Als ich nach einem kurzen Mittagsschlaf die Augen öffnete, meines Lebens noch nicht ganz sicher, hörte ich meine Mutter in natürlichem Ton vom Balkon hinunterfragen: Was machen Sie? Eine Frau antwortete: Ich jause im Grünen. Da staunte ich über die Festigkeit , mit der die Menschen das Leben zu tragen wissen. Vielleicht schlage ich, so sage ich mir öfters, mehr nach der Tante Mathild als nach meiner Mutter. An einem anderen Tag freute ich mich mit einem gespannten Schmerz über die Erregung eines Tages, der bewölkt war. Dann war eine verblasene Woche oder zwei oder noch mehr. Dann war ich wehmütig und sehr dumm, so daß ich stolperte auf den Feldwegen, die hier sehr steigend sind. Und dann und dann war der Sommer zu Ende und ich fand, daß es kühl wurde. Was die Mathild anbelangt, so hat sie, genau wie ich, immer als eine überspannte Person gegolten, vielleicht hat ihr die Mutter insgeheim eine Schuld an meinem ihr letztlich unverständlichen Wesen zuerkannt. Unmittelbar vor dem Krieg war die Mathild, so wurde erzählt, in das Regensburger Kloster der Englischen Fräulein eingetreten, hat das Kloster aber noch vor Kriegsende unter eigenartigen, im einzelnen nicht näher bekannten Umständen wieder verlassen und einige Monate lang in der roten Zeit, in München sich aufgehalten, von wo sie am Ende des Sommers in einem arg derangierten und fast sprachlosen Zustand nach Hause zurückgekehrt ist. Die Mutter hat aus ihrer Abneigung gegen die Mathild nie ein Hehl gemacht und sich über sie dahingehend ausgelassen, daß sie aus dem Kloster und aus dem kommunistischen München völlig hinterfür wieder heimgekommen sei. Gelegentlich, wenn sie besonders schlecht aufgelegt war, hat sie die Mathild auch eine rote Betschwester geheißen. Etwas dahingehend Vergleichbares kann man mir nun allerdings nicht vorwerfen.
Donnerstag, 12. Januar 2012
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