Montag, 18. April 2011

Kommentar Landgeistlicher

Ambros Adelwarths teilweise im Telegrammstil mit unvollständigen Sätzen gehaltenes Orienttagebuch scheint Kafka um einiges näher zu stehen als Sebalds Prosa, soviel näher dann aber doch nicht. Zunächst greift der Blick den dunklen Teil der Stadt ab, das was Zola ihren Bauch nennt, Händler, Schindanger, geronnenes Blut, Haufen von Eingeweiden, schwärzlich braunes Gekröse, dann richtet er sich zum Licht, Kirchen, Klöster, religiöse und philanthropische Einrichtungen jeder Art und Denomination, um sich schließlich, in einer vor allem in der Eingangssequenz von Filmen beliebten Wendung, auf eine Einzelheit zu richten, ein Haus mit zwei Wächtern vor der Tür. An den beiden Wächtern wiederholt sich der zwiespältige Charakter der Stadt, sie sind abgerissen und dann doch wieder fein. Was gilt es überhaupt zu bewachen, wer hat sie beauftragt, wachen sie hier immer oder nur heute, wachen sie überhaupt, und warum geben sie ihre vorgebliche oder tatsächliche Wache auf, sobald der Name Rebekka Zoufal fällt. Gibt es Rebekka Zoufal überhaupt, oder täuscht der Landgeistliche, sofern er ein Landgeistlicher ist, seinerseits etwas vor. Bei der alten gebückten Frau mit dem langen schmalen Zahn, der öde vereinzelt in ihrem Munde steht, kann es sich wohl kaum um Rebekka Zoufal handeln. Vielleicht gehen wir einfach den ganzen Weg zurück und sind, ohne daß sich die Nebel gelichtet hätten, zufrieden.
Landgeistlicher

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