Mittwoch, 18. Januar 2012

Sumpfige Zeit


Wir brauchten für die zwanzig Kilometer bis ans Meer hinunter bald eine Stunde, weil er so langsam fuhr, wie ich auf einer freien Stracke noch nie jemanden habe fahren sehen. Er saß schräg hinter dem Steuer, lenkte mit der linken Hand und erzählte Geschichten aus der Vergangenheit. Nur ab und zu vergewisserte er sich durch einen Blick nach vorn, daß wir uns noch auf der richtigen Spur befanden. Schließlich verlangsamte er die Fahrt noch mehr und ließ sein Fenster hinab. Als ich noch im Berufsleben stand, sagte er, habe ich über die Arbeit nicht so geklagt, wie über die Faulheit der sumpfigen Zeit. Die Bureauzeit nämlich läßt sich nicht zerteilen, noch in der letzten halben Stunde spürt man den Druck der acht Stunden wie in der ersten. Es ist oft wie eine Eisenbahnfahrt durch Nacht und Tag, wenn man schließlich, ganz furchtsam geworden, weder an die Arbeit der Maschine des Zugführers, noch an das hügelige oder flache Land mehr denkt, sondern alle Wirkung nur der Uhr zuschreibt, die man immer vor sich in der Handfläche hält. - Im Hafen lagen dicht wie eine wie eine verängstigte Herde aneiandergedrängt Segelboote mit schleppendem Takelwerk. Wir stellten den Wagen ab und gingen miteinander, den scharfen Nordostwind im Rücken, den Strand entlang. In den ersten Wochen, so nahm er seinen Bericht wieder auf, muß ich für den, der dafür empfindlich war, sehr rührend ausgesehen haben. Wie es auch wirklich gewesen ist, ich kam mir deklassiert vor. Leute, die nicht bis zum fünfundzwanzigsten Jahr wenigstens zeitweise gefaulenzt haben, sind sehr zu bedauern, denn davon bin ich überzeugt, das verdiente Geld nimmt man nicht ins Grab mit, aber die verfaulenzte Zeit ja. Jetzt ist mir die Zeit schon wie ein hartes Brett. Er blieb stehen und schaute auf das Meer hinaus. Das ist der Rand der Finsternis, sagte er. Und wirklich schien es, als sei hinter uns das Festland versunken und als rage nichts mehr aus der Wasserwüste heraus außer diesem schmalen, nach Norden hinauf und nach Süden hinunter sich erstreckenden Streifen Sand.

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