Montag, 1. August 2011

Kommentar Reiselektüre

Für einen Leser ist es immer angenehm, auf andere Leser zu treffen, ganz besonders aber in einem Eisenbahnabteil. Es muß nicht befürchten, in ein Gespräch gezogen oder Gefangener unsäglicher Gespräche über seinen Kopf hinweg zu werden. Die Art der Lektüre, Brevier und Bilderroman, mag in den Augen des Selysses zu wünschen übrig läßt, aber das ist durch die Schönheit der Frauen mehr als ausgeglichen und beeinträchtigt in keiner Weise das friedliche Glück der Szene. Gegenüber dem von Kafka entdeckten Burschen auf der anderen Gangseite herrscht Gleichgültigkeit, als Leser kann man ihn kaum ansehen, allein seine Fertigkeit im Zusammenfalten der Zeitung erweckt eine gewisse Bewunderung. Als der Bursche seinen Sitz geräumt hat, schlägt die Befriedigung, sicher zu sein vor allen Gesprächsabsichten, fast schon um in den Wunsch, einige Worte wechseln zu können mit den Schönen. Selysses aber bescheidet sich und greift zu einem Buch, das keinerlei Lesearroganz zum Brevier oder zum Bilderroman zeigt. Aber man darf sich nicht täuschen lassen, die Sehnsucht nach einer Welt, in der alles auf das beste geordnet ist, wo zu jedem Bösen ein Gutes gibt, zu jedem Verdruß eine Freude, zu jedem Unglück ein Glück und zu jeder Lüge auch ein Stück Wahrheit, hat Sebald auf das schönste in Hebels Werk verkörpert gesehen, sie liegt insgeheim auch seinem Erzählen zugrunde, vielleicht allem Erzählen, sicher auch dem Brevier, und auch im Photoroman wird nichts anderes gesucht, in einer interessanten Zeitung aber ist davon nichts zu finden, sie eignet sich nur zum Zusammenfalten.

Reiselektüre

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