Montag, 17. Oktober 2011

Kommentar Claqueurin

Selysses Vorbehalte gelten nicht so sehr Verdis Oper selbst als vielmehr ihrer Wirkung auf das deutsche Gemüt. Ihm schaudert bei dem Regieeinfall, der Gefangenenchor in Sträflingskleidung könne einen Beitrag zur sogenannten Vergangenheitsbewältigung leisten. Trotz seines Widerwillens nimmt er dann doch Platz im Parkett. Die abschließende Beurteilung des Stückes wird Thomas Bernhard überlassen, der sich seiner Aufgabe auf das knappste in der bewährt kompromißlosen Weise entledigt: Die Vorstellung war entsetzlich. Den aufbrausenden Beifall kann Selysses daraufhin nur verstört wahrnehmen. Dem Leser fällt es schwer, sich ein unabhängiges Urteil zu bilden. Einerseits ist an Bernhards ästhetischer Urteilsfähigkeit nicht zu zweifeln, andererseits kennt jeder seine Neigung zum Extremismus. In jedem Fall muß Selysses einräumen, daß die vom ihm zunächst als Claqueurin verdächtigte junge Frau überwältigt von ihren Eindrücken und aus reinem Herzen applaudiert.

 Claqueurin

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