Montag, 16. Januar 2012

Lettres dangereuses


Die Vernunft kann nicht an gegen das seit jeher von mir unterdrückte Gefühl des Verstoßen- und Ausgelöschtseins. Inmitten der einfachsten Verrichtungen, beim Schnüren der Schuhbänder, beim Abwaschen des Teegeschirrs oder beim Abwarten auf das Sieden des Wassers überfällt mich diese schreckliche Angst. In kürzerster Frist trocknet die Zunge und der Gaumen mir aus, so als läge ich seit Tagen schon in der Wüste. Briefe erhalte ich kaum und die wenigen öffne ich oft nicht, ich fürchte die Gefahr, eine große Gefahr. Man stelle sich vor, ich bekomme von Jakub, nennen wir ihn Jakub, Brief und Brief und in jedem sucht Jakub meine ohnehin bodenlose Existenz zu widerlegen. Er führt seine Beweise mit guter Steigerung, schwer zugänglichen Beweisen, dunkler Farbe bis zu einer Höhe, daß ich mich fast eingemauert fühle und selbst und ganz besonders die Lücken in den Beweisen mich zum Weinen bringen. Alle Absichten Jakubs sind zuerst verdeckt, er sagt nur, er glaube, ich sei recht unglücklich, er habe diesen Eindruck, im einzelnen wisse er nichts; übrigens tröstet er mich. Allerdings wenn es so wäre, so müsse man sich nicht wundern, denn ich sei ein unzufriedener Mensch, das würden auch Margarethe und Veit, nennen wir sie Margarethe und Veit, wissen. Man könne ja im Grunde einräumen, ich habe Grund zur Unzufriedenheit; man sehe mich an, man sehe meine Verhältnisse an und man wird nicht widersprechen. Wenn man sie aber recht beobachtet, wird man sogar sagen müssen, ich sei nicht unzufrieden genug, denn wenn ich meine Lage so gründlich untersuchen würde, wie Jakub es tut, könnte ich nicht weiterleben. Jetzt tröstet mich Jakub nicht mehr. Und ich sehe, sehe es mit offenen Augen, Jakub ist der beste Mensch und er schreibt mir solche Briefe, was kann er um Gotteswillen anderes wollen, als mich ermorden. Wie gut er in dem letzten Augenblick noch ist, da er, um mich vor meinem Schmerz zu verschonen, sich nicht verraten will, aber vergißt, daß das einmal entzündete Licht wahllos beleuchtet. Ich muß schneller und schneller um Atem ringen, mein Herz beginnt zu flattern und zu klopfen bis unter den Hals, der kalte Schweiß bricht aus am ganzen Leib, sogar auf dem Rücken meiner zitternden Hand, und alles, was ich anblicke ist verschleiert von einer schwarzen Schraffur.

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