Die Metro schien mir, bevor ich noch herabgefahren war, an diesem Sonntag sehr leer, besonders wenn ich es mit jener Fahrt vergleiche, als ich krank und allein zum Rennen gefahren bin. Allerdings war die Metrostation, wie mir nun auffiel, eben diejenige, an der ich noch nie, wenn ich durch sie durchgefahren war, irgend jemand hatte ein- oder aussteigen sehen. Der Zug hält, die Türen öffnen sich, man blickt auf den leeren Bahnsteig hinaus, man vernimmt die sonst im allgemeinen Getriebe kaum, hier aber überdeutlich hörbare Warnung Attention, die Türen schließen sich wieder, und er Zug ruckt an. Jedesmal, wenn ich durch diese Station gefahren bin, ist das so gewesen, und kein einziges Mal hat auch nur einer der übrigen Fahrgäste mit der Wimper gezuckt. Offenbar ist dieser mich tatsächlich beunruhigende Sachverhalt nur mir allein aufgefallen. Jetzt also stand ich auf dem Trottoir vor dem Eingang zu der fraglichen Station und brauchte, um mir die Mühe des letzten Wegstücks zu ersparen, bloß einzutreten in die dunkle Vorhalle, in der außer einer sehr schwarzen, in einer Art Schalterhäuschen sitzenden Negerfrau nicht ein lebendiges Wesen zu sehen war. Den Namen dieser Station habe ich mir nie einprägen können. Das Aussehn der Metro unterliegt aber auch abgesehn von der Besonderheiten dieser Station und vom allgemeinen Besuch dem Einfluß des Sonntags. Die dunkle Stahlfarbe der Wände überwiegt. Die Arbeit der die Waggontüren auf- und zuschiebenden und dazwischen sich hinein- und herausschwingenden Schaffner stellt sich als eine Sonntagnachmittagsarbeit heraus. Die langen Wege zur Correspondence werden langsam gegangen. Die unnatürliche Gleichgültigkeit der Passagiere mit der sie die Fahrt in der Metro hinnehmen wird deutlicher. Das sich gegen die Glastüre wenden, das Aussteigen einzelner an unbekannten Stationen weit von der Oper wird als launenhaft empfunden. Sicher ist in den Stationen trotz der elektrischen Beleuchtung das wechselnde Tageslicht zu bemerken, besonders wenn man gerade heruntergestiegen ist, merkt man es, besonders dieses Nachmittagslicht, knapp vor der Verdunkelung. Die Einfahrt in die leere Endstation der Porte Dauphine, Menge von sichtbar werdenden Röhren, Einblick in die Schleife, wo die Züge die einzige Kurve machen dürfen nach so langer geradlinieger Fahrt. Tunnelfahrten in der Eisenbahn sind viel ärger, keine Spur von der Bedrückung, die der Passagier unter dem wenn auch zurückgehaltenen Druck der Bergmassen fühlt. Man ist auch nicht weit von den Menschen sondern eine städtische Einrichtung, wie zum Beispiel das Wasser in den Leitungen. Das Zurückspringen beim Aussteigen, mit dem dann folgenden verstärkten Vorgehn. Dieses Aussteigen auf ein gleiches Niveau. Meist verlassene kleine Schreibzimmer mit Telephon und Läutewerk dirigieren den Betrieb. Schrecklich war der Lärm der Metro, als ich mit ihr zum erstenmal im Leben vom Montmartre auf die großen Boulevards gefahren bin. Sonst ist er nicht arg, verstärkt sogar das angenehme ruhige Gefühl der Schnelligkeit. Die Reklame von Dubonnet ist sehr geeignet von traurigen und unbeschäftigten Passagieren gelesen, erwartet und beobachtet zu werden. Ausschaltung der Sprache aus dem Verkehr, da man weder beim Zahlen, noch beim Ein- und Aussteigen zu reden hat. Die Metro ist wegen ihrer leichten Verständlichkeit für einen erwartungsvollen und schwächlichen Fremden, die beste Gelegenheit, sich den Glauben zu verschaffen, richtig und rasch im ersten Anlauf in das Wesen von Paris eingedrungen zu sein. Vielleicht erübrigt sich die Feststellung, daß ich letztlich doch nicht in diese Intergrundstation hineingegangen bin. Zwar stand ich eine beträchtliche Zeit, während ich mir mit den angeführten Gedanken, das Wesen und den Betrieb der Metro insbsondere an Sonntagen betreffend, Mut zu machen suchte, sozusagen auf der Schwelle, wechselte auch einige Blicke mit der dunklen Frau, aber den entscheidenden Schritt wagte ich nicht zu tun.
Dienstag, 18. Oktober 2011
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