In den Schwindel.Gefühlen tadelt Selysses Kafka milde für dessen geringes Interesse an den italienischen Sehenswürdigkeiten und Kulturschätzen. Wie es schön ist und wie man es bei uns unterschätzt, habe er ausgerufen, sich über Einzelheiten aber ausgeschwiegen, man wisse nicht, was er in Wirklichkeit gesehen hat. Hier nun aber können wir ihn in Ruhe bei der Besichtigung eines Doms beobachten. Es gibt allerdings Schwierigkeiten mit den Lichtverhältnissen. Schon in den Häusern am Domplatz sind fast alle Fenstervorhänge herabgelassen. Mit stärkstem Licht kann man die Welt auflösen, hat er selbst an anderer Stelle geäußert, vor schwachen Augen aber wird sie schamhaft und zerschmettert den, der sie anzuschauen wagt. So dramatisch geht es nicht zu im Dom, jedenfalls nicht, solange wir anwesend sind und zuschauen. Es ist nur so, daß die schwachen Lichtquellen einerseits kaum etwas zu erkennen geben und andererseits vor dem wenigen, das sichtbar wird, zum Blinzeln zwingen. Eine von Selysses bestellte alte Mesnerin sorgt auf die denkbare einfachste Art für klare Verhältnisse, indem sie einen in ihrem Verschlag verborgenen Lichtschalter betätigt. Was da aber ins Licht gerückt wird, ist von dunkler Art. Seit Jahrhunderten schweben die Engel in lautloser Klage über dem unendlichen Unglück der Welt, und doch sind ihre weißen Flügel mit den wenigen hellgrünen Spuren der Veroneser Erde das weitaus Wunderbarste von allem, was wir uns jemals haben ausdenken können.
Eine alte Mesnerin
Montag, 18. Juli 2011
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