Sonntag, 24. April 2011

Kommentar Charisma

Bei Kafka ist es ursprünglich ein Oberst, der allein mit seiner Autorität ein in der Weite des Landes verlorenes Bergstädtchen regiert, seine wenigen Soldaten wären, wenn man nur wollte, gleich entwaffnet. Nun ist er als Kapitän eingesetzt und lenkt ein Schiff über die Weite der Ozeane. In unserer Zeit sind die Schiffe so groß, die Fahrt so schnell und so sicher und die Mannschaft so spärlich verteilt, daß mancher Matrose den Kapitän kaum sieht während der Dauer einer Reise. Kapitän Ahabs Charisma wirkte schon die längste Zeit, als er sich unsichtbar für die Mannschaft in seiner Kajüte aufhielt, und als er endlich das Deck der Pequod betrat, war jedes Wort wie ein Gebot. Auf einem Containerschiff unserer Tage ist die Ausstrahlung des Kapitäns aber, ob die Mannschaft ihn nun zu Gesicht bekommt oder nicht, kaum noch ein entscheidender Faktor. Gut so, wird mancher sagen. das Charisma steht unserer Sehnsucht nach Gleichheit entgegen, wenige haben es und viele nicht. Ein gleichmäßig auf alle verteiltes Charisma wäre nicht wahrzunehmen und wirkungslos. Aber vielleicht ist das zu nüchtern gedacht, und das gegenteil tritt ein, die Erlösung, die Gemeinschaft der Heiligen, ein jeder unter seiner Gloriole. Vorerst aber ist das ungleichmäßige Verteilung des Charismas, die Frage der Seefahrt beiseite gelassen, eine wertvolle gesellschaftliche Ressource, die Machtmittel Machtmitteln ersetzen und ihren Einsatz überflüssig machen kann. Józef Teodor Konrad Korzeniowskis Charisma beruht allein auf seinem Blick. Er schaut sein Gegenüber lange und stumm an. Es ist kein scharfer prüfender sich einbohrender Blick, sondern es ist ein nachlässiger, schweifender, allerdings aber unablässiger Blick. Man müßte neu nachlesen, wie Ahab seine Leute anschaut, als er endlich das Deck betritt und aufruft zur Jagd auf den weißen Wal, that great fish we will never net passing us far out at sea.
Charisma

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