Dienstag, 30. August 2011

Deauville

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Schon als ich zustieg, saß da die junge Italienerin mit sonst jüdischem Gesicht, das sich im Profil ins Unjüdische verschiebt. Wie sie aufstand und die Hände zur Brüstung vorstreckte, und nur der schmale Körper zu sehen war, ohne die Vorbereitung der Arme und Schultern. Wie sie sich mit beiden Händen festhielt im Zugswind wie an einem Baum. Sie las eine Detektivbrochure und sah mich öfters an, aus Neugierde, ob ich mit meinem lästigen Hinsehn nicht doch endlich aufhören möchte. Er nimmt an, daß sie über den stummen Herrn zu ihrer Rechten, der immer wieder verstohlen hinblickt zu ihr, also über ihn, unglücklich sei. Ihr Kleid aus Rohseide. Im Compartment saß obendrein, dick, groß, duftend, eine gefiederte Dame mit einer Menge verschiedener Hutschachteln. Ihr Parfum verteilte sie mit dem Fächer in der Luft, ihr vieles Fleisch hielt es im Fuß nicht aus und stieg gleich hinter den Zehen in die Höhe, ich fühlte mich neben ihr eintrocknen. Zu allem Überfluß rauchte sie eine große Brasilzigarre und sah durch den, naturgemäß vom Fächer verwirbelten blauen Qualm manchmal auffordernd zu mir herüber. Ich wußte aber nicht, wie ich sie ansprechen sollte, und starrte in meiner Verlegenheit fortwährend auf die weißen Glacéhandschuhe mit den vielen Knöpfen, die neben ihr auf dem Sitzpolster lagen. In Deauville angekommen, nahm ich einen Einspänner zum Hotel des Roches Noires.

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