Donnerstag, 28. Juli 2011

Kommentar Landgasthof

Beim Eintritt des Selysses in ein Hotel oder einen Gasthof ist zwischen ihm und der Empfangsdame sogleich eine erotische Spannung spürbar, besonders deutlich hier, bei der Engelwirtin im heimischen W. Zuvor hatte Kafka uns mit seinen bekannt knappen Erzählschritten in das berühmte Dorf am Schloßberg geführt, nun verlangsamt sich das Geschehen bis hin zur Zeitlupendehnung. Das Zusammenhalten der Strickjacke mit der linken Hand schränkt nicht nur die Schreibfähigkeit ein und dehnt den Akt der Registrierung des Logisgastes, es ist die mit hinreichend Zeit versehene verführerische Geste, Zurückweisung und Verschließen und damit auch Einladung und Provokation, ein Spiel. Weiter geht es bei Selysses nicht, der Hauch dieses langen Augenblicks liegt aber noch lange über der fortschreitenden Prosa. Es ist schwer vorstellbar, daß Selysses, der die ganzen Schwindel.Gefühle über immer Kafka in Sinn hat, hier nicht auch an K.s Eintritt in den Dorfgasthof und an Frieda denkt. Kafka geht in diesen Dingen deutlich entschlossener zu Werke, besser gesagt, er trifft immer wieder auf gänzlich entschlossene Frauengestalten. Ähnlich wie Kafkas Jäger Gracchus und Hans Schlag durch seinen, in W. ansässigen Jäger Hans Schlag, hat Sebald auch Kafkas Frieda in der Gestalt der Engelwirtin in gewissem Maße zivilisiert und, wenn man so sagen will, entmythologisiert, kein Grund für sein alter ego Selysses, sie nicht für einen phantastischen Augenblick in Frieda rückzuverwandeln.

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