag als Überrest aus früherer Zeit eine von Bauminseln umgebene Domäne. Ein Traktor kroch, wie nach einer Richtschnur, quer über einen bereits abgeernteten Acker, nirgends aber sah man auch nur einen einzigen Menschen. Gleich ob man über Neufundland fliegt oder bei Einbruch der Nacht über das von Boston bis Philadelphia reichende Lichtergewimmel, es ist immer als gäbe es keine Menschen, als gäbe es nur das, was sie geschaffen haben und worin sie sich verbergen.

Von Grund auf unterschieden von der Passagierluftfahrt ist die Fliegerei aus Leidenschaft, den ihr Verfallenen gewährt sie grandiose Eindrücke und Ausblicke: Die Sonne war eine Zeitlang schon untergegangen gewesen, aber sobald wir die Höhen gewannen, umgab uns wieder eine gleißende Helligkeit, die erst abnahm, als die Schatten aus der Tiefe des Meeres emporwuchsen und sich nach und nach über uns neigten, bis der letzte Glanz an den Rändern der westlichen Welt erlosch. Nie werde ich den vor uns wie aus dem Nichts heraufkommenden Mündungsbogen der Themse vergessen, ein Drachenschweif, schwarz wie Wagenschmiere, der sich ringelte durch die einbrechende Nacht.

Für das geplante Korsikabuch hatte Sebald eine Vermischung von Verkehrs- und Leidenschaftsfliegerei im Auge, den verfügbaren Fragmenten nach zu urteilen mit wenig Erfolg. Douglas ist der Flug- und damit Wegbegleiter des Selysses und redet auf dem Weg nach Korsika die gesamte Flugstrecke, eingekapselt in die Monotonie ihrer Flugzeugzelle, wie die beiden sind, belehrend auf ihn ein. Eine auch nur annähernd eintönige und unattraktive Erzählstrecke findet sich im veröffentlichten Werk Sebalds nicht. Der Stumpfsinn der Luftbeförderung und die Leidenschaft des Fliegens lassen sich nur schwer zu einer Einheit fügen.

Wenn schon hinter den Anlagen der Bahn das Grauen steht, von Bereyter geahnt und in Austerlitz dann ausgeführt, so steht unmittelbarer noch hinter dem Flugzeug der Luftkrieg, dem Sebald einen eigenen größeren Essay gewidmet hat, und der auch im Erzählwerk als Motiv immer wieder auftritt. Das Thema der Verkehrsmittel ist damit verlassen zugunsten des Themas der Zerstörungsmittel, mit einem Seitenblick sei gleichwohl noch angemerkt, daß die Fliegerei das volle Weltengebäude umfaßt, den Himmel der Fliegerei, das Fegefeuer der Personenbeförderung und die Hölle der Bomben. Die Leidenschaft des Fliegens selbst, hinauf in die Helle des Himmels, steht bereits vor dunklem Hintergrund: Daß er von einem dieser Flüge nicht mehr heimkehrte, war ihm wohl vorbestimmt.

Sebalds Erzählwerk ist voller Seestücke, Selysses benutzt Schiffe aber, wie gleich eingangs festgestellt, nicht in nennenswertem Umfang als Verkehrsmittel. Die eine oder andere Kanalüberfahrt findet statt: Als unser Schiff auslief, war es schon Nacht geworden. Wir standen zusammen auf dem hinteren Deck. Die weiße Fahrspur verlor sich in der Dunkelheit, und ich weiß noch, daß wir einmal meinten, wir sähen ein paar Schneeflocken sich drehen im Lampenschein. In stärkerem Umfang auf das Schiff zurückgreifen mußten naturgemäß die Amerikaauswanderer früherer Tage: Es ist zum Fürchten gewesen, wie die Wellen sich aus der Tiefe hervorhoben und wieder zurückgerollt kamen. Nur schwarzes Wasser, tagaus und tagein, und das Schiff, wie es schien, die ganze Zeit auf demselben Fleck. Wohler wurde mir erst wieder, als wir durch die Narrows in die Upper Bay hineinfuhren. Das Schiff war langsamer geworden. Ich spürte eine schwache Brise an meiner Stirn, und indem wir der Waterfront uns annäherten, wuchs Manhattan vor uns höher und höher aus den jetzt von der Morgensonne durchdrungenen Nebeln heraus.

Auch auf den Wasserstraßen finden neben dem bloßen Menschentransport Lustfahrten auf kleineren Booten statt, und ähnlich wie in die Luft, wird Selysses von Freunden auch auf das Wasser mit hinausgenommen, etwa in Venedig: Gegen Mitternacht fuhren wir mit seinem Boot, das draußen vor der Mole lag, den Drachenschweif des Großen Kanals hinauf, an der Ferrovia und am Tronchetto vorbei, hinaus auf das offene Wasser. Vor uns lag der verglimmende Glanz unserer Welt. Oder auf die Makrelensee: Die beiden Segel waren im Westwind gebläht, und wir setzten den Kurs so, daß unser Boot die Gezeitenströmung durchschnitt, gegen die die Makrele mit Vorliebe anschwimmt. Bald sahen wir in der dämmrigen Ferne die Barriere der Kreidefelsen, und es dauerte noch eine ganze Weile, bis die Strahlen der Sonne quer durch die leichten Wellen gingen und die Makrelen sich zeigten. So sehr Selysses die Fahrten auch genießen mag, der bei weitem der liebste Ort ist ihm der Sailor’s Reading Room an Land. Besser als sonst irgendwo kann man hier lesen, Briefe schreiben, seinen Gedanken nachhängen oder, während der langen Winterzeit, einfach hinausschauen auf die stürmische, über die Promenade hineinbrechende See.


Nie wird Selysses den Zweifel los, ob er nicht besser zu Hause geblieben wäre, eppur, instancabile, si muove.


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