Montag, 4. Juli 2011

Kommentar Flora

In immer neuen Versuchen entvölkert Sebald die Welt, dieses Mal geht er besonders weit, alle organische Substanz ist verschwunden und die Steine zerstrahlen, nicht weit ist der Tag, an dem alles begann und die Erde wüst und leer war. Kafka seinerseits bevölkert die Welt gern mit Fabelwesen, mit singenden Mäusen, sprechenden Affen und wundersamen Odradeks. Eins dieser Tiere hat sich nun in Sebalds Ödnis verirrt und schwingt obendrein in dieser Leere einen in seiner Üppigkeit jeder Beschreibung spottenden Schweif. Auch dieses Tier zeigt offenbare Verwandtschaft mit dem Menschen, sein Gesicht ist flach und fast menschlich. Seltsamerweise bleibt das Gesicht aber ohne Eindruck, nur die Zähne haben Ausdruckskraft. Das Tier will sich nicht zum Menschen, seinem Antlitz aufschwingen, sondern diesen herabziehen zu seinen Zähnen, eine Umkehrung herbeiführen, den Menschen dressieren. Eine Ödnis ist nur dann eine Ödnis, solange ein Mensch sie sieht und als solche bezeichnet, und zugleich ist sie noch keine vollständige Ödnis, solange ein Mensch darinsteht und sie sieht. Mit der Dressur des letzten Menschen wird begonnen, das Werk der Entvölkerung abzuschließen. So könnte man es sehen. Das Tier mit dem wüsten Schweif allein auf weißem Schotter, kein Strauch, kein Krüppelholz, kein Büschelchen Gras, der Mensch wegdressiert, wir können es uns nicht vorstellen.
Flora und Fauna

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