Donnerstag, 5. Januar 2012

Frühsommerfahrten


Schon zu Beginn des Sommers, wenn wir mit der kleinen Dampfbahn westwärts das Tal hinauffuhren, merkte ich, wie mir das Herz aufzugehen begann. Schleife um Schleife folgte unser Zug den Windungen des Flußlaufs, durch das offene Waggonfenster schauten die grünen Wiesen herein, die steingrauen und die geweißelten Häuser, die glänzenden Schieferdächer, die silbrig wogenden Weiden, die dunkleren Erlengehölze, die dahinter aufsteigenden Schafweiden und die höheren, manchmal ganz blauen Berge und der Himmel darüber mit den immer von Westen nach Osten ziehenden Wolken. Dampffetzen flogen draußen vorbei, man hörte die Lokomotive pfeifen und spürte den Fahrtwind kühl an der Stirn. Wir wurden förmlich von der wehenden Luft nach ihrem Belieben getragen und es mußte nicht ohne Scherzhaftigkeit sein, wenn wir uns im Luftzug an die Stirn griffen oder uns durch das gesprochene Wort zu beruhigen suchten, die dünnen Fingerspitzen an die Kniee gepreßt. Während wir sonst bis zu einem gewissen Maße höflich genug sind, von einer Klarheit über uns nichts wissen zu wollen, geschah es jetzt, daß wir sie mit einer gewissen Schwäche suchten, freilich in der Weise, mit der wir im Spaß so tun, als wollten wir mit Anstrengung kleine Kinder fangen, die langsam vor uns trippeln. Wir durchwühlten uns wie ein Maulwurf und kamen ganz geschwärzt und sammethaarig aus unseren verschütteten Sandgewölben, unsere armen roten Füßchen für zartes Mitleid emporgestreckt.

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