Dienstag, 9. August 2011

Los Teólogos

Aus dem Schattenreich
Kommentar

Quizá detrás de la moneda esté Dios
Den Kopf an die Wand gelehnt und ab und zu langsam durchatmend, wenn die Übelkeit in mir aufstieg, hatte ich einige Zeit schon die Arbeiter aus den Goldminen der City beobachtet, die sich zu dieser frühen Abendstunde hier, an ihrem gewohnten Trinkplatz, einfanden, alle einander ähnlich, in ihren nachtblauen Anzügen, gestreiften Hemdbrüsten und grellfarbenen Krawatten, und hatte versucht, die rätselhaften Gewohnheiten dieser in keinem Bestiarium beschriebenen Tierart zu begreifen, ihr enges Beieinanderstehen, ihr halb geselliges, halb aggressives Gehabe, das Freigeben der Gurgel beim Leeren der Gläser, das immer aufgeregter werdende Stimmengewirr, das plötzliche Davonstürzen des einen oder anderen. Sind das am Ende die Priester der letzten Transzendenz, ging mir durch den Kopf, Theologen des Geldes, dessen Wege wir schon lange nicht mehr verstehen, Auguren eines Jenseits, bei dem Himmel und Hölle nicht unterscheidbar sind, der Satan nicht vom Herrgott. Ist unserem Herrn vielleicht ein böser Kunstgriff unterlaufen, als er seinen Sohn schickte, uns zu erlösen, oder aber haben wir ihn gründlich mißverstanden, als wir übermütig folgerten, durch den Gebrauch der Vernunft könnten wir heraustreten aus vermeintlicher Unmündigkeit. Seinerzeit, so heißt es, konnte man sich noch entscheiden zwischen dem Mammon und Gott, nun zeigt sich der aufgebrachte Gott selbst als der Mammon und zeigt uns die Grenzen unseres Tuns. Gott selbst hat, nachdem wir ihn seines Prachtgewandes beraubt haben, in seinem Zorn das Gewand des Mammons angelegt. Sind die Paläste der Deuter des Geldes nicht inzwischen weitaus höher und gediegener als die größten Kathedralen. Kein Grünewald aber wäre bereit, sie auszumalen. Geht die Bereicherung der Exegeten des Geldumlaufs nicht weit über das hinaus, was einer Priesterkaste bislang je eingefallen wäre. Kein Heiliger aber ist mehr bereit für uns einzutreten, nicht die drei Nothelferinnen Barbara, Katharina und Margarethe und nicht Blasius, Achaz und Eustach, Pantaleon, Aegidius, Cyriax, Christophorus oder der wirklich schöne heilige Veit mit dem Hahn, der heilige Georg schließlich, schon seit längerem bereit, über die Schwelle des Rahmens zu treten. Als ich aufschreckte aus meinen reichlich wirren Gedanken, bemerkte ich am Rand der schwankenden, fast schon tanzenden Horde der Schamanen einen vereinzelten, Ludwig Wittgenstein auffällig ähnlichen Menschen, mit dem gleichen entsetzten Ausdruck im Gesicht und einem Rucksack an seiner Seite, wie ihn auch Wittgenstein ständig dabeihatte, in Puchberg und Otterthal geradeso wie wenn er nach Norwegen fuhr oder nach Irland oder nach Kasachstan oder zu den Schwestern nach Hause, um das Weihnachtsfest in der Alleegasse zu feiern. Am Rande, dachte ich, am Rande, wo sonst könnte man sich noch aufhalten ehrlichen Herzens. 

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